Über Begegnungen, Kulturen, die aufeinandertreffen und ungarische Züge
Fremde Länder bereisen, ihre Landschaften bestaunen, sich von bunten Kulturen mitreißen lassen und eine Menge Orte abklappern, die von Reiseführern als „Must See‘s“ gepriesen werden. Durch Hauptstädte bummeln, so viele Sehenswürdigkeiten fotografieren, bis schließlich der Akku der Kamera schlappmacht und sich durch die Vielfalt der kulinarischen Köstlichkeiten probieren, die ein Land zu bieten hat. All das macht die eine Seite des „Welterkundens“ aus. Auf der anderen Seite stehen die Begegnungen! Die Menschen eines Landes verkörpern dieses und zeichnen es aus. Durch sie wird es lebendig. Und um diese zu treffen, muss man nicht einmal zwingend an einen fernen Ort reisen. Oft findet man einen aufregenden Kulturmix völlig unerwartet dort, wo man gerade ist.
Mit dem Reisen in ungarischen Zügen ist das so eine Sache. Ab und zu sind sie ganz zuverlässig, meistens sind sie es aber nicht! Als wir am Sonntag, den 23. September versuchten vom Balaton zurück nach Debrecen zu gelangen, wurde unsere Reise kurz hinter Budapest jäh unterbrochen. Wegen technischer Schwierigkeiten hieß es dann erst einmal: Stillstehen. Seeeehr lange stillstehen. Hinter mir lag eine Woche, in der ich tagtäglich mit neuen Eindrücken bombardiert worden bin und vor mir lagen lange Arbeitstage. Deshalb brachte mich dies ziemlich aus der Ruhe. Besonders, da ich nicht verstehen konnte, was los war, als ein aufgeregter Schaffner wieder und wieder hektisch rufend durch den Zug rannte, ein paar Leute diesen verließen und alles von einem bedeutenden Raunen begleitet war. Ich konnte nur sitzenbleiben und hoffen, dass ich nicht bis ans Ende meiner Tage in diesem Zug bleiben muss:D. Die Stunden verstrichen und schließlich auch unsere geplante Ankunftszeit und wir hatten uns noch immer kein Stück bewegt.
Als wir um 4 Uhr morgens aus dem Zug fielen und auch noch von einem heftigen Regenschauer erwischt wurden, schien unser Glück vollendet. Wie lange dieser Tag jedoch für mich noch werden würde, konnte ich da noch gar nicht ahnen. Ein Seminar steht an, das wusste ich. Nicht aber, dass dies eine solche Menge an neuen Erfahrungen bedeutete. Führungskräfte und Mitarbeiter von Organisationen aus zahlreichen Ländern, welche Projekte mit Freiwilligen realisieren, trafen sich in einem Hotel im Zentrum Debrecens, um sich bei einem Media Seminar fortzubilden. Unsere Aufgabe sollte es sein, die Veranstaltung mit der Kamera zu begleiten und für Kaffee und Snacks zu sorgen. Besonders spannend klang dies nicht und nach meinem nächtlichen Zug-Abenteuer erwartete ich einen sehr ermüdenden Tag. Dieser sollte allerdings nie kommen.
Als ich den Seminarraum am Montag betrat, hatten sich dort schon Rumänen, Mazedonier, Tunesier, Ägypter, Armenier, Ukrainer, Estländer, Finnen und natürlich auch Ungarn versammelt. Die Luft war erfüllt von fröhlichem, morgendlichem Stimmengewirr und Kaffeeduft, gespannte Neugier und Wissensdurst. Fragen schwirrten durch den Raum und erste Antworten wurden gefunden. Viele Teilnehmer hatten sich bei Nüssen und Weintrauben zum Tee trinken versammelt und ich fühlte mich sofort willkommen.
Wenn so viele verschiedene Menschen aus verschiedenen Ländern aufeinandertreffen, dann wird es ziemlich aufregend. Welten prallen zusammen, Stereotypen werden widerlegt oder ab und zu auch einmal bestätigt:D. Gespräche werden von neuen aufregenden Informationen dominiert. Ich wusste schon bald kaum mehr, wo ich zuerst hinhören sollte! Sollte ich dem gesprächigen, kontaktsuchenden Mohammet aus Ägypten lauschen, oder der quirligen kleinen Rumänin? Sollte ich ein paar Worte mit dem jungen Mazedonier wechseln, welcher sich mutig im Deutsch versuchte? Oder sollte ich mich auf die Rede der strengen, aufrechten Ukrainerin konzentrieren?
Ich wollte am liebsten alles gleichzeitig! Als mir meine Chefin also mitteilte, dass der Tag mit einem kulturellen Abend abgeschlossen werden soll, war ich sofort Feuer und Flamme! Auch wenn dies einen 14-stündigen Arbeitstag bedeutete, die Erfahrungen, die ich sammeln durfte, waren das wert! Schokolade aus Estland ist ein Traum. Besonders zusammen mit ein paar armenischen Trockenfrüchten. Der Käse von dort ist für meinen Geschmack allerdings viel zu salzig. Romanische Schokolade begeistert mich zwar kaum, dafür aber die würzige Salami von dort. In Mazedonien werden Gäste gerne mit Brot, auf dem ein wenig Salz gestreut wird, begrüßt. Und beim Ukrainische-Wörter-Erraten, hat man als Deutsche kaum eine Chance. Nicht nur die Sprache, sondern das gesamte Alphabet scheint verdreht zu sein. (Warum sieht ein P aus wie ein N und ein N wie ein H?). Die Mazedonier sind, was das angeht, kaum besser, aber sie können feiern wie kaum ein anderer:D. Bis lange nach 2 Uhr am nächsten Morgen erfüllte fröhliche Musik in jeglichen Sprachen den Seminarraum und wir tanzten, mal traditionell, mal einfach nur wild umher.
Merkwürdiges Essen, traditionelle Lieder und spannende Unterhaltungen. Dieses Seminar war nicht nur an diesem Abend ein genialer Platz für wissensbegierige Reiselustige. Auch die nächsten Tage bot es eine Menge Platz zum Lernen. Und wo lässt sich Smalltalk besser üben als in einer Gruppe von Menschen, die alle etwas zu erzählen haben und dies unbedingt weitergeben wollen?!
Bereits am Freitag, nachdem die letzten Teilnehmer abgereist waren, vermisste ich den informativen Trubel des Seminars und trotz der vielen Eindrücke ist meine Lust auf mehr noch lange nicht gestillt. Die Personen eines Landes zu treffen, mit ihnen ein paar spannende Worte zu wechseln und der traditionellen Lebensweise etwas näher zu kommen ist die eine Seite des „Weltentdeckens“, aber eben nur die eine. Auf der anderen steht immer noch, fremde Länder zu bereisen, ihre Landschaften zu bestaunen, sich von bunten Kulturen mitreißen zu lassen und eine Menge Orte zu besuchen.
Und deswegen werde ich genau damit nun weiter machen, denn beide Seiten zählen!:)