Restauration der Nachtwache und die Bedeutung der Kultur in Europa
Das bedeutende Gemälde von Rembrandt „Die Nachtwache“ wird restauriert. Vor den Augen der Öffentlichkeit und inklusive großem Internet-und Social Media Auftritt. Was hat es mit diesem Gemälde und der Restauration auf sich? Was ist Kultur heutzutage? Und interessiert sich die heutige Jugend überhaupt noch für Kultur?
Rentiert es sich, 3 Millionen Euro in die Bewahrung eines Gemäldes für die nachfolgenden Generationen zu investieren, die sich womöglich nicht dafür interessiert? Ja, was ist das schon, Kultur?
Laut Definition ist Kultur das vom Menschen Gemachte im Gegensatz zu dem von Natur aus Vorhandenen. Was sich ursprünglich auf die landwirtschaftlichen Fähigkeiten bezog, ist inzwischen vielmehr die individuelle und soziale Voraussetzung des menschlichen Lebens. Dazu gehören alle geistigen, künstlerischen und gestaltenden Leistungen, das heißt, neben der Kunst und Geisteskultur auch allgemeine lebensweltliche Zusammenhänge wie Ethik, Recht, Technik und Bildungssysteme. Kurz gesagt: Kultur ist für uns alle wichtig. Für die individuelle und kollektive Identitätsbildung und für unser ganzes Leben.
Sie zeigt uns unsere Wurzeln und unsere Werte. Das ist auch in dem Zeitalter der Digitalisierung enorm wichtig, zu wissen, wo man steht, wo man dazugehört. Es gibt so viele verschiedene Impressionen, Meinungen, Nachrichten und Informationen, dass man geradezu überfordert ist von dieser Vielzahl an Eindrücken und nicht weiß, was richtig ist, was falsch, was wichtig ist, was nicht. Aus der Kultur(geschichte) können wir Rückschlüsse für unser Handeln ziehen. Wir können sehen, wie Menschen früher mit Problemen umgegangen sind, können uns in eine andere Zeit versetzen, uns von unseren Vorfahren inspirieren lassen. Wir können mit Hilfe unserer Kultur Schwerpunkte setzen, Entscheidungen treffen. Und uns so das Leben ein ganzes Stück erleichtern.
Mindestens genauso wichtig ist aber die verbindende Wirkung der Kultur innerhalb Europas. Innerhalb der EU ist die Kultur ein bedeutender Aspekt, der die Menschen in Europa vereinigt und ist damit notwendig zur Bildung einer europäischen Identität, noch viel mehr als die Wirtschaft oder Politik. Wir haben eine lange und vielgestaltige Kulturgeschichte. Das Besondere ist dabei, dass es sich nicht um eine, uniforme Kultur handelt, sondern um ein sehr vielgestaltiges Miteinander unterschiedlicher Kulturen. Es gibt ganz unterschiedliche Sprachen, Denk- und Lebensweisen, Traditionen und Bräuche. Und doch gibt es viele verbindende Faktoren: Ein ähnliches Rechtsverständnis, die gemeinsame Geschichte, gleiche Werte, eine Wertschätzung des Verschiedenen. Man kann in diesem Bezug von einer „Einheit in Verschiedenheit“ sprechen. Auch wenn bestimmte Traditionen oder Bräuche nur in einem bestimmten Land oder einer bestimmten Region gebräuchlich sind, gehören sie trotzdem zum gemeinsamen europäischen Kulturerbe. Deswegen hat es sich die EU auch zum Ziel gemacht, das gemeinsame kulturelle Erbe Europas zu wahren. Dazu gehört unter anderem, die Kultur allen Menschen zugänglich zu machen. Und dafür werden die „neuen Medien“ wie Instagram und co genutzt, um die heutige Jugend zu erreichen.
So auch bei der Restauration der Nachtwache. Kommen wir nun zu den Grundinformationen über das Gemälde. Die „Nachtwache“, fertiggestellt im Jahr 1642, ist das berühmteste Werk des niederländischen Malers Rembrandt van Rijn. Man muss gleich sagen, dass der so populäre Titel nicht von Rembrandt gewählt wurde. Dieser stammt aus dem 19. Jahrhundert, als das Gemälde verschmutzt und dadurch dunkler geworden war, dass man es irrtümlicherweise für eine Nachtszene hielt. Nach der Reinigung wurde erkennbar, dass es sich um ein dunkles Zimmer handelt, das von einem Strahl Sonnenlicht erhellt wird. Das Bild zeigt die Mitglieder der Kloveniersgilde, deren Aufgabe es war, die Stadt Amsterdam zu verteidigen.
Das Gemälde hat sowohl den zweiten Weltkrieg als auch drei Attacken nach Restaurationen beinahe unbeschadet überlebt. Und doch ist es in die Jahre gekommen. Deswegen führt das Rijksmuseum derzeit die größte Restauration seiner Geschichte durch. Dafür wird das Bild seit dem 8. Juli 2019 Millimeter für Millimeter mit einen Makroröntgenfluoreszenzscanner einem „Bodyscan“ unterzogen. Man kann damit die chemischen Elemente und so auch die verwendeten Pigmente bestimmen. Dafür braucht der Scanner aber seine Zeit: Ein Scan, der einen 10 mal 30 cm großen Bereich abdeckt, dauert 24 h. Das Bild wurde bis dato schon einmal komplett durchgescannt, jetzt werden bestimmte Bereiche noch ein zweites oder drittes Mal untersucht. Nach dieser Untersuchung des Bildes, die insgesamt ca. ein Jahr dauert, wird ein Plan erstellt, wie man das Gemälde für zukünftige Generationen erhalten kann. Diese Restauration soll nochmals ca. ein Jahr dauern.
Das hieße, das Gemälde wäre 2 Jahre lang nicht für die Öffentlichkeit zugänglich. Ist es aber! Das Rijksmuseum hat sich etwas Tolles einfallen lassen: Das Bild wurde in die große Ehrenhalle transportiert und dort von einem Glaskasten umgeben. Dort arbeitet nun der Scanner und die Besucher können zusehen. Und nicht nur das: Auch im Internet kann man dabei sein. Ob man auf instagram die neuesten Erkenntnisse zu dem Bild bekommt oder bei einem Livestream hautnah bei der Restaurierung dabei ist, hier ist alles möglich. Dadurch können Menschen auf der ganzen Welt ein Teil dieser Aktion sein. Und genau das ist dem Museum so wichtig, denn „die Nachtwache gehört allen“. Natürlich hofft man auch, das Interesse für Kunst bei den jungen Menschen zu wecken. Doch funktioniert das?
Bisher sind die Bilanzen positiv. Es kommen viele Leute, um sich die Aktion anzusehen, darunter auch viele Kinder und Jugendliche, ob nun alleine, mit der Familie oder der Schulklasse.
Ich glaube, auch unsere Generation interessiert sich noch für Kultur oder wird sich dafür interessieren in Anbetracht der großen Anzahl interessanter kultureller Angebote wie kostenlosen Museumsbesuche, vergünstigten Konzerttickets, Bildungsprogrammen oder eben auch Online-Livestreams. Und wenn nicht, auch wir werden ins Alter kommen, in dem wir Museumsbesuche und andere kulturelle Aktivitäten zu schätzen lernen.
Clara Lengenfeld
Quellen:
Rijksmuseum
https://www.rijksmuseum.nl/en/nightwatch
https://beleefdenachtwacht.nl/en/thema/heden
https://beleefdenachtwacht.nl/en/tour/operatienachtwacht/reason
httphttps://beleefdenachtwacht.nl/en/thema/geschiedeniss://europa.eu/european-union/topics/culture_de
https://www.kulturrat.de/themen/texte-zur-kulturpolitik/kultur-als-verknuepfendes-element-in-europa/
http://www.bpb.de/gesellschaft/bildung/kulturelle-bildung/59917/kulturbegriffe?p=all
https://www.ikud.de/glossar/kultur-kulturbegriff.html
https://www.sueddeutsche.de/politik/notre-dame-europa-aufbau-1.4415109
https://www.owep.de/artikel/254/europaeische-kultur-phantom-oder-wirklichkeit
http://www.europarl.europa.eu/belgium/resource/static/files/secondaire/de/kapitel3._eine__einzige__europaische_kultur.pdf