Windräder und Schweinefarmen
Kurzer Einblick in das Verhältnis Dänemarks zur Umweltpolitik.
Dänemark und Klima – diese beiden Begriffe sind für die in dem nordischen Land residierenden Internationals oft mit Fluchen und Stöhnen verbunden. In der Tat, bei durchschnittlich 179 Regentagen pro Jahr, kann man mit Verlaub sagen, es regnet hier viel. Wirklich viel. Letzte Woche kam es in meiner Stadt zu Überschwemmungen; der Fluss, der durch das Stadtzentrum fließt, war über die Ufer getreten, sodass die Hauptbrücke geschlossen werden musste. Dazu Temperaturen zwischen 1 und 6°, starker Wind und regelmäßig Stürme, bemerkt man hier nicht besonders viel von der Erderwärmung. Doch wie steht es in Dänemark mit dem Klimaschutz?
Im Kontext des kürzlich in Paris verabschiedeten Klimaabkommens, das vorsieht, die vom Menschen verursachte Erderwärmung auf unter 2° zu begrenzen, lohnt es sich, einen Blick auf die Situation in meinem Gastland zu werfen. Dänemark gilt im Allgemeinen als modern, progressiv und innovativ in sowohl Sozialpolitik als auch Industrie. Tatsächlich verabschiedete Dänemark 1973 als erstes Land der Welt ein Gesetz zum Umweltschutz. Die größten umweltpolitischen Themen hier sind Wasserverschmutzung und Landwirtschaft, da ein Großteil der Landfläche für den Anbau von Getreide und die Fleisch- und Milchproduktion verwendet wird. Diese Tatsache trägt dazu bei, dass Dänemark, mit seinem Status als Exportnation, für seine geringe Größe und Einwohnerzahl überraschend hohe Emissionsraten aufweist. In einer Klimastudie von WWF aus dem Jahr 2014 landete Dänemark auf dem vierten Platz in der Liste der Staaten mit dem größten ökologischen Fußabdruck, übertroffen nur von den Erdölproduzenten Katar, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten aus dem mittleren Osten. Auch der Fleischkonsum ist mit 97.8 Kilogramm pro Person einer der höchsten der Welt.
Das passt nicht so ganz in das fortschrittliche Image, dass auch die meisten Einwohner von ihrem Land haben. Andererseits sind die Dänen aber Pioniere, was erneuerbare Energien angeht, insbesondere Windkraft (besonders viel Sonne bekommen wir hier ja nicht ab, haha) und bezogen schon im Jahr 2012 etwa 30% ihres Stroms aus Windenergie. Auch mit umfassenden Naturkonservierungsinitiativen, um beispielsweise die Gewässer sauber zu halten, kompensiert der Staat für seine mangelhafte Ökobilanz.
Mein persönlicher Eindruck ist gemischt. Einerseits legen viele dänische Familien Wert auf qualitativ hochwertige, ökologisch produzierte Nahrungsmittel, aber sie trennen trotzdem ihren Müll nicht. Recycling wird nicht besonders großgeschrieben, stattdessen wird der meiste Abfall in die Verbrennungsanlagen gesteckt, aber langlebige Produkte und Secondhandwaren sind äußerst beliebt. In den Urlaub nach Bali und co fliegen die Dänen ohne Skrupel, fahren ansonsten aber zuhause lieber Fahrrad als Auto. Übers Fleischessen macht sich hier keiner großartig Gedanken, im Gegenteil, für viele meiner Kollegen macht mich mein Vegetarismus exotischer als meine Nationalität. Insgesamt ergibt sich hier kein einheitliches Bild, doch ehrgeizige energiepolitische Ziele geben Grund zur Annahme, dass sich das Land in die richtige Richtung bewegt. Das ist auch dringend notwendig, denn Dänemark ist aufgrund seiner geografischen Lage eines der am stärksten durch steigende Meeresspiegel bedrohten Länder.
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