North Berwick, mehr vom Strand
Und so geht die Geschichte vom entspannten Wochenende bei Angelika weiter: zwei Seelen, die im gleichen Tagesplanungstakt schwingen, hatten sich gefunden. So klang das Wochenende aus, wie es begonnen hat: ganz locker, flockig, schön gemütlich. Jetzt will Johannson nicht mehr weg von der Insel.
Episode II: Französisch lernen, Französisch essen
Natürlich wachte ich am nächsten Tag einmalig pünktlich um acht Uhr auf. Arbeitszeit, hurra! Allerdings ist selbst Routine nichts gegen mein Schlaftalent, das mich dann bis kurz vor Mittag auf diesem herrlichen, großen, bequemen Bett weiter schlummern ließ.
Vor dem Aufstehen nahm ich mir noch etwas Zeit, das Zimmer mit bekanntem Ergebnis zu bewundern, sehr angetan von den zwei französischen Lernkalendern. Ich hab mir nur die gerade aufgeschlagene Geschichte durchgelesen und ich weiß immer noch was „J’ai envie...“ bedeutet. Auf so etwas hätte ich selbst kommen sollen.
Mit Angelika als noch größerem Morgenmuffel als mir hatte ich noch etwas Zeit, schlaftrunken auf die Strasse zu gehen und nach einigen lebensnotwenigen Ingredienzen für ein gepflegtes Frühstück zu suchen, die zu finden mich aber sowohl Zeit als auch Nerven kostete. Dabei hätte ich mich noch fast verlaufen. Man glaubt es nicht, in einer Stadt wie North Berwick. Aber es hat sich auch hier gelohnt: Ich hatte die Croissants, Angelika die Nutella.
Muss i denn, muss i denn...?
Es war wirklich schön mal jemanden zu treffen, dessen bevorzugte Tagesplanung meiner so ähnlich ist. Lange Essen, gemächliche Planung, Ruhe und Gemütlichkeit, alles war da.
Den Nachmittag haben wir mit einem weiteren langen Spaziergang durch den Ort gefüllt. Auch wenn es zunächst beständig regnete, wir den angestrebten Hügel aufgrund des Wetters nicht bestiegen haben und die Schuhe am Ende auch durchgeweicht waren. Was soll’s, später brach die Sonne durch und wir sind an der Mole entlang zum kleinen Hafen der Stadt geschlendert.
Ganz zum Schluss statteten wir dem örtlichen Café noch einen Besuch ab, wo wir sogar ein Sofa okkupieren konnten und zusammen die Werbelieder unserer Kindheit sangen. Was war das gemütlich! Tja und dann, dann wurde es schon wieder Zeit, die Zelte wieder abzubrechen. Verabschiedet haben wir uns, wie wir uns begrüßt hatten: am Bahnhof neben der kleinen Bummelbahn zurück nach Edinburgh.
Zu Hause wieder über den Hügel, wo Dir die Wildblumen inzwischen bis zu den Knien gehen.
So fine, this weekend feeling
Was soll ich Euch sagen? Ich bin begeistert, ich bin absolut begeistert! Immer noch! Wie gut muss eine Zeit sein, wenn man sie bereits währenddessen als fantastisch erkennt? Begeistert über die unspektakuläre Einfachheit, mit der dieser ganze improvisierte Überfall funktioniert hat. Wir haben ja gar nichts Besonderes gemacht, doch gerade diese gemütliche Wochenend-Nachmittags-Atmosphäre war toll.
Wieder einmal hat sich erwiesen: nicht soviel nachdenken, ausprobieren. Und ich bin fast ein wenig stolz, es gemacht zu haben, denn es liegt ja so gar nicht in meinem Charakter. Doch so hat man was gemacht, anstatt allein rum zu sitzen. Antizeit-Reisen at it’s best.
Und was genauso wichtig ist: Angelika hat es auch gefallen, denn sie wäre ja sonst ebenfalls allein gewesen. Kein Grund für ein schlechtes Gewissen. Selbst Paul hatte was zum Lachen, nachdem ich spätabends wieder auf der Farm war. Er meinte, er wird die nächsten zwanzig Jahre jeden Abend das Haus putzen, nur für den Fall, dass ich am nächsten Tag unangekündigt vor der Tür stehe. Na ja, bis jetzt hat er sich nicht dran gehalten…
Kommst Du nicht zur Heimat, kommt die Heimat zu Dir
Da war also ein unerwarteter Grund zum Schreiben. Eigentlich hatte ich ja wenig zu berichten. Ich war zwar eine Woche mit meinen Eltern unterwegs, aber darüber schreibe ich nicht, ist ja erstens mehr Heimat als Ausland und zweitens: wo würden wir bei einer Woche hinkommen?
Ohnehin hat mich ihr Besuch mit gemischten Gefühlen zurück gelassen. Wie ich schon vermutet hatte, fehlt mir inzwischen einfach die Geduld und manchmal wurde ich bis zur Weißglut gebracht. Natürlich wird man sich wieder daran gewöhnen. Aber genau davor habe ich Angst. Mein Englisch wurde verkrüppelt und sofort war ich wieder dabei, mich um nichts mehr kümmern zu müssen.
Zumindest war Hanni das erste Wochenende mit uns, leider nicht länger, dass war wirklich schön. Schön waren auch unsere Reiseziele: endlich, endlich der Lake District, danach Galloway in Südwestschottland, wo ich zum ersten Mal Haggis probierte. Und zurück ginge es entlang des Hadrianswalls. Eine Nacht haben sie hier auf der Farm übernachtet und ich konnte sie mit meinen Lebensumständen hier neidisch machen.
Dann sind sie wieder auf und davon, Richtung Edinburgh. Inzwischen befinden sie sich wieder auf dem Rückweg, wie mir in Karten regelmäßig mitgeteilt wird. Und ja, scheinbar hab ich sie in North Berwick nur knapp verpasst. Aber ich sehe sie ja noch früh genug wieder.
Völlig fertig
Ansonsten bin ich ziemlich im Examenstress. Nicht, dass die Prüfungen so schwer wären. Mehr, weil sie zu so dämlichen Zeiten liegen, dass ich immer wieder ganze Arbeitstage verpasse. Heute hab ich endlich die englische Leseprüfung abgehakt. Jetzt nur noch Französisch Lesen und dann brauch ich hier keine Handstände mehr machen und mich schlecht fühlen, weil ich mal einen Nachmittag, mal einen Vormittag nicht da bin. Wo ich ja ohnehin schon mehr weg als auf der Farm bin.
Was im Übrigen auch viel zu spät fertig ist, ist die Präsentation über den EVS-Platz hier. Die, wie ich nun auch erfahren habe, mein persönliches Projekt war. Und schon kommt die nächste Verspätung aus dämlichen Gründen: ich kann die Kopien für Mareen und Rebekka nicht abschicken, weil wir keine passenden Umschläge haben.
Der Anfang vom Ende
Ansonsten gehen so die ersten Dinge zu Ende. Montag war die letzte Französischstunde, jetzt kann ich nur noch hoffen, rechtzeitig für September in Templin angemeldet zu werden.
Auch von anderer Seite trudeln die Abschiedsmeldungen ein. Nora vom Ausreisetraining schickte uns die letzten polnischen Neuigkeiten aus ihrem Camp Rodowo, bald ist sie wieder zu Hause. Aus ihrem Brief ein paar Zeilen, die einige, sehr wahre Aspekte einfangen. „...und irgendwie war es doch ein bisschen ein Traumjahr, in dem ich mich nicht um Geld oder Bürokratie oder Noten oder sonstiges kümmern musste. Ich hatte die Chance, viel zu reisen und Reisen für mich zu entdecken und dafür bin ich dankbar...“
Nur für den Fall, dass Ihr denkt, ich nähme es als selbstverständlich hin, hier zu sein und wüsste nicht, was es mir ermöglicht. Ich bin mir bewusst, dass ich auf Kosten anderer Leute lebe. Aber wisst Ihr was? Das ist mir egal. Ich will hier bleiben!