You are doing volunteer work in Belgium?-That’s stupid!
Ein Bericht über zwei Gespräche, die, hätten sie gleichzeitig stattgefunden, vermutlich für deutlich mehr Klarheit und Verständnis gesorgt hätten. Haben sie aber leider nicht.
So ehrlich und direkt kommentiert ein holländischer Student meine Aussage, dass ich einen Freiwilligendienst in Belgien mache. Belgien sei doch fast so reich wie Deutschland und überhaupt, wer Freiwilligenarbeit machen wolle, der solle doch nach Afrika oder Asien gehen und nicht nach Brüssel.
„Gehst du oft ins Schwimmbad?“, frage ich ein kleines marokkanisches Mädchen. Die 6-Jährige schaut mich mit ihren großen runden Augen an und erwidert: „Nein, da muss man immer mit dem Bus hin fahren und das ist zu teuer.“ Als ich später mit ihr über das Herbstferienprogramm rede, stellt sie besorgt die Frage: „Kostet das etwas? Wenn es etwas kostet, kann ich nicht hingehen.“
Das zweite Gespräch fand vor dem ersten statt. Dementsprechend ist es vermutlich kaum verwunderlich, dass ich nach der titelgebenden Aussage große Lust gehabt hätte, ebendiesem Studenten eine reinzuhauen. Aber noch viel mehr Lust hätte ich gehabt, ihn mit meinem kleinen Mädchen reden zu lassen. Ob er dann immer noch glaube, dass ein Freiwilligendienst in Belgien „stupid“ sei. Wobei ich bemerken muss, dass er mit der Erläuterung seiner Aussage eher nicht den Freiwilligendienst, sondern generell die soziale Arbeit in einem eher reicheren Land in Frage stellt.
Und er sollte doch nur einmal mit offenen Augen durch Brüssel spazieren, um zu sehen, wie notwendig soziale Arbeit in einem ach so reichem und ach so fortgeschrittenen Land wie Belgien ist. Er sollte einmal auf die Bettlerinnen achten, die mit ihrem Baby auf dem Arm um Geld flehen und welchen man noch nicht einmal Geld geben soll, weil es ihnen sowieso am Ende des Tages von den geldhungrigen und skrupellosen Chefs spezieller Organisationen abgenommen wird. Stattdessen erzählt er mir von seinem wunderschönen Kaschmirmantel, der ihm leider gestohlen wurde.
Auch wenn er an der sozialen Ungerechtigkeit in Belgien vielleicht nichts ändern kann und will, könnte er so zumindest die Notwendigkeit sozialer Arbeit in Wohlstandsländern erkennen. Stattdessen erzählt er von seinen Kochkünsten.
Auch ich kann nichts daran ändern, dass es Organisation gibt, die Obdachlose ausbeuten. Dass Menschen tagein tagaus auf den Straßen knien und sich durch die empörten, entsetzenden, geekelten Blicke der vorbeilaufenden Menschen tagein tagaus entwürdigen lassen müssen.
Ich weiß, ich kann die Welt nicht zu einem Land, in dem Milch und Honig fließ, machen, nur weil ich elf Monate lang einen Freiwilligendienst absolviere.
Aber ich kann dankbar dafür sein, dass die EU es mir ermöglicht, in einem Projekt zu arbeiten, das wirklich sinnvoll ist. Ich bin froh, dass ich dem kleinen Mädchen versichern kann, dass das Herbstferienprogramm entweder umsonst ist oder nur einen Euro kostet und wir uns sehr freuen, wenn sie daran teilnimmt. Ich kann mich wirklich glücklich schätzen, in einem Projekt gelandet zu sein, dass wirklich allen Kindern die Möglichkeit gibt, Spaß miteinander zu haben ohne sich über Geld Gedanken machen zu müssen.
Und weil ich so froh bin, Teil dieses Projekts zu sein, versuche ich es mit all meinen Kräften zu unterstützen.
Denn einem kleinen Mädchen mit traurigen großen Augen ein Lächeln über das ganze Gesicht zu zaubern, weil man ihm versichert, Geld spielt keine Rolle, es könne immer immer immer an den Aktivitäten teilnehmen, wenn es wolle- ist das etwa „stupid“?