Wenn unsterblich auf zerbrechlich trifft
Die Ambrotypie, auch Kollodiumfotografie genannt, wurde bereits um ca. 1852 entwickelt und stellt einen wichtigen Meilenstein in der Geschichte der Fotografie dar. Sie steckt voller Widersprüche. Wieso setzen Fotografen ihr Leben heute noch aufs Spiel, um Glasplattenbilder herzustellen?
Die Nassplattenfotografie braucht eine ganze Menge Vorbereitung, kann Gesundheitsschäden verursachen und ist kostspielig. Doch die Ergebnisse lassen sich sehen und von keiner digitalen Technik nachmachen! Die Glasplattenbilder begeistern heute genauso wie vor hundertfünfzig Jahren und das trotz (oder gerade wegen?) der allgegenwärtigen digitalen Bilderflut.
Jedes Bild ein Unikat
Das Verfahren der Ambrotypie ist eine der ersten Formen der Fotografie, bei der auf einer beschichteten Glasplatte ein Foto entsteht. Kein Photoshop, keine Nachbearbeitung, die Resultate unvorhersehbar. Dafür 100% Magie!
Der Name Ambrotypie kommt von dem griechischen Wort „ambrotos“ und bedeutet „unsterblich“. Kein anderes Wort könnte diese aufwändige Technik besser beschreiben. Ambrotypie hat schließlich bis in die heutigen Zeiten überlebt und das, obwohl sie so fragile und individuelle Bilder hergibt. Hier ist jedes Bild ein Unikat. Allein der Gedanke daran ist eigentlich schon toll. Vor allem, weil im kompletten Herstellungsprozess jede Menge schiefgehen kann.
Vorsicht! Lebensgefahr!
Inzwischen gibt es europaweit eine Handvoll Fotografen, die Ambrotypie Workshops anbieten. Dabei wird Wert auf Sicherheitsmaßnahmen und Schutz wie Handschuhe und Augenschutz gelegt, da das Verfahren der Nassplattenfotografie sehr gesundheitsschädlich sein sein kann. Deshalb sollte man beim ersten Mal auch auf keinen erfahrenen Ambrotypisten als Kursleiter verzichten wollten. Bei den ersten Versuchen kann es schon mal vorkommen, dass der Arbeitstisch in Flammen steht, die höchst giftigen Chemikalien unabsichtlich in den falschen Eimer geraten oder die Glasscheibe auf den Boden landet und in Tausend Stücke zerfällt.
Langzeitbelichtung – die Magie des verlängerten Augenblicks
Aufgenommen werden die Bilder von einer Balgenkamera, die weder über einen Auslöser noch über Film verfügt, dafür aber Platz für eine Kassette mit lichtempfindlicher (zuvor mit Kollodium beschichteten) Glasplatte hat. Für die eigentliche Aufnahme muss das Motiv ausgeleuchtet werden. In dieser Zeit (in der Regel zwischen 7 und 20 Sekunden lang) darf sich das Model im Idealfall kein bisschen bewegen, da die Aufnahme sonst unscharf wird. Gar nicht so einfach!
Im Prinzip kann man so ziemlich jedes Stück Glas zu einer Ambrotypie verarbeiten, wichtig ist lediglich, dass die Oberfläche sauber ist, damit das Kollodium später auf der Platte haftet und das mühsam erarbeitete Bild sich nicht einfach wieder ablöst.
Eine Kollodium Fotografie entsteht
Kollodium ist eine sirupartige, gelb-orange Flüssigkeit, die aus Ether und Alkohol besteht. Sie ist so ziemlich das Wichtigste an einer Ambrotypie, denn das Kollodium ist der Teil, auf dem später das Bild sichtbar wird. Die mit Kollodium bedeckte und anschließend belichtete Glasplatte muss noch entwickelt werden. Sie wird in der verschlossenen Kassette in die Dunkelkammer gebracht und dort mit Entwickler-Flüssigkeit übergossen. Nach ein paar Sekunden wird der Entwickler mit Wasser abgespült und das Entwickeln somit unterbrochen.
Das langsame Portrait, das schnell sichtbar wird
Die Ambrotypie ist nun fast fertig. Ab jetzt ist die beschichtete Glasplatte auch nicht mehr lichtempfindlich und kann bei eingeschalteter Beleuchtung fixiert werden. Hier wird überflüssiges Trägermaterial herausgewaschen. Dieser Schritt ist der schönste am ganzen Ambrotypie-Prozess, denn man kann miterleben, wie das Bild innerhalb von Sekunden sichtbar wird, wie ein Polaroid! Das ist ein wahrlich magischer Augenblick!
Sobald auch der Fixierer ausgewaschen wurde, bleibt ein schwaches Negativ übrig. Man spricht dabei von einem Direkt-Positiv-Prozess. Das negative Bild wird auch als „Schein-Positiv“ bezeichnet, da es erst vor schwarzem Hintergrund sichtbar wird.