Seo Seachtain na Gaeilge!
Irisch ist eigentlich vom Aussterben bedroht. Aber woher kommt die Sprache und wie wird sie doch noch am Leben erhalten?
Seo Seachtain na Geailge? Nein. Das ist kein Zungenbrecher, auch wenn es so aussieht. Das ist Irisch und wird auch nicht „Seo Seachtain na Gaeilge“ ausgesprochen, sondern in etwa „Scho schoktn na Guälga“ - zumindest hier in Clare. Ich muss das deshalb so betonen, weil Irisch eines bestimmt nicht ist – einfach. Es gibt allein drei Hauptdialekte: Connachta (Connaught) im Westen, Mhumhain (Munster) im Südwesten und Ulaidh (Ulster) im Norden Irlands - und jeder dieser Dialekte klingt natürlich ganz anders.
Man kann sich jetzt darüber hinaus noch streiten, ob es Glück oder Pech ist, dass das Irische dafür wenigstens mit uns vertrauten Buchstaben geschrieben wird. Anfangs wurde es nämlich mit einem eigenen Schriftalphabet zu Papier gebracht, welches noch in alten Schriften zu finden ist. Erst später hat man sich dann doch dazu durchringen können, das einheitliche lateinische Alphabet zu benutzen. Das bedeutet zwar, dass die Buchstaben uns wohl vertraut sind, aber dafür hat man gleich eine Reihe neuer Schreibregeln mit festlegen müssen – und die treiben mich in den Wahnsinn. Wie soll ich armer Irisch unbegabter Mensch denn in meiner ganzen Verzweiflung erkennen, dass „Bíodh lá maith agat“, „Habe einen schönen Tag“, in Wirklichkeit „Biock lo mo ägot“ ausgesprochen wird? Oder der Name „Áine“ ganz und gar unlogisch „Onia“ bedeutet? Ich könnte vielleicht darauf kommen, wenn ich ähnlich wie bei einem Wortspiel die Buchstaben in alle möglichen Reihenfolgen bringe und das „e“ in „Áine“ durch ein „o“ ersetze und … Mal ehrlich, was steckt hinter dieser Regel und wer hat sich die Sprache überhaupt ausgedacht?
Wie das Irische entstanden ist, verliert sich in den geschichtlichen Wirrungen unserer Erde. Vielleicht stimmt die Geschichte vom Turmbau zu Babel und der plötzlichen Sprachvielfalt doch? Zumindest kann man dies noch den Kindern erzählen, wenn sie fragen, warum wir denn unterschiedliche Muttersprachen haben. Leider weisen nüchterne, fantasielose Wissenschaftler jenen kreativen Erklärungsversuch zurück – obwohl sie mit keinem besseren überzeugen können, denn die Herkunft des Irischen ist bis heute noch nicht eindeutig geklärt. Das, was Wissenschaftler jedoch für sicher zu glauben wissen, ist, dass das archaische Irisch spätestens im 4. Jahrhundert n. Chr. zum ersten Mal auftaucht und bis zur Christianisierung der Grünen Insel im 5. Jahrhundert die alleinig genutzte Sprache war. Mit der Verbreitung des Christentums durch missionierende Mönche und Klosterbauten wurde es dann zumindest im schriftlichen Gebrauch zunehmend seiner verschiedenen Dialekte beraubt und standardisiert. Ein großer Fortschritt! Wer weiß, wie viele verschiedene Zweige dieser Sprache heutzutage sonst existieren würden! Doch die Standardisierung bedeutete noch nicht gleich, dass dieses nun entstandene und bis ins 9. Jahrhundert verbreitet gewesene Altirische darum sehr viel einfacher wurde – nein, dafür gab es immer noch zu viele verschieden Endungen.
Dieser Fakt wiederum war wahrscheinlich den Ende des 8. Jahrhunderts auf die Insel kommenden Wikingern zu kompliziert – und ich kann es ihnen nicht einmal verübeln. Wie soll man sich schließlich relativ friedlich der einheimischen Bevölkerung annähern, deren Kulturgut respektieren, mit ihnen kommunizieren, sich verheiraten und vermischen, wenn deren Sprache nun einmal ein besonders herausforderndes und an Kompliziertheit nur so herausragendes Wesen ihrer Gattung ist? Dem musste Abhilfe geschaffen werden und so wurde das Irische kurzerhand vereinfacht. Wozu das Neutrum wesentlich länger benutzen, wenn es doch nicht unbedingt notwendig ist? Und warum den Endungsreichtum nicht auf ein erlernbares Maß reduzieren? Zudem scheint durch den Kulturaustausch der beiden Völker auch das Bedürfnis nach neuen Worten erwacht zu sein. Immerhin waren die Wikinger hervorragende Seefahrer und konnten viele Dinge benennen, deren Existenz den Iren bislang völlig unbekannt war. Also wurden aus dem Themenbereich der Seefahrt kurzer Hand viele skandinavische Lehnwörter in das nun mehr Mittelirische (900-1200) eingeschmuggelt.
Die nächste einschneidende Veränderung in der Sprache wurde durch den Einfall der Normannen 1169 hervorgerufen, der die Periode des Klassischen Irisch (1200-1600) einläutet. Das Irische blieb die am meisten verbreitete Sprache und wurde lediglich für administrative Zwecke vom Französischem vertreten. Das Englische der neu eintreffenden Siedler konnte sich dagegen lange Zeit kaum durchsetzen, vielleicht etwas in Dublin und Wexford, aber ansonsten scheiterte selbst ein 1366 im „Statutes of Kilkenny“ beschlossenes Irischverbot am Widerstand der einheimischen Bevölkerung. Diese zeigte sich nämlich vom dem Gesetz herzlich unbeeindruckt und pflegte weiter mit Eifer ihre eigene Sprache. Wozu Englisch sprechen und erlernen, wenn man bisher auch ausgezeichnet ohne ausgekommen ist?
Erst im 16. und 17. Jahrhundert sollte das auf leisen Sohlen unbeirrbar vor sich hinschleichende und bis heute andauernde traurige Sterben des Irischen beginnen. Englische und schottische Farmen, deren Besitzer eine neue Oberschicht in Irland bildeten, wurden planmäßig von der englischen Krone aus auf der Grünen Insel angesiedelt. Als 1607 der noch verbliebene irische Adel, speziell die Earls Hugh O'Neill (2. Earl of Tyrone) und Rory O'Donnell (1. Earl of Tyrconnell) mit ihren Familien, im Flight of the Earls vor den Briten nach Italien flohen, bedeutete dies das endgültige Aus für ein auch in der Oberschicht verwurzeltes Irisch und den Beginn des Neuirischen.
Von nun an begann der stetige aussichtslose Kampf gegen die vollständige Verdrängung dieser Sprache durch das Englische. Denn was kann der Zwerg Irisch gegen den Giganten Englisch schon ausrichten, zumal ca. ein Drittel (!) der irisch sprechenden Bevölkerung in der Großen Hungersnot zwischen 1845 und 1849 entweder grausamst verhungerte oder in letzter Verzweiflung die Heimat verließ?
Selbst die 1922 erlangte Unabhängigkeit Irlands konnte den Rückwärtstrend der einheimischen Sprache nicht aufhalten. Wie auch? Wenn wir uns heutzutage umsehen, wird zum großen Teil in Englisch kommuniziert und Irland ist so klein, dass sich kaum ein anderes europäisches Land die Mühe machen würde, in stundenlangem, frustrierenden Unterricht eine Sprache zu erlernen, die selbst in deren Heimat nicht einmal von der gesamten Bevölkerung gesprochen, geschweige denn überhaupt verstanden wird!
Umso beeindruckender sind darum die verschiedensten, auch von Seiten der Regierung ausgehenden, Bemühungen, das schon auf der Intensivstation liegende Irisch noch am Leben zu erhalten. Was für die einheimische Kultur fantastisch ist, treibt arme Touristen in ehrliche Verzweiflung. Wie soll ich bitteschön den geforderten Autofahrer, der im Angstschweiß gebadet ist und krampfhaft versucht, alle seine Sinne auf das Autofahren auf deutlich zu engen Straßen und der „falschen Seite“ zu konzentrieren, was jegliche seiner Gehirnteile vollkommen auslastet und zu Knotenbildungen in den die Informationen durch den Körper transportierenden Nervensträngen führt, wie also soll ich dieses arme Wesen vernünftig nach Karte in Connemara lotsen, wenn alle Straßenschilder die Ortsnamen nur auf Irisch wiedergeben und diese natürlich NICHT in meiner Straßenkarte stehen? Das lässt einen den vermeidlich simplen Job des Beifahrers abgrundtief unterschätzen.
Doch ich bewundere die Bemühungen, das Irische am Leben zu erhalten. In dieser Hinsicht sind auch diejenigen Familien lobend hervorzuheben, die schon aus Prinzip heraus nur Irisch mit den Kindern sprechen – von klein auf. Dass die Kinder in Englisch antworten, ist dabei zweitrangig, zumal, wenn sie noch im Kindergartenalter sind. Aber durch solche Maßnahmen lebt die Sprache wenigstens noch für eine weitere Generation weiter und es wird ihr etwas weiter Atem auf der Intensivstation eingehaucht. Auch meine Schule hat sich Gedanken gemacht, wie die zerbrechliche Pflanze des Irischen weiter sorgsam gepflegt und geschützt werden kann. Dazu gibt es – richtig „Seo Seachtain na Geailge!“ - eine irische Woche. Die Lehrer reden grundsätzlich nur Irisch mit den Kindern - auch wenn sie manche Sätze hinterher übersetzen müssen, weil sie nur mit tellergroßen fragenden Augen angesehen werden. Aber immerhin! Die Bemühungen sind da und manche Schüler versuchen sogar Irisch in den Hofpausen zu sprechen. Das lässt hoffen!
Mögen all die verschiedenen Bemühungen dazu beitragen, das Irische und somit auch ein Stück der Kultur dieser faszinierenden kleinen Insel am Rande des Atlantiks zu bewahren!