Wie die alten Goralen: Zakopane
Ein von Schnee bedeckter Beitrag: Johannson besucht Polens bekanntesten Wintersportort und erlebt dort neben traditionellem Leben und Touristen auch jede Menge Zeit im kalten Weiß.
Wie angekündigt habe ich tatsächlich endlich Polens bekanntesten Wintersportort kennen gelernt. Das Wetter war entsprechend: über diesem Eintrag liegt eine dicke Schicht Schnee.
Krakau
Aus Torun fuhr am Mittwoch ein Mitarbeiter von Ewa mit dem Auto zum Skifahren nach Zakopane. Sie ließ sich da gleich mitnehmen und wo sie durch Lodz kamen bin ich auch mit aufgesprungen. Während unser Fahrer gleich bis Zakopane durchfuhr, blieben wir die erste Nacht jedoch in Krakau. Ewa erledigte wie nicht anders zu erwarten etwas Arbeit während ich merkte, dass ich gute drei Jahre nicht mehr in Krakau gewesen war. Darum ein allgemeiner Erinnerungsspaziergang, eine Führung durch das Collegium Maius, Besuch in der Marienkirche, den Tuchhallen, kurzer Besuch auf der Wawelburg. In den ersten Tagen mussten Ewa und ich erst wieder grundlegende Regeln eines friedlichen Zusammenlebens aushandeln. Aber wie immer ging es mit jedem Tag besser.
Zakopane
Donnerstag ging es mit dem Bus nach Zakopane. Ewa machte, was ich nie tun würde, am Bahnhof mit jemandem mitgehen, der ein Zimmer Frei Schild in der Hand hält. War aber super, ruhig, billig.
Soviel hört man von Zakopane, da war ich leicht schockiert ein Bergörtchen von 30.000 Menschen vorzufinden. Erst im späten 19. Jh. wurde das Dorf als Ort für die Kur von Gesundheit und nationaler Selbstständigkeit entdeckt und zum Markensymbol. Die Bewohner der Tatra, genannt Goralen, wurde dann zum Symbol des erdverbundenen, widerstandsfähigen, kulturell souveränen, nie besiegten, nie assimilierten Polen. Schließlich war ja auch der Papst nicht nur Pole, nein, auch Gorale. Umso interessanter, dass der Ort heute zu 90% aus russischen Touristen zu bestehen scheint.
Freitag
Da weder Ewa noch ich Ski fahren können, stapften wir Freitag erst die konventionellen Attraktionen ab. Das Museum des sog. Zakopane Stils in entsprechender Schnitzholzvilla. Schnitzholzkirche und Alter Friedhof daneben, einer der drei Nationalfriedhöfe, wenn auch ein Zwerg neben den Warschauer und Krakauer Gegenstücken. Imbiss im Holzrestaurant mit Goralenmusik. Eine Riesengruppe Prolltouristen fällt über Kellnerin und Musiker her, die schlechteste Stimme singt immer am lautesten.
Hauptsächlich ging es an diesem Tag mit der Bergbahn schon hoch auf den nächstgelegenen Gipfel. Oben ist entlang der Johannes-Paul-II-Trasse Rummel, Fressbuden und Souvenirstände. Auch wir setzten uns in eine Goralenschlittenkutsche. Was mich überraschte, unser Kutscher schien Kostüme und Dialekt nicht nur zur Schau zu tragen, das ist alles wirklich noch lebendig. Zurück ins Tal ging es zu Fuß. Der Weg ist dabei ein von Touristen spontan ausgetretener Pfad von zu Eis komprimiertem Schnee.
Abends gingen wir ins Kabarett im örtlichen Theater, wovon ich nicht viel verstand. Aber wie egal war einem alles, solange man abends nur ins Bett konnte.
Samstag
Samstag besuchten wir morgens gleich zwei Messen, u.a. in der kleinen Holzkirche am Promifriedhof. Hier gibt es weder Gesangsbücher noch Projektoren, nein, die klassische Alte Frau in der Ersten Reihe stimmt an und alle singen aus dem Kopf mit. Danach ging es zur Wladyslaw Hasior Galerie in seinem alten Haus. Ein mir bis dahin unbekannter Künstler mit sehr komischen Werken, die aber alle ihren Sinn zu haben scheinen.
Mittags aber ging der echte Bergurlaub los. Wir fuhren spontan zum Aufgang des Bergsees "Meeresauge", einer der beliebtesten Wanderstrecken der polnischen Tatra. Ursprünglich nur als kurzer Spaziergang geplant, ohne Proviant, ohne Winterschuhe, quälten wir uns am Ende natürlich doch die gesamte Strecke hinauf. Mit Hunger, aufgebenden Lungen, klatschnassen Schuhe, deren Sole im Schnee kaum Halt bot. Aber Ewa wird schließlich immer meine Chefin bleiben, wenn sie vorgeht, laufe ich hinterher. Doch wie schön waren die gefrorenen Wasserfälle, mitten im Fluss angehalten. Auf glatten Sommersohlen wieder runter im Sauseschritt, fertig wie nichts, aber doch glücklich das gemacht zu haben und mit der Halluzination eines großen Lastwagens voll Schokolade.
Stattdessen erfuhren wir, dass unser Fahrer wegen Wetterwarnungen bereits nach Hause gefahren war. Wir taten es ihm gleich, packten in Zakopane ganz schnell unsere Sachen und stiegen in einen gerade günstig abfahrenden Bus Richtung Norden. In der Tat war ausgerechnet der Wintersportort am wenigsten vom Schneechaos betroffen. Ich kam halb drei morgens im verschneiten Lodz an. Zum Glück stieg der halbe Bus dort aus und jemand hat mich nach Hause gefahren.
Wenn das Geld im Kasten klingt
Einen Tag früher zurück als gedacht konnte ich noch das alljährliche Große Hilfsorchester erleben, die jedes Jahr Benefizkonzerte im ganzen Land spielen. In Lodz fand das natürlich in der Manufaktura statt, wohin ich mein Tandem, Kasia und noch einen neuen Deutschen mitnahm. An diesem Tag wird in ganz Polen an allen Ecken, in Straßenbahnen und Kneipen von Freiwilligen Geld gesammelt, wofür man dann rote Aufklebeherzen bekommt. Die nächsten drei Monate laufen Leute dann damit auf sämtlichen Textilien beklebt herum.