Ein Monat in Ungarn
Ich bin jetzt seit etwas mehr als einem Monat in Ungarn. Wie meine Anreise war und wie mein Alltag momentan aussieht findet ihr hier :)
Die Anfahrt:
28h von Haus zu Haus; diese Zeit trennte mich am 16. September von meinem Leben in Ungarn. Ein merkwürdiges Gefühl. Richtig zu fassen bekommen hatte ich es nicht. Es fühlte sich eher so an, als würde ich lange in den Urlaub fahren, oder in ein Feriencamp, und weniger so als würde ich einen komplett neuen Abschnitt in meinem Leben anfangen. Aber im Vergleich zu meinem stressigen Alltag in der Schulzeit, war die Freiheit die mich hier erwartete auch einfach schwer zu realisieren. Und mit diesem Wunsch von Freiheit, Selbstbestimmung, und neuen Erlebnissen ging es schließlich los.
Meine Eltern haben mich mit dem Auto nach Paris gebracht, von wo aus der Flixbus nach Budapest abfuhr; zum Glück, denn mit meinem großen Koffer, meinem großen Reiserucksack und meinem kleinen Handgepäck-Rucksack wäre es sicherlich kein Spaß gewesen quer durch Paris mit den öffentlichen Nahverkehrsmitteln zu fahren. In Paris hieß es dann erstmal ein bisschen warten, wir waren deutlich zu früh da, also nochmal ein wenig reden, ein paar Abschiedsfotos machen und dann war es endlich soweit: man konnte einsteigen. Um die Fahrt ein wenig erträglicher zu machen, hatte ich zwei Sitze reserviert, ich saß ganz hinten rechts. Und schließlich gab es kein Zurück mehr, die Türen hatten sich geschlossen, es wurde ein letztes Mal gewunken und dann ging es auch schon los. Die Flixbusfahrt war relativ unspektakulär, an Schlaf war nicht wirklich zu denken, da der Bus nachts durch Deutschland gefahren ist und ungefähr jede Stunde eine Ansage für die nächste Haltestelle kam, die auch durch Ohropax nicht zu überhören waren. Mit etwa 20 min. Verspätung kam ich dann endlich, am 17. September um 18:40 Uhr in Budapest an. Erleichtert die Maske endlich mal wieder länger als nur drei Minuten abnehmen zu können, habe ich mich erstmal draußen hingesetzt und die frische Luft genossen. Um 20:15 Uhr fuhr dann mein Zug, mit einer viertel Stunde Verspätung, nach Pécs ab. Ich war zu diesem Zeitpunkt, schon echt müde und hätte mir gewünscht, dass alles einfach glatt läuft; aber das wäre zu einfach. Um in den Zug zu kommen, musste man sehr steile und hohe Stufen rauf, und da es der letzte Zug nach Pécs war, waren kaum Leute da, es hat mir also niemand mit meinem Gepäck helfen können. Nachdem ich es mit Mühe und viel Stress hinbekommen habe, dass mein gesamtes Gepäck mit mir zusammen im Zug war, wollte ich mich also nur noch hinsetzten und in Ruhe gelassen werden. Aber natürlich ging auch das nicht. Ich machte den Fehler mich in einen Wagon zu setzten der fast leer war, mit Ausnahme von einem Mann… Es stellte sich heraus, dass dieser Mann nicht mehr ganz nüchtern war, und mich auf Ungarisch anquatschte. Logischerweise, habe ich sehr schnell klargemacht, dass ich a) kein Ungarisch kann aber vor allem b) auch gar keine Lust hatte mit ihm irgendwie zu kommunizieren. Aber wie das nun mal so ist, hat er das nicht wirklich verstanden, und es ging so weit, dass er mir irgendwann etwas zu trinken angeboten hat. In dem Moment war es dann endgültig zu viel, und ich bin ohne lange zu warten aufgestanden und habe mich in einen anderen Wagon gesetzt, wo noch andere Menschen, darunter auch Frauen, saßen. Glücklicherweise ist er mir nicht gefolgt und die restliche Fahrt verlief ohne Zwischenereignisse. Am Bahnhof in Pécs wurde ich dann netterweise abgeholt und zum Haus gefahren, wo ich dann um kurz nach 23 Uhr endlich angekommen bin und ohne große Umwege in Bett gefallen bin.
Nach ein wenig Eingewöhnungs-Zeit, in der uns alles gezeigt wurde, wir ein Röntgen Bild unserer Lungen machen mussten (das scheint Pflicht zu sein, wenn man hier mit kleinen Kindern arbeitet) und wir uns alle kennengelernt haben, ging es schließlich richtig los mit der Arbeit. Hier eine kleine Beschreibung, wie ein typischer Tag für mich aussieht:
6:00Uhr-7:30Uhr:
Ich sollte aufstehen, es ist aber eindeutig zu früh, weswegen ich meistens doch noch ein paar Minuten liegenbleibe. Wenn ich dann doch mal Aufstehe ist es Zeit zum Fertigmachen, ich mag es dabei Zeit zu haben, weswegen ich lieber zu viel Zeit einplane als am Ende in Stress zu geraten. Schließlich geht’s mit dem Bus zum Kindergarten.
8:00Uhr-12:30Uhr:
Arbeit im Kindergarten, in der Eulen Gruppe. Wobei ich das nicht wirklich Arbeit nennen würde; die Kinder sind super süß und freuen sich, wenn ich da bin. Mit „Mara Néni“ rufen sie mich, („Néni“ ist Ungarisch und heißt soviel wie „Tante“, wird hier aber von den Kindern auch für Lehrerinnen oder Personen die einen klaren Altersunterschied haben, verwendet.) um mich anschließend auf Ungarisch voll zuquatschen. Da ich noch kein Ungarisch kann, ist die Verständigung etwas erschwert, aber mit Händen und Füßen, oder mithilfe der Übersetzung der Lehrerin, die Deutsch spricht, geht es meist mehr oder weniger. Und da die Kinder Deutsch lernen sollen, antworte ich sowieso immer auf Deutsch. Wir verbringen die Zeit also, mit verschiedenen Spielen, wie Halli Galli, was ich selber auch kenne (wobei die Kinder, das mit den Regeln nur so mittelmäßig ernst nehmen ), mit Puzzeln, Lieder singen, Frei spielen oder natürlich basteln. Kurz vor dem Mittagessen geht es für die Kinder, wenn das Wetter es zulässt, raus auf den Pausenhof, davor heißt es natürlich Schuhe und Jacken anziehen, eine Aufgabe, die noch nicht alle Kinder alleine hinbekommen, weswegen ich gemeinsam mit Judi (der Lehrerin) helfe. Während die Kinder schon rausrennen, und mit Kreide spielen, oder sich ein Laufrad aus dem Schuppen hohlen, bleibe ich noch kurz drinnen und helfe die Betten für den Mittagsschlaf aufzubauen. In meiner Gruppe schlafen meistens ziemlich viele Kinder, weswegen der Platz knapp ist und das Aufbauen etwas länger dauert. Wenn alle Betten bezogen sind, gehe auch ich raus um mit den Kindern zu spielen, da ich beim ersten Mal mit den Kindern angefangen habe Fangen zu spielen, ist es meistens auch das was die Kinder wollen; also das ich ihnen hinterher „renne“ und wenn ich sie kriege sie einmal kurz hochhebe und mich mit ihnen drehe. An Tagen wo ich dafür zu müde bin gibt es aber durchaus noch andere Optionen, ob das nun gemeinsames Kreidemalen ist, schaukeln, „gemeinsames“ Klettern (heißt die Kinder klettern auf den Klettergerüsten, die auf dem Pausenhof stehen, und ich stehe dahinter und pass auf) oder einfach gemeinsam auf der Bank sitzen, mit den Kindern, die gerade nicht so viel Energie haben oder ihre Eltern vermissen. Dann gibt es auch schon Mittagessen, wobei ich nicht mit den Kindern esse, sondern in einem anderen Raum mit meinen Mitfreiwilligen, eine kleine Lärmpause. Nach dem Essen heißt es dann Zähneputzen, wobei ich die Zahnpasta verteilen darf, nach der, sehr süß, mit „Ich möchte Zahnpasta“ gefragt wird, manchmal auch nur mit „Zahnpasta“. Anschließend geht es wieder ans umziehen, Alltags Klamotten aus und Schlafanzug an. Wenn die Kinder dann alle in ihren Betten liegen ist es Zeit für mich zu gehen und den Bus zur Daycare zu nehmen.
13:00Uhr-17:00Uhr:
Nach dem Kindergarten geht es also zur Daycare, wo unsere Aufgabe ist, den Kindern bei ihren Deutsch-, Englisch- oder in einem Fall sogar Französischhausaufgaben zu helfen, und allgemein mit ihnen die Sprache zu üben. Die erste Stunde besteht aber meistens erstmal aus Tee trinken, eventuell noch etwas essen und mit unserer Mentorin quatschen, da die Kinder erst gegen 14:00 Uhr kommen. Und auch wenn sie dann in der Daycare ankommen, ist es oftmals so, dass sie erstmal Hausaufgaben in anderen Fächern machen, also auf Ungarisch, wo wir, mangels Ungarisch Kenntnissen, nicht helfen können. Die dennoch benötigte Hilfe übernehmen in diesem Fall Freiwillige aus der Uni hier in Pécs, die ebenfalls in der Daycare mit uns arbeiten. Wenn die Kinder dann damit fertig sind, kommen sie zu uns. Ihnen zu helfen ist nicht immer einfach, ihr Sprachniveau ist sehr unterschiedlich. Während manche sich mit uns auf Englisch schon ganz gut unterhalten können, und somit auch die Hausaufgaben verstehen und mehr oder weniger gut machen können, verstehen andere (fast) gar nichts; die Hausaufgaben sind in den Fällen viel zu schwer und wir müssen quasi von 0 anfangen. Auch die Art wie die Kinder auf uns reagieren ist sehr unterschiedlich: Manche reden gerne mit uns, haben Spaß an den Spielen die wir mit ihnen spielen, während andere nur dasitzen und kaum reden. Kommunikation ist hier nicht einfach, die Sprachbarriere ist groß. Dennoch versuchen wir so gut es eben geht zu helfen, manchmal indem wir den Kindern die ganz grundlegenden Dinge wie „Wie heißt du?“, „Ich heiße…. “, „Wie geht es dir?“, „Mir geht es gut/nicht gut.“ oder ähnliches beibringen, manchmal in dem wir Uno oder Dobble spielen und manchmal in dem wir einfach miteinander reden. Und auch wenn ich oft das Gefühl habe, dass die Hausaufgaben sinnlos für die Kinder die sie machen müssen sind, so helfen wir natürlich auch da. (Ich habe das Gefühl, dass sie sinnlos sind, da viele Kinder sie absolut nicht verstehen und nur raten, oder auch Texte auswendig lernen müssen, von denen sie keine Ahnung haben worum es eigentlich geht. In solchen Fällen versuchen wir dann zumindest einzelne Wörter zu übersetzten um ihnen ein grobes Gefühl vom Thema zu geben.) Mit vielen unterschiedlichen Kindern und vielen Sprachwechseln geht so der Nachmittag relativ schnell vorbei. Was wir nach der Daycare machen hängt vom Tag ab.
Sprachunterricht: Montags und Freitags haben wir Ungarisch-Unterricht. Da wir nicht schon Anfang September, sondern erst später gekommen sind, konnten wir nicht mehr in den Sprachkurs der Universität rein, sondern bekommen jetzt Unterricht von unserer Mentorin. Ungarisch ist eine extrem schwere Sprache! Mal im Ernst, wer ist auf die Idee gekommen alle Wörter und nicht nur Verben zu konjugieren!? Dieser Fakt führt dazu, dass selbst wenn man das Grundwort kennt, was momentan sowieso noch nicht sehr oft der Fall ist, man dieses in Konversationen nicht heraushören oder richtig benutzten kann, da es sich plötzlich ganz anders anhört. So wird zum Beispiel aus „szomjas“ was durstig heißt plötzlich „szomjasok“, wenn man in der Mehrzahl redet. Solch „kleine“ Veränderungen hören sich erstmal nach nicht sehr viel an, aber wenn es (fast) alle Wörter betrifft und man die Sprache sowieso nicht beherrscht, dann kann das schon Frustrieren. Natürlich gibt es dann auch noch doppelt unregelmäßige Verben um uns Mut zu machen :) Dagegen kommt selbst Französisch mit seinen Ausnahmen von den Ausnahmen nicht an. Dennoch oder vielleicht auch gerade deshalb ist es interessant diese doch sehr spezielle Sprache zu entdecken, eine Herausforderung ist es auf jeden Fall!
Tanzunterricht: Dienstags und manchmal auch donnerstags können wir tanzen. Unsere Mentorin war lange Zeit professionelle Tänzerin und hat uns netterweise angeboten, uns gratis Tanzunterricht zu geben. Zu verschiedenen Musikstücken können wir uns also beim Salsa, Rumba und ähnlichen Tanzrichtungen so richtig auspowern.
Mentor-meeting: Jeden Mittwoch findet ein Mentor-meeting statt. Da nicht alle Freiwilligen in der Daycare arbeiten, und sie somit sowieso jeden Tag sehen, nutzt unsere Mentorin dieses Treffen um wichtige Informationen auszutauschen und sicher zu stellen, dass es uns gut geht. Hierfür entscheidet jede Woche eine andere Person in was für ein Lokal, Kaffee oder Restaurant wir gehen. Dort können wir dann was essen, oder uns was zu trinken bestellen, während wir reden.
Am Wochenende ist dann genug Zeit für Freizeit. Wie diese aussieht ist natürlich unterschiedlich, wir waren schon auf einem Weinfestival in Villany (einem Dorf in der Nähe von Pécs), einem Lichterfestival hier in Pécs, haben Spaziergänge und kleinere Ausflüge gemacht und einfach im Bett entspannen geht natürlich auch.
So sieht also momentan mein Alltag hier aus. Allgemein bin ich sehr glücklich hier, die Menschen sind nett, die Arbeit macht Spaß, ich lache viel und genieße mein Leben gerade sehr. Mal schauen was die nächsten Monate noch so mit sich bringen.
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