Sitzenbleiben wird abgeschafft
Über die langwierige und komplexe Bildungsreform in Österreich, die Chancen und Risiken für die Lernenden sowie den Ministerwechsel innerhalb des Ressorts nach dem Kanzlerantritt Kerns.
Es ist ein großes Paket im 2013 beschlossenen Koalitionsvertrag der Rot-Schwarzen Regierung Österreichs: die Bildungsreform. Im Gegensatz zum föderalen Bildungssystem in Deutschland, entscheidet in Österreich die Bundesebene in Zusammenarbeit mit den Ländern über die Bildungspolitik. Ziel der Regierungen ist es unter den gegebenen gesellschaftlichen Veränderungen das Bildungssystem zu reformieren und damit zukunftsfähig zu machen.
Gesetz soll bereits ab dem kommenden Schuljahr gelten
Eine erste Gesetzesetappe ist bereits in der Begutachtung und soll bereits zum Beginn des kommenden Schuljahrs nach den Sommerferien gelten. Vor allem betroffen sind hierbei die frühkindliche Bildung im Kindergarten sowie in der Volksschule (=Grundschule). So sollen in den Kindergärten soziale Nachteile durch Sprachförderungsprogramme gezielt kompensiert werden. Ebenso wird bei der Einschreibung in die Grundschule durch die Eltern eine Beurteilung des Kindergartens verlangt, damit das Kind gegebenenfalls von Anfang an Förderprogramme an der Volksschule erhalt. Ziel ist es die Kinder unabhängig des sozialen Hintergrundes möglichst schnell auf ein einheitliches Lernniveau zu bringen. Ebenso wird die Bezirkszugehörigkeit bei der Schulwahl gelockert, sodass Eltern mehr Wahlmöglichkeiten bei der Schulauswahl bekommen.
Die österreichische Volksschule (vergleichbar mit der deutschen Grundschule) dauert ebenfalls vier Jahre bis dann auf eine weiterführende Schule gewechselt wird. Durch die Bildungsreform wird das Durchfallen bzw. Sitzenbleiben für die ersten drei Schuljahre in der Volksschule abgeschafft. Nichtsdestotrotz können Schülerinnen und Schüler innerhalb eines Schuljahres zurückgestuft werden, sofern die Lehrkraft dies für erforderlich hält. Nur am Ende des Schuljahres hat das Kind die garantierte Berechtigung in die höhere Klassenstufe aufzusteigen. Desweiteren ermöglicht das Reformpaket, dass in den ersten drei Schuljahren die Benotung ausgesetzt und durch eine Verbalbeurteilung ersetzt wird. Diese Entscheidung soll jeder Klasse freigestellt sein und gemeinsam durch die Lehrkraft und die Eltern entschieden werden. Ebenso soll es durch eine gemeine Entscheidung möglich sein, zusammenhängender Stoff schulstufenübergreifend in der Volksschule als Blockunterricht zu unterrichten. Damit soll nicht nur das gemeinsame Lernen, sondern auch die Interdisziplinarität der Lerninhalte gefördert werden. Österreichische Bildungsexperten begrüßen dieses nach ihnen längst überfällige Reformpaket, da gerade die (Sprach)Förderung im frühkindlichen Bereich besonders erfolgreich ist. Ebenso sei die Abschaffung des Durchfallens erfreulich, da dies neben hohen Kosten aus lerntheoretischer Sicht nicht besonders effizient sei.
Weitere Pakete zur Bildungsreform geplant
Neben der ersten Reform der frühkindlichen Bildung sind im Koalitionsvertrag weitere Bildungsmaßnahmen vorgesehen. So sollen Bundesländer zu Modellregionen für Gesamt- und Ganztagsschulen ausgewiesen werden, um den Aspekt des längeren gemeinsamen Lernens nach skandinavischem Vorbild zu stärken. Ferner sollen die Verwaltungsstrukturen innerhalb des Bildungssektors reformiert werden. So sollen weitergefasste Bildungsdirektionen die bisherigen Landesschulräte ersetzen. Damit erhofft man sich nicht nur Personaleinsparungen, sondern auch eine vernetzte und effizientere Zusammenarbeit der Schulbehörden. Zusätzlich sollen mithilfe eines Innovationspakets die Schulen bundesweit mit WLan und zeitgemäßen Computern ausgestattet werden, damit neue und digitale Unterrichtsformen möglich werden.
Wechsel an der Spitze des Bildungsministeriums
Bisher leitete die Lehrerein Gabrielle Heinisch-Hosek (SPÖ) als Ministerin das Bildungsministerium. Mit dem Abtritt des Kanzlers Faymann und dem Auftritt des neuen Kanzlers Kern wurde unter anderem die Spitze des Bildungsministeriums neu besetzt. Neue österreichische Bildungsministerin ist nun die ehemalige Rektorin der Veterinäruniversität Wien Sonja Hammerschmid. Von ihr werden neben frischem Wind in der Bildungsreform vor allem neue Impulse hinsichtlich der sozialen Durchlässigkeit im Schulsystem erwartet.