Wieso aus #MeToo #ricebunny wurde.
Wie hat #MeToo die chinesische Gesellschaft und den chinesischen Feminismus beeinflusst?
Chinesische Frauen stehen auch heutzutage noch vor vielen Herausforderungen. Begriffe wie „Leftover Woman“ (eine Frau, die über 25 Jahre und unverheiratet ist) verdeutlichen den gesellschaftlichen Druck, der auf den Frauen ruht. An Gleichberechtigung mangelt es in vielen Bereichen. Diskriminierung sowohl im täglichen Verkehr, in der Familie als auch in Bildungsinstitutionen. Doch der Feminismus lebt. Besonders in den Großstädten sammeln sich immer mehr NGO's und feministische Organisationen. Wie beeinflusst #MeToo die chinesischen Social-Media-Kanäle und die Arbeit der Feministinnen?
„Brecht das Schweigen!“
Laut einer Studie der NGO „Guangzhou Gender and Sexualtiy Education Center“ und der „Beijing impact Anwaltskanzlei“, 2017 durchgeführt, haben fast 70% der chinesischen Studenten sexuelle Belästigung erfahren. Wie so häufig, schweigen die meisten Opfer. Sie fürchten mangelnden Rückhalt, nicht ernst genommen oder gar verurteilt zu werden. Schließlich führt die Veröffentlichung eines Vorfalls zur Bloßstellung einer Person und initiiert somit auch die Fehler einer Institution und/oder eines Systems. Eine Studie (2009) der chinesischen Minzu Universität ergab, dass bei 1000 Befragten sich im Falle sexueller Belästigung nur 2,1% bei der Polizei melden würden. Aktuellere Studien (2016) ergeben, dass 4% der Opfer über das Verbrechen sprechen.
Motiviert durch #MeToo trauten sich Studentinnen immer wieder an die Öffentlichkeit. Im Januar reichte eine Studentin der Beihang Universität (Top-Universität Pekings) Beschwerde gegen den Professor Chen Xiaowu ein. Dieser wurde im Zuge dessen suspendiert. Die Universität gab auf Weibo (vergleibar mit Twitter) bekannt, dass die Vorwürfe durch Ermittlungen bestätigt werden konnten. Ein solches Verhalten widerspreche professioneller Ethik und den Schulprinzipien.
Wenige Tage später ging ein weiterer Fall sexueller Belästigung an die Öffentlichkeit. Die Studentin gab an, der Mut ihrer Kommilitonin habe sie ermutigt, ihr Schweigen zu brechen.
Die Blindheit der chinesischen Regierung
Im Oktober 2017 veröffentliche China Daily einen Artikel, „Weinstein case demonstrates cultural differences“ [Weinstein-Fall verdeutlicht kulturelle Unterschiede]. Die Leitfrage ist: „What prevents sexual harassmeent from becoming a common phenomenon in China, as it is in most Western societies? [Wieso taucht sexuelle Belästigung in westlichen Gesellschaften, nicht aber in China, auf?]. Im Folgenden geht der Autor Sava Hassan auf kulturelle Leitmotive Chinas, zum Beispiel Würde und Menschlichkeit [„dignity and humanity“], ein. In einem Teil des Artikels bezieht er sich auf Gespräche mit chinesischen Studenten, die während eines Aufenthalts in China führte. Nach einem Shitstorm der Leser und Leserinnen wurde der Artikel am Tag nach der Veröffentlichung wieder entfernt. China Daily nahm keine Stellung dazu.
Dieser Artikel ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich die chinesische Regierung sich der Vielzahl sexuellen Missbrauchs nicht stellt. Die Polizei konzentriert sich auf andere Verbrechen und erkennt die Dringlichkeit der Konsequenzen nicht.
Welche Reaktionen sind zu verzeichnen?
Als Reaktion auf #MeToo erstellten junge Chinesinnen eine Liste mit Maßnahmen, die in Bildungsinstitutionen umgesetzt werden sollten:
1. Ein Trainingskurs zur sexueller Belästigung für alle Mitarbeiter
2.Ein Trainingskurs zur sexueller Belästigung für alle Studenten
3.Eine Online-Umfrage pro Semester
4.Ein Beschwerdekanal bei Problemen
5.Ein Zusammenkommen spezialisierten Personals im Falle einer Beschwerde
#Write to your Alma Maters: Über 8000 Personen schrieben an 74 Universitäten Briefe, in denen sie ihre Vorschläge für präventive Maßnahmen gegen sexuelle Belästigung äußerten.
Auch an der berühmten Peking Universität wurde eine Petition gestartet, die das Bedürfnis nach Präventionskampagnen ausdrückt. Die Gründerin Gu Huaying der Petition äußerte sich in ihrem Brief folgendermaßen: „A single spark can start a prairie fire. Even as a student, I should try my best to bring light and warmth to my surroundings“ [Ein einziger Funken kann ein Feuer entzünden. Sogar als eine Studentin sollte ich mein Bestes geben, um Licht und Wärme in meine Umgebung zu bringen]. National unterzeichneten tausende Studenten/innen ihre Petition. Leider zensierte die Regierung den Brief und diesbezügliche Posts von allen Social-Media-Kanälen.
#MeToo Zai Zhongguo [#MeToo in China] wurde von der Chinesin Xiao Qiqi erstellt. Am selben Tag wurde er zensiert und gesperrt. Dennoch war er zwei Wochen lang auf der „Hot-Topic-List“ der App Weibo (vergleichbar mit Twitter). Es folgten weitere Hashtags, z.B. #METOO, #ricebunny [„mitu“], um die Zensur zu umgehen.
Zensuren betreffen nicht bloß Hashtags, Posts und Petitionen, sondern ganze Organisationen. So wurde zum Beispiel „Feminist Voices“ für 30 Tage zensiert. Diese ließ sich davon nicht entmutigen, sondern sieht die temporäre Zensur als ein Zeichen dafür, dass auch die Regierung erkennt, dass die Bewegung größer wird. Auch Institutionen wie Beijing Zhongze Women's Legal Consulting Services Center, Beijing Qianqian Anwaltskanzlei, Yuanzhong Gender Development Center, Women's Voice and Women Awakening Network kämpfen gegen den Sexismus. Sie richten sich weniger an die Öffentlichkeit als an konkrete Institutionen. Präventionsprogramme werden sowohl an Universitäten, als auch kooperierenden Unternehmen engagiert.
Und jetzt...?
Es zeigt sich: Die #MeToo-Debatte ist auch in China angekommen. Allerdings schreitet sie nur langsam voran. An der Nordost-Universität in Shenyang konnte ich bisher leider noch kein Gespräch mitverfolgen, das feministischen Ursprungs war. Besonders an international-orientierten Universitäten in Chinas Großstädten haben sich mehr Feministinnen angesiedelt. Gemeinsam erarbeiten sie viele tolle Kampagnen -auch, wenn die Regierung es ihnen in vielen Bereichen nicht leicht macht. Sie kämpfen für mehr Bildung, Respekt und Gleichberechtigung. Die politische Einschränkung ihrer Arbeit macht den Dialog mit der Öffentlichkeit schwierig. Mit Zusammenhalt und Durchhaltevermögen werden sie jedoch ihre Wege finden, ihre Nachrichten an die Öffentlichkeit zu bringen!
Was lehrt uns das über die feministischen Bewegungen in Deutschland? Wir sollten unsere Meinungsfreiheit zu schätzen wissen. Derartige moderne Bewegungen für mehr Toleranz, Respekt und Mitmenschlichkeit können sich in Deutschland einfacher verbreiten. Wir sollten diese Möglichkeit und Freiheit zu schätzen wissen. Außerdem sollten wir nicht nur für die Frauenrechte bis zur deutschen Grenze, sondern international agieren! Schließlich haben nicht alle Frauen die Möglichkeit für ihre Rechte einzustehen. #MeToo ist ein internationales Anliegen.
Quellen:
http://mp.weixin.qq.com/s/e_MxP2sL7Wgb5Pi38bC89g
http://mp.weixin.qq.com/s/Dk1Qb-LU2Dnf50cRJpyrYQ
https://international.thenewslens.com/article/89213
https://www.csmonitor.com/World/Asia-Pacific/2018/0112/Ripple-effect-of-MeToo-in-China-Beijing-professor-dismissed-over-sexual-allegations
https://thediplomat.com/2018/01/metoo-reaches-china-but-the-chinese-authorities-dont-like-it/
http://www.businessinsider.com/rice-bunny-china-metoo-movement-2018-2
https://world.wng.org/2018/01/metoo_in_china
https://www.buzzfeed.com/rachelzarrell/my-vagina-says-project-met-with-misogynist-response-on-chine?utm_term=.rspNr30wd#.cdQ8k76bW
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