Wie Heimat zur Fremde wird
Vom Heimkehren aus der Fremde, die zur Heimat wurde, in die Heimat, die nun zur Fremde geworden ist.
Überall fremd und überall zu Hause. Das Schicksal der Menschen, die sich in die große weite Welt wagen, um mehr zu sehen, mehr zu (er)leben!!
"Fremdsein" hat viele Gesichter:
Fremd in einer fremden Umgebung, einer neuen "Familie", an einem anderen Ort, in einem fremden Land mit einer anderen Sprache und Kultur, unter unbekannten Menschen, und so weiter...
Mit all diesen Arten von Fremdsein, vermutlich sogar mit mehr, wurde ich während meinem europäischen Freiwilligendienst in Finnland konfrontiert. Manches hat mich mehr, manches weniger stark betroffen, doch überall bin ich auf Fremdes, beziehungsweise Neues, gestoßen.
Trotz dieser kleinen "Hindernisse" habe ich mich aber nie richtig fremd oder unwohl gefühlt. Jeder war von Anfang an super hilfsbereit und offen, so dass ich mich schnell zu Hause gefühlt habe.
Nach Ende meines Freiwilligendienstes würde ich Finnland sogar als meine zweite Heimat bezeichnen.
Selbst jetzt, nachdem ich schon wieder drei Monate daheim bin, ist mir mein Leben in Finnland immer noch so vertraut:
Meine Gastfamilie, meine Arbeit im Kindergarten, die Umgebung, mein Alltag in Finnland,...
Ich gehe heute noch oft in Gedanken den Weg von meinem finnischen Zuhause durch die ruhigen Parkanlagen, an den wunderschönen Seen entlang, bis hin zur Bushaltestelle. An dieser winke ich, völlig selbstverständlich, nach meinem Bus, damit dieser anhält und mich zu meiner Arbeit bringt. Dort werde ich freudig von den Kinder begrüßt und wir gehen gemeinsam in den Wald zum Spielen!
Es kommt mir fast realer vor, als das hier und jetzt in Deutschland.
Die Art von "Fremdsein", mit der ich am wenigsten umgehen kann, da ich nie mit ihr gerechnet habe!
Dass ich "fremd in Finnland" sein werde, war mir bewusst, denn ich spreche eine andere Sprache, habe eigene, andere Traditionen und wusste vorher kaum etwas vom Leben in Finnland.
Doch mit Neugier und der Begierde Neues zu entdecken, stürzte ich mich mit Freude in das "Fremde" und "Ungewisse".
Endlich auf eigenen Füßen stehen, neue Erfahrungen fürs Leben machen, Neues erleben, Freiheiten ausnutzen, selbst entscheiden und gleichzeitig an Stärke und Reife gewinnen!
Das war mein Plan, meine Vorstellung und mein Traum von dem europäischen Freiwilligendienst und dieser hat sich verwirklicht!
Natürlich lief nicht immer alles ganz glatt und reibungslos, doch das habe ich gar nicht erwartet!
Meine Gedanken waren damals also mehr oder weniger vorbereitet auf dieses "Fremde", als es endlich losging!
Ganz anders war es dann, als es wieder zurück nach Deutschland ging.
Selbstverständlich war ich mir im Klaren darüber, dass sich auch daheim innerhalb der zehn Monate die ein oder anderen Dinge geändert haben würden.
Dennoch ging es für mich ja nicht mehr in eine fremde Welt, sondern zurück in eine Altbekannte.
Zurück in mein kleines Dorf, in dem ich jeden Winkel kenne, zu meiner Familie, meinen Freunden und in ein Land, in dem es (für gewöhnlich) selten zu Sprachbarrieren kommt.
Trotzdem war ich einfach "überfordert", als ich plötzlich wieder in der Heimat war. Alles ist so vertraut, aber doch irgendwie anders.
Als ich zum ersten Mal wieder in meinem Bett aufwache, frage ich mich, wo mein Zimmer in Finnland hin ist.
Wir haben neue Nachbarn und Baby-Nachwuchs in der Nachbarschaft bekommen.
Selbst kleinste Dinge, die bei uns im Haus geändert wurden, fallen mir auf und lassen mich "fremd fühlen".
Die Lieder im Radio, bei denen meine Schwester laut mitsingt, kenne ich nicht.
Meine Freunde, von denen ich gewohnt bin, sie immer um mich zu haben, sind nicht da. Sie sind in der ganzen Welt verteilt, als Au-pair, im Studium oder im EFD.
Dafür kann ich von den Kindern im Kindergarten in Finnland berichten, von finnischen Songs, die dort in der Disco rauf und runter gespielt wurden, kenne finnische Gerichte, die ich daheim gleich ausprobiere,...
Alle sind im Deutschland-Fieber wegen der Fußball-WM in Brasilien, nur ich bin im "Finnland-Wahn"!
Ständig höre ich mich sagen: "In Finnland war das so und so...!"
Aber keiner kann mitreden! Und ich werde immer leiser...
Fremd in der Heimat. Fremd in meiner Familie. Fremd im eigenen Bett. Fremd in Deutschland!
Warum reden die Menschen hier so viel?! In Finnland haben doch wenige Worte genügt und trotzdem waren alle glücklich und zufrieden.
Keine Mittwochs- und Samstagssauna mehr, keine Seen, in die man anschließend springen kann, um sich abzukühlen und vor allem höre ich kein Finnisch mehr!
Selbst beim Gebrauch der deutschen Sprache, meiner Muttersprache, fühle ich mich "fremd". Mir passiert es immer noch, dass ich mich auf Finnisch bedanke, oder dass ein "ei se haittaa" (Macht nichts!) wie selbstverständlich über meine Lippen rutscht. Manchmal meine ich sogar Finnisch zu "hören", wenn sich Leute unterhalten, was natürlich einfach nur unsinnig ist!
−Stimmen in meinem Kopf, bin ich kurz davor verrückt zu werden?!−
...und ständig stoße ich auf Finnland! Beim Lesen, Hören,... ja sogar das Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse ist, wer hätte es gedacht, Finnland!
Komme ich jemals wieder von Finnland los?
Kann man so weit gehen und sagen, dass ich zu viel in der Vergangenheit lebe und mich zu wenig auf die Gegenwart und meine Zukunft konzentriere?
Mit diesem "Fremdsein in der Heimat" werde ich mich wohl noch länger beschäftigen müssen.
Doch langsam beginne ich mich Schritt für Schritt wieder an mein Leben in Deutschland zu gewöhnen und einen Alltagsrhythmus zu finden.
Irgendwann wird alles von selbst zusammenpassen, meine Zeit in Finnland, mein Leben in Deutschland und meine Zukunft, von der ich noch nicht weiß, was sie für mich bereithalten wird!
Erinnerungen bleiben und die Erfahrungen, die ich gemacht habe, kann mir keiner nehmen! Dafür nehme ich das "Fremdsein" gerne in Kauf!
Ja, ich habe mich verändert, und ja, ich bin ein anderer Mensch als vorher, aber ich bin immer noch ich!
Ob in Finnland, in Deutschland oder in einem anderen Teil der Welt!
Überall fremd und überall zu Hause. Das Schicksal der Menschen, die sich in die große weite Welt wagen, um mehr zu sehen, mehr zu (er)leben!!
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