Was interessiert den Playboy am polnischen Wahlkampf?
Dieses Jahr wählt Polen einen neuen Präsidenten. Der Amtsinhaber Bronisław Komorowski führt die Beliebtheitsskala an, aber die linke SLD hat mit ihrer Kandidatin die Debatte aufgemischt. Und schon diskutieren Feministinnen und Schuljungs über Politik.
Dr. Magdalena Ogórek hat in Geschichte promoviert und für die polnische Nationalbank gearbeitet. Aber sie ist auch jung, hübsch und blond. Und wirbelte mit ihrem Erscheinen auf der politischen Bühne den langsam anlaufenden Präsidentenwahlkampf ordentlich auf.
Anfang des Jahres präsentierte Leszek Miller die Kandidatin seiner sozialistischen SLD, die man ganz wertfrei als politischen Neuling bezeichnen kann. Sonst hat so ziemlich jede Seite ein schnelles Urteil gebildet: als „bemaltes Püppchen“ bezeichnen manche Feministinnen sie, andere Kandidaten aus dem linken Spektrum werden nervös und die großen Parteien sind verständnislos angesichts der vermutlich aussichtslosen Kandidatur.
Man kann Polen nicht vorwerfen, dass Frauen in der Politik derlei wenig gefördert werden, dass es Dr. Ogóreks Weiblichkeit ist, die überrascht. Tatsächlich liegen momentan die täglichen Staatsgeschäfte in den Händen einer Frau. Ewa Kopacz war Gesundheitsministerin in der liberalkonservativen Regierung bis Premier Tusk nach Brüssel gerufen wurde und sie Pani Premier wurde. Nach dem Medizinstudium arbeitete sie sich den klassischen Weg über die lokale Ebene bis in die Spitze. Sie ist einerseits als fähige Verhandlerin als Präsidentin des Seijm bekannt, aber auch nicht zimperlich. Nach dem tragischen Flugzeugabsturz in Smolensk beteiligte sie sich persönlich an der Identifizierung der Leichen. Wenige Frauen haben solche eine Karriere in der polnischen Politik erreicht, aber Ewa Kopacz‘ Aussehen war dabei nie das Hauptthema.
Die Unterstützung der hübschen Blondine mit Doktortitel für die nicht überragend beliebte Linke hat sogar die Aufmerksamkeit einer bisher politisch unauffälligen Zeitung erregt – der englischsprachige Playboy berichtet. Auch wenn die Aussichten der Kandidatin eher schwach sind, findet Autor Joseph Misulonas: „Ist Demokratie nicht großartig?“. Parteivorsitzender Miller hat wahrscheinlich gar nicht so Unrecht, wenn er mit Magdalena Ogórek, die junge Generation Europa ansprechen will – inwieweit sie das Parteiprogramm lesen ist dann trotzdem fraglich. Das Land der einstmals stolzen Solidarność ist nicht mehr für hohe Wahlbeteiligung beteiligt. Daran viel ändern konnte auch nicht Janusz Palikot, dessen Aufreger-Partei Twój Ruch wieder in Bedeutungslosigkeit versinkt. Umso heftiger attackiert er Konkurrenz im linken Lager.
Unterstützung gibt es von Geschlechtsgenossinnen auch nicht wie man es sonst von Feministinnen gewohnt sein könnte. Sie befürchten, dass politische Inhalte verloren gehen, wenn über das Äußere statt über innere Haltung diskutiert wird. Und sorgen doch selbst dafür, wenn sie Ogórek für ihr betont weibliches Auftreten statt für ihre Wirtschaftspolitik kritisieren. Die promovierte Historikerin ist sehr mit Kirchengeschichte vertraut und vertritt die für Polen recht radikale Position, dass Glauben die Privatsache eines jeden Bürgers (und Bürgerin natürlich ;-)) ist. Die katholische Kirche, nicht grade ein Karrieresprungbrett für Frauen, ist tief in der polnischen Gesellschaft und Politik verwurzelt.
Die Bischöfe stehen eher der konservativen PiS nahe, deren Kandidat Andrzej Duda in Umfragen den zweiten Platz nach dem rechts-liberalen Amtsinhaber belegt. Wir werden sehen, ob die Drittplatzierte Ogórek den Abstand in den verbleibenden Monaten bis zur Wahl verringern kann.
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