Ohne Kaffee, ohne mich!
Die erste ganze Woche ist vorbei. Auch wenn es mit den Kindern noch nicht ganz rund läuft, geht's mir voll okay.
Ich bin zurück, Freunde der Sonne! Im wahrsten Sinne des Wortes. Hier in Cluj sind es seit meiner Ankunft gnadenlose, wind- und wolkenlose 29 Grad. Ugh, willkommen im September – besonders an mich, die genau zwei kurze Hosen eingepackt hat.
Na ja, nun habe ich meine erste wirkliche Woche hinter mir, und auf der breiten Palette der Emotionen kam bei mir bereits alles vor. Angst, Freude, Heimweh, Trauer, Spaß, Wut – Nervosität! Oh mann, war ich am ersten Tag aufgeregt. Und das zurecht. Die Arbeit mit den Kindern ist zugegebenermaßen zu Beginn noch verdammt schwierig. Das wird sich laut der Erzieherin nach ein, zwei Monaten bessern – aber im Moment, hui.
"Ich tu alles für die Kids und das is' kein Witz"
Ich arbeite mit den ein- bis zweijährigen. Zwar sind Kinder in Rumänien nach meiner Erfahrung körperlich deutlich taffer als deutsche – die hauen sich den Kopf an der Schaukel an oder fallen vom Bobbycar und es interessiert sie absolut nicht. Emotional hingegen sind sie ein wahres Minenfeld!
Okay, also, da ist ein einjähriger Junge, der von morgens bis abends durchgängig weint und schreit. Keine Übertreibung. Er hört erst auf, wenn seine Mutter zurückkommt, und macht nur Pausen wenn er einschläft. Natürlich, denn er ist wohl zum ersten Mal von ihr getrennt und versteht wahrscheinlich nichtmal, dass sie nachmittags zurückkommt. Ich versteh das – ich hab ja auch Heimweh... Wir tragen ihn alle abwechselnd sehr oft auf dem Arm. Dafür ist seine achtjährige Schwester auf einer deutschen Schule und hat viel Spaß daran, mit mir zu üben. :D
Ein anderer Junge hat wohl beschlossen, mich zu hassen, denn er kriegt die Krise wenn ich ihm auch nur zu nahe komme, vom Lätzchen-anziehen oder Tränen-abwischen ganz zu schweigen! Dann gibt es noch Zwillinge, die ich scheinbar total einschüchtere (WIE, frage ich mich? In der Schule war mein Spitzname wirklich „Mesut Özil“, weil ich so große unschuldige Augen habe...), denn sie fliehen sofort wenn ich in der Nähe bin und gucken mich dann aus der Ferne skeptisch an. Eine von ihnen und noch ein anderes Mädchen hängen so sehr an der Erzieherin, dass sie gefühlte Nahtoderfahrungen durchleben wenn sie mal kurz den Raum verlässt oder auch nur ihren Arm loslässt. Sofort heulen und schreien sie wie am Spieß, hauen an die Tür und schlagen nach allen, die sie trösten wollen. Nichts kann sie beruhigen, bis die Erzieherin sie wieder an der Hand hält.
Und dann gibt es noch zwei Kinder die mir einigermaßen vertrauen – einer vertraut sowieso allen blind, ich hab ihn lieb. Den anderen musste ich mir erarbeiten, aber mittlerweile habe ich mir das Privileg verdient, dass ich ihm die Schuhe anziehen darf. Wer hätte gedacht, dass mich das stolzer macht als jede Eins, die ich je geschrieben habe.
Es ist für mich natürlich ungleich schwieriger, weil ich kein Ungarisch spreche und der Kurs erst nächsten Monat beginnt. Zum Kommunizieren drücke ich den Kindern also irgendwelche Spielzeuge in die Hand oder sage ihren Namen, toll... ich eigne mir ein paar Wörter an und hab natürlich auch schon bisschen was aufgeschnappt, aber eine tolle Zuhörerin bin ich für die Kleinen natürlich nicht.
Aber meine Güte, das wird schon.
50 Euro sind doch kein Schnäppchen
Und es sind auch prima Sachen passiert – ich meine, HEY, ich habe endlich eine Kaffeemaschine. ♥ Das macht mein Leben so viel besser, lang hätte ich den löslichen Kaffee nicht mehr ertragen. Dabei war es eine Höllenfahrt, an die Maschine zu kommen – meine Mutter hat sie mir per Post geschickt, und beim Postamt sprechen die Mitarbeiter kein Wort Englisch. Zum Glück sind die Rumänen super hilfsbereit und lieb. Zweimal übersetzten Leute hinter mir in der Schlange, ohne dass ich überhaupt danach fragte – und obwohl ich ihnen mit meiner Sprachbarriere wohl 20 Minuten ihrer Zeit stahl!
Und ein Fahrrad habe ich mir auch gekauft, für 230 lei. Emoke, die Frau unseres Koordinators, hat mich auf den Flohmarkt mitgenommen und es mit mir gekauft. Sie ist so lieb und fürsorglich, einfach toll! Ich hielt die umgerechneten 50 Euro für einen guten Preis, bis Freunde mir ihre Räder für nichtmal 35 Euro vorführten. .____. Trotzdem, ich liebe das Rad. Es ist alt und klapprig, hat keinen Ständer mehr, keinen Gepäckträger und auch keine Reflektoren, die Gangschaltung ist kaputt. Aber als ich damit über die stickige Hauptstraße in den Park bis zum See fuhr und Mustang Sally und Penny Lane hörte, fühlte ich mich zum ersten Mal richtig zugehörig zu der Stadt.
Außerdem war ich bei einem klassischen Konzert! Meine Mitbewohnerin Johanna hat mich hingeschleppt – in der großen Theaterhalle spielte ein ungarisches Orchester und sie steht total auf Klassik. Eine Mutter aus der Kita brachte uns irgendwie – fragt mich nicht wie – kostenlos rein, dafür mussten wir auf den Treppen sitzen, was in dem prunkvollen Gebäude total abstrakt war! Ich muss sagen, es war sogar faszinierend. Als absoluter Laie kann ich euch keine tiefere Rezension als das bieten. Aber wir haben uns danach noch eine Flasche billigen Sekt gekauft. (Den Alkie aus Shotgläsern trinken wollte :D)
Essbare LKWs?
Freitagabend war ich mit Olivia, einer Freiwilligen aus Österreich aus einem anderen Projekt, auf dem Septemberfest. Ist eine Anlehnung ans Oktoberfest, aber im Grunde nur eine Kirmes mit vielen Tischen – und VIEL Fleisch! Meine Güte, essen die Rumänen viel Fleisch! Meterlange Grills nur mit verschiedenen, vor Fett triefenden Würsten, Schnitzeln, Spießen etc. Ich will hier kein Vegetarier sein.
Aber es war sehr lustig. Olivia zerrte mich auf den Autoscooter, auf dem ich seit meiner Kindheit nicht mehr war. Und sie spricht so österreichisch. Jetzt weiß ich, dass man einen Leberkäse im Brötchen – sorry, im „Wecken“ - tatsächlich „LKW“ nennt, wtf?!
Später stieß noch Fabian dazu, der sich auf dem Weg hoffnungslos verlaufen hatte. Obwohl statt dem versprochenen DJ eine schlechte Coverband spielte, war es echt lustig mit den beiden. Und gaaanz viel später kam dann noch der ganze Rest. Als wir gingen, plauderten wir an einem Stand noch mit einem Mann aus Deutschland, der seit 12 Jahren überall in Rumänien Currywurst verkauft (#goals).
Also, jetzt geht es erst richtig los. Ich übe täglich rumänisch und will mich bald mit meinem neuen Rad mehr in der Stadt umgucken – vielleicht kann ich an der Uni Leute kennenlernen, oder in cooleren Bars oder in der Schwimmhalle oder auf Festivals, die hier irgendwie wöchentlich sind... und ich möchte unbedingt das Vertrauen der Kinder gewinnen. Ich freu mich drauf!
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