Zu Hause ist es doch am Schönsten
Wenn alle durcheinander in den Lautsprecher plärren, weiß man manchmal nicht, ob es um Bibeln oder Zwiebeln geht. Um Pflanzen generell geht es bei Emily dieser Tage oft, seien es Bäume oder Brennesseln.
Tja nun, dann schreibe ich diesen Artikel eben hat noch einmal. Weil’s doch so viel Spaß macht. Mein PC hat nämlich beschlossen, dass der beste Augenblick um sich aufzuhängen der ist, wenn ich nach einer Stunde-Tagebucheintrag schreiben auf „Artikel übertragen“ drücke. Das war vor etwa drei Tagen. Nachdem ich mich die letzten Tage dann von ihm ferngehalten habe (reine Sicherheitsgründe, wär’ das noch mal passiert, hätt’ ich ihn gegen die Wand geschmissen) wage ich es nun noch einmal, von der letzten Zeit hier zu berichten. Anfangen sollte ich wohl mit letztem Freitag: der große Tag der Präsentation in der Schule. Es ist alles total super gelaufen, die Kinder haben es geliebt, die Lehrer und der Direktor haben sich ziemlich beeindruckt gezeigt und unser Mentor war glaube ich sehr zufrieden (das ist übrigens ein großes Lob-also: Hurra!). Nachdem wir also alle Klichees über die Deutschen bestätigt haben (dazu sind wir doch hier, oder?), ich in meiner professionellen Manier die Power-Point-Präsentation mit lustiger Musik untermalt habe (Nils, Koe, Henning, Peter: ich sage ja nur „Affenparade- Intro“) und wir uns mit unseren Verrenkungen zu „Wenn du fröhlich bist, dann klatsche in die Hand…“ bereitwillig zum Affen gemacht haben, lieben uns die Kids noch mehr als zuvor. ;) Also das war nun ein volle Erfolg.
Heute mal wieder Treffen mit dem Direktor und wir hoffen, seinen Segen für unsere Projektvorschläge zu bekommen. Es wurde aber schon angedeutet, dass das Projekt der Verkehrserziehung wohl vorangestellt werden soll. Wir hatten doch alle mal so eine Fahrradprüfung, nech? Na ja, so ähnlich soll’s aussehen. Wir haben hier ein paar brauchbare Fahrräder und wir wollen einen Parcours mit Ampeln und Schildern etc. aufbauen. Warum wir dazu einen Parcours brauchen? Weil’s die eigentlich so gar nicht gibt. Also in Krioneri gibt’s schon mal überhaupt keine Verkehrszeichen, in ganz Korinth (35.000 Einwohner) gibt es zwei Ampeln, von denen eine manchmal funktioniert und die andere nie. Ich habe mich mittlerweile schon so an den Verkehr hier gewöhnt, dass mir das gar nicht mehr auffällt.
Na ja, jedenfalls werden unsere Kinder bestimmt die ersten in ganz Griechenland sein, die einen Fahrradführerschein erwerben können! Das haben wir uns schon ganz toll ausgedacht und während Philip dann mit den der ersten Gruppe Kinder Fahrrad fahren geht, spiele ich mit den anderen ein Quiz oder so zur Verkehrserziehung. Vorher gibt’s natürlich noch Theorieunterricht, ähmm auf Griechisch, das kann ja heiter werden…
Also, das ist ja jetzt mal ein prima Beispiel, wie meine Arbeit hier aussieht. Neben Bus- und Waldarbeit wollen wir solche Projekte machen. Wenn sie genehmigt werden, geht das dann auch, aber Vorbereitung und Durchführung liegt alleine in unseren Händen. Es ist auch fraglich, ob unser Mentor an dem Tag dann überhaupt da sein wird, vielleicht hat er anderswo zu tun. Finde ich persönlich nicht unbedingt ideal, da wir nun mal keine Experten sind, aber es läuft irgendwie und man gewöhnt sich daran. Wenn ich wiederkomme, werde ich es bestimmt komisch finden, anders zu arbeiten.
Ach, eigentlich wollt ich doch weitererzählen. Also Freitagnachmittag war ich dann so gerädert, weil ich die Tage davor durchschnittlich elf Stunden am Tag gearbeitet hatte, dass ich mich nur noch ins Bett gehauen hab, aufgestanden bin zum Abendbrot essen und Scrubs gucken (Philip hat alle Staffeln auf seiner Festplatte – prima!) und dann wieder ins Bett und 12 Stunden geschlafen. Und so begann dann mein erster Samstag in Krioneri. Es war das erste Wochenende, das ich zu Hause verbracht habe. Ich hatte mich ja schon ein wenig geschämt, dass das so lange gedauert hat, aber vorher wollte ich immer irgendwo hin reisen und hatte auch noch das Geld dafür!
Samstag habe ich einen richtigen Gammel-Tag gemacht. Schlafen, essen, eine Stunde im Wald arbeiten (seit Freitag ist übrigens wieder fantastisches Wetter), Philip hat den Kamin angemacht, essen, lesen, schlafen vorm Kamin und schwupps war Sonntag. Am Sonntag sind wir dann mit Alexis in den footpath gegangen. Welch einen Unterschied macht es doch, ob man den Morgen mit Instantkaffee oder mit Filterkaffee beginnt. Als ich das erste Mal in Alexis Haus war und seine beeindruckende Cappuccino- und Kaffee- Anlage bewundern konnte, habe ich gleich gewusst, dass wir gute Freunde werden würden. Sonntag war also ein Filterkaffeetag. Nach zwei Tassen haben wir dann aber doch angefangen zu arbeiten – und wie. So eine Brücke, wie wir sie gebaut haben, hat man hier noch nicht gesehen! Immerhin haben wir auch zwei Bäume gefällt (für die Naturschützer unter Euch: sie waren tot bzw. krank, wie so ziemlich alle Bäume da unten) und ich habe mir irgendwo nach zehn Minuten mein T-Shirt aufgerissen und noch ein paar ordentliche Schrammen geholt. Es versteht sich doch von selbst, dass wir keine Motorsäge zur Hand hatten, oder? Versucht mal, einen Baum mit einer Axt und einer kleinen Handsäge zu fällen – zugegebenermaßen war meine Aufgabe bei der ganzen Aktion eher, die zwei Hunde und drei Katzen im Auge zu behalten!
Na ja, nach fünf Stunden harter Arbeit und der heiß ersehnten kalten Dusche trafen wir dann wieder bei Alexis zusammen um zu grillen. Da kamen dann auch endlich die Jungs dazu, die tagsüber zu einer Taufe mussten und nicht hatten mitkommen können. Als sie von unserer Baumfäll-Aktion hörten, bekamen sie aber ganz große Augen und nächstes Wochenende sind sie bestimmt dabei! Ich werde also nun öfter die Wochenenden hier verbringen. Dadurch, dass ich Samstags arbeite, kann ich mir freie Tage sammeln und die dann zusammen als Urlaub nehmen. Find ich ganz prima so, vor allem, wenn jeder Sonntag so ausklingt wie der letzte…
Wir sind dann irgendwann nach drinnen umgezogen, die Jungs haben Scrabble gespielt, mein Boss und seine Cousine sind noch aufgetaucht und haben mit uns Cappuccino getrunken und frische Walnüsse gegessen. Als dann die andern gegangen sind, haben Philip, Alexis und ich noch eine DVD (Bandits – toller Soundtrack, cooler Film) reingemacht und uns von dem harten Tag erholt. :) Die Woche fing dann recht gemächlich an, die Lehrer streiken mal wieder, dass heißt bis heute hatten wir nur eingeschränkt Busse. Dann bereiten sich alle auf den „ochi-day“ („Nein-Tag“), den Nationalfeiertag, am Samstag vor. In der Schule gibt’s morgen eine Feier mit Theaterstücken und Lieder etc., das werd’ ich mir nicht entgehen lassen. Und Samstag marschieren dann alle Kinder hier die Straßen entlang und singen irgendwelche Lieder (sie feiern, dass die Griechen die italienischen Truppen 1940 Griechenland nicht haben besetzten lassen => Nein-Tag)
Ansonsten genießen wir das super Wetter und Philip und ich hatten gestern die wahnwitzige Idee, den Garten auf Vordermann zu bringen. Eher gesagt habe ich diese Idee schon seit ich hier bin, denn der Garten gleicht eher einem Urwald. Als ich mal vorsichtig so etwas Marina gegenüber angedeutet habe, hat sie mich entsetzt angeguckt und erzählt, dass sie und Laura (ehemalige Freiwillige) schon mal was im Garten gemacht hätten, dann aber die Bauarbeiter, die hier waren, den ganzen Schutt einfach in den Garten geschmissen hätten und daher sähe sie nicht ein, da noch irgendwas zu tun. Schutt habe ich noch nicht gefunden, aber der Garten ist auch nicht klein und teilweise wachsen da zwei Meter hohe Brennnesseln. Hach, das wird ein Spaß… Jetzt höre ich unseren Zwiebelmann, oh ja, es ist ja auch schon halb zehn. Jeden Morgen fährt der Zwiebelmann mit seinem Auto durchs Dorf und ruft durchs Megaphon: „Zehn Kilo Zwiebeln drei Euro,…“ Anfangs gab es dann auch noch Verkündigungen des Priesters von den Lautsprechern der Kirche und wenn man kein Griechisch kann, kann man auch nicht unterscheiden, ob einem jetzt Zwiebeln oder die heilige Schrift angepriesen werden. Aber den Priester haben sie inzwischen verscheucht, er hatte nämlich die Angewohnheit, jeden Gottesdienst in seiner vollen Länge (das sind hier teilweise einige Stunden) per Lautsprecher zu übertragen. Der Gottesdienst beginnt oft übrigens um sieben Uhr morgens. So fromm sind die Leute hier dann doch nicht, dass sie sich das antun wollten und so wurde der Priester verjagt und jetzt ist nur noch der alte Papous (Opa) da, der mit seinen 92 Jahren aber keine ganzen Gottesdienste mehr machen kann.
Also, das war jetzt mal ein unerhört langer Artikel. Ich hoffe, Ihr genießt den goldenen Herbst während bei mir noch Sommer ist …