Schizophrenie - Wenn die Kontrolle über das Ich abhanden kommt
In unserem täglichen Leben begegnen wir Menschen, die sich nicht nach den normierten Vorgaben der Gesellschaft bewegen. Da ist der verwahrloste „Penner“, der an der Ecke steht, die Frau die laut Selbstgespräche führt, der Mann, der nur kurz hinter der Gardine hervorschaut, fast unbemerkt. Jeder bekommt von uns ein Etikett, wird in eine Schublade gepackt. So ist es auch mit Krankheiten, oder etwa nicht?
In unserem täglichen Leben begegnen wir Menschen, die sich nicht nach den normierten Vorgaben der Gesellschaft bewegen. Da ist der verwahrloste „Penner“, der an der Ecke steht, die Frau die laut Selbstgespräche führt, der Mann, der nur kurz hinter der Gardine hervorschaut, fast unbemerkt. Jeder bekommt von uns ein Etikett, wird in eine Schublade gepackt. So ist es auch mit Krankheiten, oder etwa nicht?
Wer kennt sie nicht die Grippe: rote Nase, Kopfschmerzen, aufgequollenes Gesicht. Das Mitleid der Umgebung ist einem sicher, man wird umsorgt und alle sind verständnisvoll. Eine Grippe ist vielleicht unangenehm, geht aber spätestens nach zwei Wochen vorbei. Aber wie sieht es aus, wenn die Probleme „nicht nur“ aus Fieber und Halsschmerzen bestehen, wenn Stimmen im Kopf scheinbar alle Gedanken und Handlungen kontrollieren und kommentieren?
Wenn Vorstellungen und Sprache nicht mehr so organisierbar sind, dass ein Zuhörer ihnen folgen kann, welche Konsequenzen hätte das für Studium, das wichtige Vorstellungsgespräch morgen oder die neue, erst eine Woche alte Beziehung?
Man stelle sich vor, man kommt in seine Klasse oder Clique und glaubt, dass einige der Anwesenden schlecht über einen denken und reden. Nun, das kommt vor - wer wird schon von allen geliebt?
Welche Angst würde es aber machen, wenn man fest davon überzeugt wäre, dass viele Menschen einen nicht mögen, ja sogar verabscheuen, so dass sie sich verschwören. Und die Verschwörer verfügen über raffinierte Abhörgeräte, mit denen sie sich in alle vertraulichen Gespräche einschalten und das Gehörte gegen einen verwenden können – immer und überall…
Das Leben entzieht sich zunehmend der eigenen Kontrolle, die Konzentrationsfähigkeit lässt nach, Mahnungen stapeln sich. Dazu kommt noch eine zusätzliche Belastung: die Ausgrenzung durch die Gesellschaft, absolute Intoleranz durch mangelnde Aufklärung. Aufklärung in Bezug auf die Krankheit unter der man leidet: Schizophrenie.
Diese und eine Reihe anderer Probleme können Menschen haben, die an Schizophrenie erkrankt sind. Entgegen der öffentlichen Meinung ist Schizophrenie nicht einfach Labilität, Faulheit oder fehlende Stressfestigkeit, sondern eine ernstzunehmende psychische Erkrankung. Diese ist auch nicht erst im letzten Jahrhundert von Ärzten erfunden worden. Es gab sie schon immer, nur kann man sie heute besser als solche diagnostizieren und behandeln.
Der Begriff Schizophrenie kommt aus dem Griechischen und bedeutet soviel wie „ich spalte den Geist“. Geprägt wurde der Begriff von Eugen Bleuler, einem Psychiater und Freund Sigmund Freuds. Bleuler dachte dabei weniger an eine sprichwörtlich gemeinte Spaltung des Geistes, sondern eher eine Verselbstständigung, eine mangelnde Integration seelischer Teilfunktionen.
Durch Symptome wie Halluzinationen, Konzentrations- und Denkstörungen sowie Sprachverarmung und Willenlosigkeit erleben erkrankte Menschen ihre Handlungen als von außen eingegeben, nehmen sich nicht mehr ausschließlich als handelnde, verantwortliche Personen wahr. Einige betroffene Menschen leiden auch an Überempfindlichkeiten oder sie sehen Gesichter und Figuren verzerrt. Bei manchen Betroffenen wird auch ein verändertes Zeitgefühl festgestellt. Die Intelligenz der Erkrankten ist nicht beeinträchtigt. Einige Schizophrene neigen durch den Leidensdruck der Krankheit und auch durch die veränderte Wirklichkeitswahrnehmung und die permanenten Angstzustände, die bis zu Selbstverletzung und Selbsttötung führen können, weshalb manche Erkrankte eine Gefahr für sich und andere darstellen können. Doch auch andere Erkrankungen können die oben genannten sichtbaren Symptome hervorbringen. Aus diesem Grund ist eine eindeutige Diagnose dieses Krankheitsbildes kompliziert. Die Palette aller möglichen Krankheitszeichen einer Schizophrenie ist groß.
Die Ursachen von Schizohrenie sind noch nicht eindeutig bestimmt. Bekannt ist, dass sowohl die biologische Umwelt, psychische Ursachen als auch Vererbung eine Rolle spielen. Substanzmissbrauch (Drogen, Cannabis, Alkohol etc.) stellt bei etwa der Hälfte der Schizophreniepatienten ein großes Problem dar. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) befinden sich fünf Erkrankungen psychischer Art, darunter auch die Schizophrenie, unter den „Top 10“ der weltweit häufigsten Krankheiten. Die Anzahl psychisch Erkrankter, auch unter jungen Menschen, ist stark steigend. Insgesamt erkrankt ungefähr ein Prozent aller Menschen an Schizophrenie, die damit genauso häufig wie Diabetes auftritt.
Es ist also falsch zu glauben, dass nur bestimmte Bevölkerungs- oder Altersgruppen davon betroffen sein können. Laut heutigem Wissensstand sind Menschen, die an Schizophrenie erkranken, häufig empfindsamer gegenüber Innen- und Außenreizen als andere. Dies muss nicht unbedingt negativ sein, wenn es zum Beispiel um kreative Lebensgestaltung, intensiven Umgang mit Menschen oder ein tieferes Lebensgefühl geht. Dieses drückt sich im günstigsten Fall für die erkrankten Personen in künstlerischer oder wissenschaftlicher Kreativität aus.
Eine teilweise extreme Persönlichkeitsveränderung ist in den meisten Fällen tatsächlich vorhanden, aber nicht auf die Art und Weise wie die Gesellschaft es oft glaubt. Vor und nach Ausbruch der Krankheit sind viele Betroffene oft sehr isoliert, was zu einem gebrochenen Verhältnis mit den Mitmenschen führt, da beide Parteien keinen Zugang mehr zu der jeweils anderen Welt haben.
Die Behandlung schizophrener Patienten erfolgt auf medikamentöser, psychotherapeutischer und soziotherapeutischer Ebene. Psychopharmaka können Symptome lindern oder ganz verschwinden lassen. Manche Patienten können erfolgreich behandelt und geheilt werden. Bei anderen bleiben Restsymptome. Manchmal kehrt die Krankheit nach Genesung regelmäßig wieder, andere werden niemals gesund und können im schlimmsten Fall sogar völlig pflegebedürftig werden.
Wie dieser Artikel entstand:
Der Artikel entstand für die von Studenten gemachte Zeitung „Sojus“ in Sachsen. Die Redaktion trifft sich jeden ersten und dritten Mittwoch im Monat im Semester in der Villa, Lessingstraße 7 in Leipzig.
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