Seltsame Gestalten
Das Wohnen in einem estnischen Studentenwohnheim hat so seine spannenden Seiten. Vor allem, wenn Svenschka sich ihre Mitbewohner und deren teils recht bizarren Hobbys betrachtet. Nichts gegen Sauberkeit, Blumekohl und Duschgesänge, aber man kann es auch übertreiben, oder?
Also, heute mag ich doch gern mal über meine Mitbewohner im Studentenwohnheim sprechen. Da gibt es doch recht interessante Größen.
Erstmal erklärten sie die Etagenküche zur Partyzone - munter feiern sie, an normalen Werktagen, bis 3.00 Uhr nachts wilde Partys. Es mag auch vorkommen, dass sich ein Pärchen im Liebestaumel gegen meine Zimmertür drückt...
Meine Top 3 der interessantesten Mitbewohner
Platz 3: Das Mädchen mit den Leggings
Das Mädchen mit den Leggings ist allgegenwärtig. Es kommt mir so vor, als würde sie tatsächlich jeden Tag sich freiwillig zum Flurputzen melden. Etwas, das jeder einmal im Monat machen sollte, sie jedoch etwa 27-mal tut. Dann fängt sie gern um 7.00 Uhr an zu putzen und knallt lässig den Wischmopp vor jede erdenkliche Sache, die Krach machen könnte. Türen (vor meine, glaube ich, besonders gern), Heizungsrohre, Unebenheiten im Boden, Mülleimer... Wenn man dann aufsteht und duschen geht, steht sie gerade garantiert in der Dusche, um diese zu putzen. Geht man zum Kühlschrank, lässt sie bestimmt gerade das Eisfach abtauen. Will man etwas kochen, wird gerade mit hochgiftigen Lösungsmitteln der Herd desinfiziert. Toiletten und Wasserhähne sind den ganzen Tag nicht zu benutzen, da sie entkalkt oder ebenfalls desinfiziert werden.
Ich glaube ja, sie trägt die Leggings nur, weil sie damit den Staub anziehen kann. Sie trägt immer Leggings. Davon abgesehen sehe ich sie auch immer nur im Wohnheim. Und wenn sie Putzdienst hat, endet der auch nicht vor 20.00 Uhr - mein persönlicher 3. Platz geht somit an die Trendikone der 90er!
Platz 2: Der Blumenkohlmann
Der Blumenkohlmann liebt Blumenkohl. Stehe ich auf, habe ich schon den lieblichen Duft in der Nase. Gehe ich schlafen, kann ich Blumenkohl quasi schon schmecken. Und des Nachts habe ich Alpträume von Blumenkohl. Ungelogen. Na ja, vielleicht ein ganz kleines bisschen. Aber nur etwas. Egal.
Jedenfalls fängt der Blumenkohlmann schon um 10.00 Uhr morgens an, Blumenkohl zu kochen. Er isst nur Blumenkohl (Blumenkohldiät? Blumenkohlsekte? Blumenkohl macht Birne hohl?). Und das mit einem Hang zum Dramatischen: Verschüttet er ein winzig kleines Röschen, fängt er an laut zu klagen und reißt auch gern Sonntags früh um 10.00 Uhr schon das halbe Wohnheim – das zumeist noch im tiefen Wochenendschlummerschlaf liegt – aus den schönsten Träumen.
Lebt Blumenkohl? Kann Blumenkohl sprechen? Ich habe beschlossen, er ist mit Blumenkohl eng befreundet.
Und nun – vor lauter Spannung kaum noch ertragbar:
Platz 1 - Der Freund vom Blumenkohlmann
Er gibt seinem Blumenkohlfreund moralische Unterstützung, wenn ein Röschen den langen Pilgerweg in Blumenkohlmanns Magen nicht geschafft hat. Was für ein Mann! Er sieht aus, wie eine Mischung aus Elvis (die Kotletten), Julio Iglesias (der schmalzige Blick), ein Streichholz (die Figur), Bruce Willis (der kleine Zeh), Antonio Banderas (die Haarpracht – nur in blond) und Hella von Sinnen (die Kostüme). Was für ein Mann!
Außerdem ist er gebildet, er studiert ja. Denk ich mal. Ein wahrer Traummann also, zumindest wirkt er auf mich so.
Was er tut? Was ihn besonders macht? Na alles! Die Mädels da Draußen werden mich schon verstehen. Ach und: Er singt unheimlich romantisch und doch so voller Inbrunst unter der Dusche.
Erwähnendwert, jedoch leider nicht in meinen Top 3, sind noch der Starrer und der "Oh-Gott-ein-Mädchen-ich-zieh-sofort-mein-T-Shirt-aus"-Clown.
Der Starrer ist auch immer gegenwärtig. Gesehen, dass er spricht, habe ich noch nie, aber er kann unheimlich gut starren. Und er macht das ganz komplett unauffällig: er bewegt seinen Kopf nur quasi um 90 Grad, wenn etwas passieren sollte. Und am schönsten ist es – auch gar nicht unheimlich – wenn er abends im Bad neben Dir steht, während du dir die Zähne putzt und er Dich im Spiegel dabei beobachtet.
Der künstlerischen Freiheit und der Dramatik wegen verheimliche ich an dieser Stelle, dass nicht mir, sondern nur meiner Freundin auf Besuch dieser Starrer begegnet. Aber er ist bestimmt kein Phantom.
Der Clown, dessen langen Namen ich nur einmal ausspreche, vor lauter Ehrfurcht, zieht – ach nee – immer, wenn eine Frau vorbeikommt, sein T-Shirt aus. Weil er so sexy ist.
So, damit muss ich dann aber meinen Bericht auch wieder schließen.
Bleibt noch anzumerken, dass die dichterische Freiheit mir ein paar gekonnte Übertreibungen erlaubte...