Wake up.
Eine kleine Momentaufnahme aus Athen.
Studienreise April 2016 in ein Land, das 2010 offiziell durch den damaligen Premierminister Georgos Papandreou die Zahlungsunfähigkeit bekannt gab1. In ein Land das täglich 4000 Flüchtlinge ankommen sieht2. In ein Land, das einst das Urlaubsziel Nummer eins war, mit dem türkisblauen Wasser und den abgelegenen Küsten.
Athen. Überraschende und berührende Tage.
Das Leben scheint dort weiter zu gehen, auch wenn viele kämpfen müssen, ob sie es wollen oder nicht. „Wenn du früher durch die Straßen gegangen bist, da haben die Leute gelächelt und sie waren fröhlich. Heute ist das anders“, meint eine Griechin. Ich sehe trotzdem fröhliche Menschen auf der Straße. Abends trinken sie roten Wein in einer der urigen Tavernen, tratschen, quatschen. Manche lachen, manche nicht. Ob sie Hoffnung haben oder nicht, ob sie verzweifeln oder die Dinge so hinnehmen wie sie sind, das weiß ich nicht. Ein kurzer Ausschnitt, der nicht das ganze Bild zeigt. In Exarchia, einem alternativen Szeneviertel in Athens Stadtkern sind die Wände bunt bemalt und ein nettes Cafè reiht sich an das nächste. Eine aufbegehrende Stimmung. Aber woher soll auch der Widerstand kommen, wenn nicht von unten. Ich sitze in einem dieser kleinen Kaffeehäuser und beobachte die Menschen um mich herum, wohin sie gehen, wie sie gehen und überhaupt. Jeder ist so wie er ist. Die handelnden Menschen an der Straßenecke neben den StudentInnen auf der Treppe. Ich fühle mich hier wohl. Dann war ich in einer Gegend, ich weiß gar nicht wo das genau war, die war wild. Irgendwie verlassen und extrem schmutzig. Eine eigenartige Stimmung. Eher dem Untergang geweiht als sonst was. Jemand meinte, „hier sieht es schlimmer aus als in Kinshasa“. Das weiß ich nicht, ich war ja immerhin noch nie in Kinshasa. Wir laufen an einem jungen Mann auf einer Parkbank vorbei. Sein Kopf hängt herunter und ich sehe nur diese tiefe Einkerbung auf seiner Nase. „Sisa- der is total weg.“ Ja, die Drogen der Armen. Ein beschissenes Gemisch mit Batteriesäure hegestellt- so sagt man. Der Mann erinnert mich an einen Jungen aus Sofia. Als ich ihn zum ersten Mal sah, saß er auch mit herunterhängenden Kopf auf der Straße. „Irgendein billiges synthetisches Gemisch- der war total weg.“ Ja, die Drogen der Armen gibt es auch dort. Irgendwann haben wir in Athen ein psychiatrisches Gefängnis besucht. Der Garten- ein Vorzeigeobjekt, aber leider für die Insassen nicht zugänglich. Die Männer haben uns dabei beobachtet wie wir den Duft der Blumen gerochen und das Grün des Grases gesehen haben. Mit den Händen durch die Gitterstäbe haben sie uns zu gewunken und nach den verwehrten Blumen geschnappt. Ja, Menschen mit gebundenen Händen gibt es auch in Österreich.
Athen. Eine schöne Stadt, die gebeutelt ist. Aber „Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung“, sagte einst Voltaire. Und das behalte ich mir. Für Griechenland, für Kinshasa, für Bulgarien, für Österreich- für die ganze Welt.
Und für alle Menschen.
1http://www.spiegel.de/politik/ausland/griechenland-krise-alle-antworten-zur-krise-und-den-euro-folgen-a-1042694.html [23.04.2016].
2http://www.handelsblatt.com/politik/international/fluechtlinge-in-griechenland-wenn-nur-3000-am-tag-kommen-sind-wir-froh/12812828.html [23.04.2016]