Spießergesellen
"Wenn ich Sonntag umziehe, werde ich zwei Wochen lang jeden Tag auf die eine oder andere Art getanzt haben." Und das in verschiedenen Städten, nicht zuletzt in Torun und Ciechocinek.
Torun
In Zakopane hatte ich mich mit Ewa auf Tanzen Anfang Februar in Torun verabredet. Dazu kam auch Felix mit. Freitag zeigte ich ihm die Stadt, das Panorama von der Brücke und die Altstadt. Wir übernachteten beide in meinem Zimmer bei Ewa, wo Felix Zeuge unserer üblichen Diskussion über die gute oder schlechte Natur der Welt wurde. Ich stellte ihn auch im Büro vor, wobei herauskam, dass er einen meiner Nachfolger kennt.
Mit Ewa gingen wir essen und abends mit einer Freiwilligen in die Kellerkneipe mit den Chagallwänden. Dort waren schon Freunde der Freiwilligen, allesamt Schauspieler aus den örtlichen Theatern. Eine hatte ein gebrochenes Herz, die andere spielte Klavier und die Männer schrien Beleidigungen oder trösteten ihre Kollegin. (Und ich schwöre neben uns saß der Protagonist eines der besten polnischen Filme des letzten Jahres, mit Handlung, natürlich, in Torun) Später gingen wir auch noch tanzen in der Kneipe Zum Engel unter dem Rathaus.
Irgendwann schafften wir es Samstag trotz allem aus dem Bett und ich zeigte Felix noch das Haus von Kopernikus inkl. Lebkuchenmuseum. Dort wurde mit einer Gruppe aus uns, Engländern und türkischen Erasmusstudenten richtig gebacken. Zu klassischer Musik wird man um einen Tisch gesetzt, darf sich Formen aussuchen und bekommt Teig sowie Mehl. Als wäre der Advent nie vorbei gewesen.
Ciechocinek
Zum vereinbarten Tanzen fuhren wir nachmittags nach Ciechocinek. Das ist ein kleiner Kurort, im klassischen Bäderstil. Darum haben wir uns auch zuerst in ein Café mit Walzermusik gesetzt und Sachertorte gegessen. Dabei stießen noch Ewa mit Mann und Dominik mit Frau zu uns.
Alle zusammen gingen abends in ein Restaurant gleich neben der Mineralwassertrinkhalle. Dort fand ein wohl klassisch sozialistisches "Fajf"-Fest statt. "Fajf" von 5 – man fängt bereits um 17 Uhr an, weil viele Teilnehmer sonst nicht durchhalten. Der Altersdurchschnitt war nämlich... gehoben. Es gab zwar auch nominell jüngere Leute, bloß vermute ich, waren die niemals wirklich jung. Getanzt wurde nämlich zum Besten des polnischen Schlagers, dargeboten von zwei Keyboards und einem Daniel-Craig-ähnlichem Schwiegermuttertraum mit einem süffisanten Lächeln, dass für mich eindeutig Berufszynismus verrät. Natürlich waren alle in Anzug und Kostüm, wobei sich die feschesten einen Ausbruch in das Modell "alternder Gigolo" und "Mettwurstähnlichkeitswettbewerbssieger" wagten. Ich war wirklich schockiert – solche Stilbrüche hatte ich Polen unmöglich zugetraut. Zum Glück waren wir da. Dominik spielte Daddy Cool und ich war im Anzug sowie wahlweise mit verschiedenen Accessoires der anderen.
Sonntag gingen wir natürlich in die Kirche und dann schon zum Bahnhof. Denn in Lodz war ich verabredet mit meinem Tandem Kasia, der ich auf der sonntäglichen Trainingsstunde in einer Tanzschule spontan Salsa beibrachte. Wenn ich Sonntag umziehe, werde ich zwei Wochen lang jeden Tag auf die eine oder andere Art getanzt haben.