Schnitzel als Fixpunkt
Ein vorweihnachtliches Upate zu meinen Reisen nach Kroatien und Herzegowina, die mir mal wieder die Freude sozialer Kontakte bescherten und vor allem eines gemeinsam hatten: die Vorliebe der Köche für Schnitzel.
Hallo zurück, ist nun doch schon wieder eine ganze Weile her...
Der November war ein bewegter Monat, ich war praktisch die letzten Wochenenden nie zuhause und bevor das dann in den Weihnachtsgeschichten untergeht, dachte ich, hole ich euch mal wieder mit an Bord. Setzten wir also nahtlos da an, wo wir das letzte Mal stehen geblieben sind: mit der Abreise meines Vaters...
Fr 08/11/- Sa 09/11/ - Musikalische Einheit
Wir haben wieder Besuch aus Tirana von meinem Vorgänger Marvin bekommen. Am 9. findet ein Konzert statt, bei dem einige große Ex-Jugo-Rockbands spielen sollen (10h lang!), dafür lohnt sich die weite Anreise. Susi, Hanka und ich entscheiden uns, uns der Kultur auch zu stellen, obwohl wir keine der Bands wirklich kennen. Dazu trägt sicher auch bei, dass Konzerte mit 3,50 Euro hier wirklich spottbillig sind. Da können selbst die unbekanntesten Künstler in Deutschland mit ihren 18 Euro-Karten nicht mithalten.
Dass sich unsere Erwartungen an dieses Konzert deutlich unterschieden, zeigte dann unsere Garderobe. Ja ich friere lieber im Hoodie, als dann beim Konzert meine Jacke im Mosh zu tragen und nein ich habe keinen Regenschirm dabei... Dass diese meine Überlegung jedoch völlig überflüssig war, zeigte sich dann spätestens als das Konzert einige Stunden im Gang war und immer noch keiner der Zuschauer sich vom Fleck bewegte. Die Musik war ganz gut, auch wenn wir sie nicht kannten, aber Stimmung wollte dadurch trotzdem nicht aufkommen. Angesichts dessen wollten dann wohl auch die Headliner des Abends nicht spielen. Die Enttäuschung war groß, bei den bosnischen Besuchern unter uns deutlich größer als bei den Deutschen. Ein großer Ex-Jugo-Rockfan bin ich jetzt also nicht geworden, wir werden unser Glück aber weiter versuchen.
Stattdessen, wenn auch schon im Oktober rausgekommen, ist das Album "Kiox" von Kummer mein Soundtrack der letzten Monate geworden. Seinen Auftritt in Dresden über das Internet zu verfolgen hat mir Herzschmerz bereitet...
So 10/11/ - So 17/11/ - On-Arrival-Seminar in Orahovica
Hier beginnt jetzt der Ereignisreichtum der letzten Wochen. Der europäische Solidaritätskorps (meine Dienstform) schreibt für jeden Freiwilligen ein Seminar zu Beginn und Mitte des Dienstes im Dienstland vor. Da in Bosnien jedoch nicht genug Freiwillige für ein eigenes Seminar eingesetzt sind, ging es für Hanka und mich für eine Woche nach Orahovica, einem kleinen Städtchen im Nordosten Kroatien. (Ich habe für alle folgenden Reisen Ausschnitte aus GoogleMaps in die Fotos gepackt, damit ihr euch besser orientieren könnt.) Obwohl nicht mal den längsten Anreiseweg, waren wir doch die beiden mit der längsten Reisezeit, knapp 15h waren wir unterwegs. Mit dem Bus über Nacht nach Zagreb und dann von dort nach zwei Stunden Aufenthalt mit dem Zug nach Orahovica. Ich kann an dieser Stelle erwähnen, dass man es meiden sollte nachts auf bosnischen Straßen unterwegs zu sein, schlafen ist bei der Menge an Schlaglöchern kaum möglich. Meine Idee eines Frühstücks in Zagreb war dann auch schwieriger umzusetzen als gedacht, um 6 Uhr morgen haben halt gar nicht mal so viele Bäckereien offen. Ein verrücktes Gefühl in einem fremden Land auf der Sprach bestellen zu können, die man in Bosnien gerade so verzweifelt zu lernen versucht. "Hier musst du jetzt aber wirklich mal -Oprostite- (kroatisch für Entschuldigen Sie) und nicht -Izvinite- (die bosnische Variante) sagen", stellten wir nach einem etwas schiefen Blick der Bedienung dann trotzdem fest. Danke an das Centar, das so viel Wert auf meine ausschließlich kroatische Erziehung legt.
Wie erwartet stieg plötzlich in Orahovica unser ganzes Abteil mit uns aus. On-Arrival-Training? -Yes, you too?-
Wir sind eine Gruppe von 23 Freiwilligen aus ganz Europa, die meisten volontieren in Kroatien, aber auch einige aus Serbien, Montenegro, Albanien und Bosnien sind dabei. Dazu noch unsere zwei Trainer für diese Woche und eine Mitarbeiterin der Nationalagentur Kroatiens, die nicht für die Nicht-Kroatier zuständig ist, wie ich erfahre. Mit unseren 18 Jahren sind wir drei Deutschen (es gibt noch eine Deutsche in Brčko im Norden Bosniens) mit Abstand die absolut Jüngsten, die Meisten sind etwa 23-25 Jahre alt. Immer wieder stelle ich fest, dass es scheinbar ein einzigartiges und privilegiertes Phänomen ist, direkt nach dem Abi ins Ausland zu gehen. Bei uns undenkbar, die Gesellschaft würde dich für faul und unfähig erklären, so verschiedenste Leute zu mir. Dementsprechend werde ich auch regelmäßig älter geschätzt und dann mit weit aufgerissenen Augen angesehen, wenn ich mich als so jung oute... "Du bist ja ein Baby!"...
Zurück zum Seminar: Wir wohnen in einem Haus des kroatischen Roten Kreuzes mit Schwimmbad, dass wir abends nach 22 Uhr nutzen dürfen, sehr cool. Das Essen ist auf typisch kroatische Art sehr fleischlastig und auch der Kursinhalt ist für mich größtenteils nichts Neues, der ICE hat sehr gute Vorbereitungsarbeit geleistet. Aber da eben nicht alle schon so ein ausführliches Seminar in ihrem Heimatland hatten, wiederholen wir alles. Der Seminarinhalt ist aber auch nicht das Entscheidende, sondern der Kontakt zu den anderen Freiwilligen. Es tut gut sich gegenseitig von seinen Erlebnissen, Einsatzstellen und Heimatländern zu erzählen und einfach mal wieder soziale Kontakte zu haben. Da wir uns alle nicht kennen, fällt das deutlich leichter, als in Sarajevo jemanden kennenzulernen. Unsere Truppe versteht sich ausgezeichnet, wir knüpfen schnell Freundschaften und verschiedenste Pläne, einander zu besuchen, der Altersunterschied spielt da gar keine Rolle. Auch dafür sollte das Seminar da sein, um ein Netzwerk aufzubauen. Denn da wir alle knapp bei Kasse sind, muss sich auch keiner schämen, wenn er auf seinen Reisen nach einer Unterkunftsmöglichkeit fragt. Wir sprechen fast 24/7 Englisch, da kann es auch schon mal passieren, dass man noch weiter Englisch redet, auch wenn wir drei Deutschen gerade allein unterwegs sind. Außer dem Tagesfüllenden Seminarprogramm haben wir am Donnerstag den ganzen Nachmittag frei und entscheiden uns zu einem nahe gelegenen See zu wandern, wegen dem sich Orahovica für eine Touristenstadt hält. Es stellte sich heraus, dass der so gepriesene See einfach ein Freibad ist, im Winter natürlich abgelassen. Also weiter den Berg hinauf zu der Ruine einer Burg, die die größte und best erhaltenste mittelalterliche Burg Nordkroatiens sein soll (Papa ich vertraue darauf, dass deine Quellen stimmen). Da oben würde ich gern Lagerfeuer machen, wenn es dunkel wird.
Hanka und ich hatten im Voraus schon geplant die Nacht von Samstag zu Sonntag noch in Zagreb zu verbringen, diesem Plan schlossen sich noch einige weitere Freiwillige an. Somit waren wir mit den in Zagreb Wohnenden eine ganz schöne Gruppe und, so glaube ich, alle recht froh, uns noch nicht am Samstag am Bahnhof in Zagreb bei Regen Auf Wiedersehen sagen zu müssen. Hätten wir gewusst, wie viele Leute in Zagreb wohnen, hätten wir bestimmt kein Hostel gebucht, aber so verbrachten wir eben die Nacht in einem 6er Zimmer voller Männer, das genauso roch, wie das Dresdner Elefantenhaus. Unseren Plan, uns noch die Stadt anzuschauen, warfen wir hinsichtlich des Wetters über Bord und gingen gemeinsam mit den Anderen essen und dann noch in eine Bar, die erste Bar seit Monaten, in der nicht geraucht wurde. Als es dann an die Verabschiedung ging, entschieden wir spontan, uns doch am nächsten Morgen noch zum Frühstück am Busbahnhof zu treffen. Da hieß es aber dann wirklich Abschied nehmen, jedoch mit der Perspektive sich bald wieder zu besuchen. Glücklicherweise konnten wir trotz vergessener Fahrkarte unseren geplanten Bus nehmen und kamen dann abends wieder in Sarajevo an. So wunderschön das Seminar auch war, so gelitten hat meine Motivation dabei. Wieder in Sarajevo angekommen brauchte ich erst einmal drei Tage, um mich wieder an das Umfeld zu gewöhnen, ohne witzige Spanier, anti-kapitalistische Bulgaren und Freunde, mit denen man sich nach der Arbeit in der Stadt treffen kann.
Mo 18/11/ - Arbeitsupdate
Viel Zeit darüber nachzusinnen blieb mit jedoch nicht, denn direkt in der Woche nach dem Seminar begann mein Sprachkurs, den ich zweimal die Woche am Abend für Erwachsene gebe, die schon Deutsch können. Ich war verdammt aufgeregt, da ich weder die Niveaus noch die Erwartungen der Teilnehmer wirklich einschätzen konnte. Inzwischen hat sich das Ganze ziemlich gut eingepegelt. Der Unterricht macht mir enorm Spaß, ich habe aufgehört ihn so minutiös vorzubereiten, wie ich es am Anfang noch getan habe und mich auch von der Idee getrennt, den Teilnehmern irgendwie Grammatik beibringen zu wollen. Auch wenn ich durch den Unterricht jetzt deutlich weniger Freizeit habe, ist es das doch allemal wert, wenn sich meine Schüler nach der Stunde mit einem Lächeln bei mir bedanken oder mir positives Feedback geben und ich merke, dass sie sich langsam auch mehr trauen, miteinander zu sprechen, ohne dass ich sie dazu auffordern musste. Der Kurs wird bis Anfang Februar laufen, danach gebe ich vielleicht noch einen oder wir ändern das Konzept, mal sehen. Meine Mentorin hat außerdem davon gesprochen, mich im neuen Jahr in ein Projekt einzuführen, das neu starten wird und bei dem ich möglicherweise auch ein organisatorischer Teil sein kann. Ich würde mich wahnsinnig freuen und bin gespannt. Außerdem habe ich angefangen, bei den Italienern Sprachunterricht zu nehmen, mal sehen, wie ich da so vorankomme.
Sa 23/11/ - So 24/11/ - Die Stille ist ein Geräusch
An diesem Wochenende veranstaltete das Centar einen Studienausflug für ein interreligiöses Projekt nach Herzegowina, bei dem die Italiener und ich mitfahren durften. Es ging zuerst nach Livno, wo wir eine katholische, eine orthodoxe Kirche und eine Moschee besichtigten. Es ist faszinierend, wie sich die Landschaft verändert, wenn man in den Süden Bosniens kommt. Der Norden ist sehr bergig, die Berge überzogen von Nadelbäumen. Der Süden hingegen ist flacher und die Berge steinig. Man bekommt ein mediterraneres Gefühl, dass ich zwar schon in Mostar wahrgenommen hatte, aber erst hier wirklich realisiere. Wir übernachten in einem Öko-Hotel in der Nähe von Livno, in dem die Italiener und ich uns die sogenannte "Suite" teilen. Besonders luxuriös war sie nicht, aber trotzdem sprangen wir wie kleine Kinder an Weihnachten durch das Zimmer, aus Freude vor allem über unser Badezimmer mit großem Duschkopf. Am nächsten Tag ging es dann noch nach Široki Brijeg, wo die Anderen die Messe besuchten und wir eine Führung durch das Kloster bekamen. Hier wuchsen Kaki an den Bäumen, ich war völlig entgeistert, die Italiener eher weniger erstaunt - Wie du hast noch nie Kaki wachsen gesehen? Tja, kann eben nicht jeder im Süden leben...
Sowohl Livno also auch Široki Brijeg sind mir als seltsame Städtchen im Gedächtnis geblieben, in denen sich nichts zu bewegen schien und bei denen man sich fragt, ob denn da wirklich Menschen leben. Kann man vielleicht vergleichen mit Hénin Beaumont, für diejenigen, die mit mir auf Studienfahrt in Nordfrankreich waren, oder Kleinstädten in der DDR. In Livno ladeten wir auf der Suche nach einem Café in einem Einkaufszentrum in dem die Zeit stehengeblieben zu sein schien und in das ich mit meinem Kleidungsstil perfekt passte. An dieser Stelle möchte ich Juli Zeh mein Lob für den Titel ihres Buches "Die Stille ist ein Geräusch" aussprechen. Auch wenn ich nicht mit allen ihrer Darstellungen einverstanden bin, der Titel trifft ausgezeichnet das Gefühl, welches wir in diesen Städten hatten.
Mo 25/11/ - Traditionen
Am Montag hatten wir hier Nationalfeiertag und dementsprechend frei. Wir haben den Tag genutzt, um einigen deutschen Traditionen nachzugehen und haben Eierlikör gemacht. Die Zutaten waren leider nicht alle auffindbar, deshalb musste etwas improvisiert werden, aber er ist trotzdem ganz gut geworden. Generell begehen wir Weihnachten hier bewusster als ich es noch zuhause gemacht habe. Als es am 2. Dezember das erste Mal geschneit hat, haben wir schon Bratäpfel gemacht und das Centar hat komplett mit den Weihnachtsdekorationen übertrieben, aber vom Thema Weihnachten werde ich gesammelt im nächsten Eintrag berichten.
Fr 29/11/ - 01/12/ - Animatori
Wieder ein Wochenendausflug, diesmal nach Nordbosnien zu einem Workshop für so etwas wie die Jugenleiterkarte. Meine Rolle dabei war irgendetwas zwischen Trainer und Teilnehmer, was anfangs etwas seltsam war. Im Endeffekt habe ich an den Abendprogrammen und Energizern teilgenommen und während der Workshops gelesen. Auch die Kommunikation war schwierig, die Teilnehmer konnten mehrheitlich kein Englisch und auch sonst unterhält man sich eben lieber auf Bosnisch. Da aber noch drei weitere Workshops der Reihe kommen werden, habe ich Hoffnung :)
Ich schlief mit den vierzehnjährigen Teilnehmern auf steinharten Matten, während sie bis tief in die Nacht quatschen und kichern. Ich werde eben scheinbar alt...
Sehr zu meinem Amusement gab es zweimal Schnitzel und somit in der Summe schon das 5. Mal Schnitzel innerhalb von zwei Wochen. Jede Jugendbegegnung hat wohl so ihren Preis und Gemüse dazu erwarte ich schon lang nicht mehr. Was in den Köpfen der Köche vorgeht, an zwei aufeinander folgenden Tagen Schnitzel zu servieren, verstehe ich aber bis jetzt nicht.
Gerade habe ich den ganzen Tag im Bett verbracht, weil meine Heizung heute mein Zimmer nicht richtig warm bekommt und ich es genieße einfach mal wieder zuhause zu sein und nichts zu tun. Gut für euch, sonst würdet ihr wohl wieder nicht von mir lesen. ;) Morgen ist außerdem Tag 100, verrückt irgendwie, wenn man sich das mal so bewusst macht...
Mit diesen Worten wünsche ich euch allen einen frohen zweiten Advent.
Ihr lest wieder von mir, ich höre hoffentlich von euch und bis zum nächsten Mal dann im neuen Jahr.
Ćao. Irma