Schlafsandburgen und Schneeschlösser
Über Schnee im Oktober
Gestern sind bestimmt 20000 Eiskristalle vom Himmel gefallen, alles ist in 5 cm Schnee eingepackt, drei Schneemänner stehen auf unserer Treppe. Es fühlt sich an als hätten wir einen Sonntag im Advent, wir haben Donnerstag im Oktober...
Hälse kratzig und Hände rau, Stimmen heiser und Lippen blau stapfen wir lächelnd durch das Schneegewirbel, surreal aber irgendwie genau richtig. Bis uns die Realität in Form von sehr aggressiven Schneeflocken die uns ins Auge schneien aus unserem Wintertraum reißt genießen wir den Schnee im Oktober.
Außer Schnee gibt es wenig Neues. Der Blick aus dem Fenster hat sich innerhalb weniger Stunden von einem feuerroten Glühen in einen eisigen Schneeschlossgarten verwandelt aber der Blick ins Fenster ist vermutlich der gleiche. Kaffeetassen auf dem Küchenbrett, mal voll, mal verschüttet. Drei in Pullis und Decken eingewickelte Mädels, strickend, lernend oder vor Lachen weinend am Küchentisch. Dampf aus Kochtöpfen in denen das günstigte, was der Supermarkt zu bieten hat zu Abendessen verschmort, drei Mädels im Bett bei der mittlerweile 26. Folge How I met your mother schauend, Schlafsandburgen, die sich in müden Augen selbst errichten, der Geruch von Haferflocken und Zimt in der Luft, gemischt mit dem frischer Wäsche und verbrannten Toasts.
Also Schnee, Schnee und Schnee. Jeder Deutschlehrer hätte mir schon Abzugspunkte wegen Wiederholungsfehler angestrichen... gut, dass wir in einer Theater- und Musikschule sind :)
Vor einer Woche haben wir uns noch in Stockholm gesonnt, was sich so weit weg anhört. Insgesamt 22h Fähre für 6 Tage Schweden haben sich verdammt gelohnt und es ist zu hundert Prozent nicht das letzte Mal gewesen, dass wir für eine Woche aus unserem verschneiten Zuhause in ein anderes Land kommen.
Die Hoffnung, im Hostel neue Bekanntschaften zu machen, hat sich in dem Schlafsaal, in dem wir nur das mindeste an Zeit verbrachten (Erstickugsgefahr), in miefende Luft aufgelöst. Menschen, mit denen man anfangst nur Ort und Zeit teilt, zu Menschen zu machen, mit denen man Lachen und Erinnerungen teilt, ist eigentlich genau das, was ich an Hostels so liebe, aber außer einem Australier, der seit Monaten auf Reisen ist und einem Mathematiker, der am Urknall forscht und versucht hat, mich zum Mathematikstudium zu überreden, wurden wir nur von Menschen, die überhaupt nicht auf unserer Wellenlänge waren in Gespräche verwickelt, aus denen wir uns früher oder später herausredeten. Stockholm ist nach wie vor wunderschön. Wird sich für mich wahrscheinlich auch nie ändern :)
Und vielleicht lernen wir auf der nächsten Reise jemanden Neues kennen, einen Fremden, der mit uns den verirrten Weg durch die Straßen und ein schüchternes Lächeln teilt. Jemanden, der nichts geteilt hat außer Zeit und Ort.
"I think, when the snow will freeze my feet I will just look around, see these falling iceflowers and wonder, when autumn left" - Ich, Blogeintrag vom 15.09.
Der Schnee friert meine Füße ein, ich hab mich gestern tatsächlich mit riesigen Augen um mich selbst gedreht und die Schneeflocken grinsend beobachtet und ich frage mich zwar nicht wann der Herbst gegangen ist (nämlich gestern), aber wie er es innerhalb weniger Stunden geschafft hat.
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