Polen und Litauen – In der Vergangenheit vereint, in der Gegenwart unterkühlt
„Ich war im Sommer in Polen. Aber im wirklichen Polen, nicht in Vilnius.“ Mit diesen Worten beginnt ein Schüler in meiner ersten EFD Woche in Litauen, über seine Ferien zu reden. Seit dem verfolgt mich dieses Thema. Eine polnische Minderheit sollte doch kein Problem sein für ein Land, das den Großteil seiner Vergangenheit in Unionen mit anderen Ethnien verbracht hat, oder doch?
Polen und Litauen. So nahe diese beiden Länder einander auch geographisch sind, so fern wollen sie einander manchmal sein. Ein Streitthema dominiert die Beziehung der beiden Länder schon seit dem Ende des ersten Weltkrieges. Damals war da Gebiet um die heutige Litauische Hauptstadt Vilnius (dt. Wilna) großteils polnisch besiedelt, da Polen und Litauen lange politisch eins waren. In der gemeinsamen Union gewann Polen die Überhand, bis Litauen 1918 zur eigenständigen Republik wurde.
Im Vertrag von Suwalki von 1920 bestätigte Polen, dass das großteils polnischsprachige Gebiet rund um Vilnius nun zu Litauen gehören würde. Zwei Tage später kam es zum Angriff, der von Polen als Volksaufstand beschrieben wurde und das Gebiet „Mittellitauen“ wieder zu Polen gehören ließ. Kaunas wurde „vorübergehende Hauptstadt“ Litauens. Während des Verlaufs des zweiten Weltkriegs wurde Litauen Teil der Sowjetunion und Vilnius wieder Teil der Autonomen Sowjetrepublik Litauen. Auch nach dem Zerfall der UdSSR blieb Vilnius litauisch.
Heute lebt in Litauen, besonders in und um Vilnius, eine polnische Minderheit. Insgesamt gehören ihr etwa 7 % der Litauer an. Ihre Sprache wird gemeinhin als „litauisches Polnisch“ bezeichnet. Die „Wahlaktion der Polen Litauens“ ist, dank einem Stimmenanteil von 6 %, im Parlament von Litauen vertreten.
Diese 7 % der Bevölkerung erfahren in Litauen Diskriminierungen durch den Staat. So gibt es zum Beispiel in Litauen mehrere Buchstaben des polnischen Alphabets, wie etwa das W nicht. Dadurch dürfen viele Polen ihren Nachnamen auf Dokumenten nur in einer litauischen Version verwenden. Zusätzlich lehnt Litauen prinzipiell die Verwendung von polnischen Orts- und Straßennamen ab, egal wie viele Einwohner polnisch sprechen.
Diese Misstände werden fast nur von der polnischen Regierung in Warschau, nicht aber von der Minderheit selbst aufgezeigt. Viele Litauer sehen dieses Problem daher als „künstlich erzeugt“ an. Politisch rechtfertigt sich Litauen, nie die „Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ unterschrieben zu haben. Dieses Verhalten eines Staates ist einfach nur stur und feige gegenüber eigenen Bürgern.
Dass ein grundsätzlich sehr kleines Problem einen „kalten Frieden“ zwischen zwei Nachbarstaaten bestimmen und lenken kann, ist eigentlich nicht unüblich, aber höchst bedauerlich. Ein Schritt in die richtige Richtung könnte gemeinsames Projekt sein, dass das Baltikum durch Polen mit Energie aus Europa versorgt. Eine Pipeline wird Polen und Litauen verbinden. Hoffentlich kann dadurch nicht nur der Gasaustausch, sondern auch der polnisch-litauische Dialog intensiviert werden.
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