Tag 256
Tag 256 auf Zypern. Was gibt es Neues?
Tag 256 auf Zypern. Was gibt es Neues?
Es gibt zum Beispiel neue Freiwillige! Zu unserer beschaulichen 10er Gruppe sind seit März fünf neue Freiwillige dazu gestoßen. Jetzt Anfang Mai haben wir es geschafft fast alle zusammen zu kommen zu einem internationalen Dinner. Die Neulinge hatten trotz ihres kurzen Aufenthalts von teilweise nur wenigen Wochen schon eine Menge Dinge, die sie unbedingt loswerden mussten: Entsetzen über ihren Wohnort, Probleme mit dem Chef, Langeweile am Arbeitsplatz, unerfüllte Erwartungen an den Mentor,.... Und auch viele Dinge, die ihnen an der Lebensweise hier auf Zypern aufgefallen sind, die mich an meine ersten Eindrücke erinnern. Schon irgendwie merkwürdig jetzt zu den Alteingesessenen zu gehören, als welcher man ihnen grinsend zuhört den aufgeregten Berichten über Zyprioten, die angesichts weiblicher Fußgänger wild hupen, generell unmögliche Busplänen, die von verschiedensten Faktoren gerne auch mal über den Haufen geworfen werden, und der unbekannten zypriotischen Mentalität inklusive provozierendem Fahrstil.
Kontakt mit meiner potentiellen Nachfolgerin für den Posten der deutschen Freiwilligen in meiner Organisation hatte ich auch schon. Das macht dann noch einmal richtig bewusst, dass es auf das Ende zugeht.
Der Tag des Treffens mit den anderen Freiwilligen war übrigens auch der Tag, an dem zwei unserer Fahrräder gestohlen wurden. Ja, richtig, unsere Fahrräder wurden gestohlen. An dem Morgen des 4. Mai fanden wir die Ketten, die mit Schlössern versehen unsere Fahrräder in der offenen Tiefgarage vermeintlich gesichert haben, durchtrennt und von den beiden Fahrrädern, die in der Nacht dort angekettet waren, fehlte jede Spur. Das dritte und unbeliebte Fahrrad hatte die Nacht glücklicherweise im Innenhof des Zentrums verbracht und ist uns so erst einmal erhalten geblieben. Trotzdem haben wir jetzt ein ganzes Stück unserer Bewegungsfreiheit verloren. Das war das erste Zeichen irgendeiner Form von Kriminalität, dem ich hier in Nikosia bisher begegnet bin. Ohne fremdenfeindlich sein zu wollen, der Dieb ist wahrscheinlich auch kein Zypriote gewesen, denn die fahren ja bekanntlich kein Fahrrad.
Und noch ein drittes Ereignis geschah an jenem Tag. Ich habe mein Handy vorübergehend verloren, also eigentlich nicht verloren, weil ich dachte zu wissen, wo es ist, aber da sich dieses Wissen nach einem Hin und Her erst fast eine Woche später bestätigt hat, galt es diese Tage über als verloren und ich musste feststellen, wie aufgeschmissen man doch heutzutage ist, wenn man quasi unerreichbar und unfähig ist jemand anderen zu erreichen, vor allem wenn man Verabredungen ohne einen bestimmten Treffzeitpunkt und –ort wahrnehmen möchte. Aber glücklicherweise war ich nach sechs Tagen dann um diese Erfahrung UND auch wieder um mein Handy reicher.
Nicht an dem gleichen Tag, allerdings am gleichen Wochenende und zwar am Sonntag fanden in Nikosia in der Bufferzone zwischen Nord- und Südzypern Feierlichkeiten zum einjährigen Geburtstags des „Home for Cooperation“ statt, eine Art Begegnungsstätte für Nord- und Südzyprioten, die durch verschiedenste Aktionen die Annäherung der beiden Gemeinschaften fördert. Eine tolle Idee, die von dem Großteil der Bevölkerung leider gar nicht beachtet wird. Am Sonntag waren dann aber, wie ich fand, sogar relativ viele „Partygäste“ da und es gab ein volles Programm von einer Fahrradtour, über Lach-Yoga, bis hin zu Live Musik, unter anderem eine wirklich tolle Gruppe aus dem Norden, und kostenlosen Getränken und Essen.
Bei uns zuhause gab es mit einem der seltenen gemeinsamen Essen einen weiteren kulinarischen Höhepunkt, denn wir versuchten uns zum zweiten Mal an selbstgemachten, wenn auch nicht ganz korrekt, weil nicht mit rohem Fisch zubereiteten, Sushi. Und es war so annehmbar, dass wir es bald wieder tun wollen.
Des Weiteren haben wir schon eine erste Sitzung mit unserem Tutor Panayiotis zum Thema „Youth Pass“ hinter uns. Für alle nicht Freiwilligen sei gesagt, dass das der schriftliche Nachweis unseres Freiwilligendienstes sein wird, sozusagen ein selbstgeschriebenes Arbeitszeugnis. Da meine Mitfreiwillige Natacha schon am 7. Juni ihren Rückflug nach Portugal antritt, mussten auch Anca und ich uns schon ein bisschen „vor unserer Zeit“ intensiver mit diesen letzten Schritt des EVS beschäftigen.
Der Höhepunkt der letzten zwei Wochen war dann am Sonntag die große Aufführung mit Musik, Geschichten, Liedern und traditionellen Tänzen. Die allwöchentlich einstudierten traditionellen Tänze, das Herzstück der Organisation, in der ich arbeite, wurden der Öffentlichkeit unter dem Titel „Ήταν μια φορά ο έρωτας...“ („Es war einmal die Liebe...“) vorgeführt, gemeinsam von der Gruppe der ältesten Jugendlichen und der der Erwachsenen, und auch ich war dabei. In den zwei Wochen vor der Aufführung gab es einen Probenplan mit zwei langen Abenden in der Woche und am Tag der Aufführung selbst noch die Generalprobe am Morgen. Wir wurden in mehreren kleinen, gemischten Gruppen in Regionen aufteilt, haben dann die jeweiligen Tänze aus der Region übernommen und haben letztendlich in die entsprechenden traditionellen Kostüme getragen. Ich war in der Gruppe mit den Tänzen von den Kykladen, diesen tausend klitzekleinen griechischen Inseln im Ägäischen Meer.
Der ganze Prozess hat echt total viel Spaß gemacht, wenn wir auch oft lange Warte- und nur kurze Probezeiten hatten, weil wir einfach so viele Tänzer waren. Nur die paar Männer, die in der Gruppe sind, mussten natürlich permanent auf die Bühne.
Die Photos von der Aufführung habe ich leider noch nicht, aber die kann ich dann vielleicht später nachreichen.
Zum Schluss noch ein kurzer Blick in die Zukunft. Heute in einer Woche ist meine abschließende Prüfung in Griechisch. Prüfung klingt irgendwie bedrohlicher als es wirklich ist... Es handelt sich um einen schriftlichen Test von zwei Stunden, in dem wir einen Text mit einem Umfang von 100-120 Wörtern zu einer bestimmten Aufgabenstellung schreiben müssen, einen etwas längeren Text zum Lesen bekommen und anschließend Fragen dazu beantworten müssen, sowie ein paar weitere kleine Aufgaben zu bestimmten grammatikalischen Themen und solche die unser Verständnis der Sprache prüfen. Um diese „Prüfung“ mache ich mir allerdings keine Sorgen, denn wir haben bereits zwei Versionen aus den Vorjahren im Unterricht gemacht und da lief es sehr gut bei mir.
Wirklich das Gefühl Griechisch zu könne, habe ich trotzdem noch nicht. Ich kann mittlerweile schon ziemlich viel verstehen und mich mit ein bisschen Mühe auch ausdrücken. Nach über 8 Monaten habe ich jedoch eigentlich mehr von mir erwartet. Aber gut, anderthalb Monate habe ich ja noch.