Nordirland zwischen Frieden und Konflikt - Teil 2: A divided society
Shared Space oder Segregation?
Wie stark teilt sich noch heute die Gesellschaft in Nordirland?
Belfast selbst ist an vielen Stellen immer noch eine geteilte Stadt und meistens kann man schon an der Adresse erkennen, zu welcher “Community” (Catholic/Protestant) jemand gehört.
Im Groben sieht das so aus:
West Belfast: hauptsächlich “Catholics”, protestantische Minderheit
East Belfast: hauptsächlich “Protestants”, katholische Minderheit
North Belfast: gemischt, hier ändert sich die “Community” an jeder zweiten Straßenecke, weswegen es während des Konfliktes besonders hier zu Ausschreitungen kam, da alles sehr nah beieinander liegt.
South Belfast: viele Studenten, Mittelstand, Migranten, meist keine eindeutige “Community”
Die Stellen, an denen Protestantische und Katholische Stadtgebiete aufeinandertreffen, nennt man auch “Interface Areas”. Oftmals gibt es dort in irgendeiner Form eine Trennung, das können große Straßen, Brücken, ein Fluss (wie bspw. In der Stadt Derry) oder sogar Mauern und Zäune mit Stacheldraht sein.
Die Anzahl der sogenannten “Peace Walls” hat sich seit dem Friedensvertrag 1998 sogar erhöht und die jeweiligen Mauern wurden auch immer höher gebaut. Für viele Anwohner bedeuten sie Sicherheit und Schutz und schlichtweg eine physische Barriere, die “die andere Seite” davon abhalten soll, Dinge wie Backsteine oder Molotow Cocktails zu werfen. Mittlerweile sind die Tore in diesen Mauern zumindest tagsüber geöffnet, nachts werden viele aber immer noch geschlossen, was zu unangenehmen Überraschungen führen kann, wenn man auf einmal einen meilenweiten Umweg laufen muss, um wieder auf die andere Seite zu gelangen. Diese Interface Areas sind in der Regel wirtschaftlich schwach und wer es sich leisten kann, zieht in einen anderen Teil der Stadt, weg von den Mauern. In diesen Arbeitervierteln gibt es eine hohe Arbeitslosigkeit und auch das Bildungsniveau bleibt meist niedrig, besonders unter der protestantischen Bevölkerung.
Es gibt sogar 'katholische' und 'protestantische' Pubs und früher gab es sogar unterschiedliche Bushaltestellen für Protestants und Catholics, um Unruhen zu vermeiden und heute noch gibt es eine Art Doppelversorgung von Einrichtungen. Ein Gutes Beispiel dafür sind die Leisure Centres an der Falls (katholisch) und Shankill Road (protestantisch), die gerade einmal knapp einen Kilometer voneinander entfernt sind. Eigentlich würde ein Centre reichen, da dies aber eine Interface Area ist und von einer Peace Wall getrennt wird, gibt es eins für jede Community. Diese Doppelversorgung führt jährlich zu Mehrausgaben von bis zu einer Milliarde Pfund und ist u.a. Ursache für die schlechte finanzielle Lage, in der sich Nordirland momentan befindet.
Die Teilung merkt man sogar bei öffentlichen Verkehrsmitteln, denn alle Busse verkehren ins Stadtzentrum zum Rathaus. Es gibt keine Ringbusse, wodurch man manchmal zu Fuß schneller von A nach B kommt, da man sonst zwei Busse nehmen müsste. Dies liegt daran, dass es früher regelrechte Checkpoints ins Stadtzentrum gab, um Menschen besser auf eventuelle Bomben oder Molotovcocktails zu überprüfen. Dies war mit einer einzigen zentralen Checkpoint Stelle natürlich einfacher.
Auch Schulen sind heute noch hauptsächlich in State Schools (protestantisch) und Catholic Schools unterteilt, nur ca. 3% der Schüler gehen auf sogenannte Integrated Schools. Das führt natürlich dazu, dass sich die beiden 'Communities' relativ selten persönlich begegnen und gerade Jugendliche, die sich nun einmal hauptsächlich im örtlichen Wohngebiet oder der Schule aufhalten, sind davon betroffen. Kennt man jedoch 'die andere Seite' nicht, ist es relativ leicht, Vorurteilen Glauben zu schenken und das Misstrauen der vorherigen Generation weiterzutragen. Deshalb gibt es mehr und mehr sogenannten 'Cross Community' Projekte von Jugendclubs und Jugendorganisationen (wozu auch meine Organisation gehört), die Möglichkeiten für Jugendliche beider Communities bieten, sich kennenzulernen und festzustellen, dass man ja eigentlich gar nicht so verschieden ist. Ihr seht schon, 'community' ist hier so ziemlich das meist genannte Wort. ;)
Generell ist hier alles politisch: neben der Schule auf die du gehst oder das Wohngebiet aus dem du stammst, kann (muss jedoch nicht!) auch dein Name sehr klar verraten, woher du kommst, denn es gibt z.B. typische irische Namen wie Aine, Caiomhe, Oisín oder Seán (die übrigens oft Verwirrung am Telefon mitbringen, gerade als Freiwillige aus dem Ausland). In den katholischen Gebieten findet man sogar oft Klingelschilder auf irisch und es gibt irisch sprachige Kindergärten oder Schulen. Irisch kann in diesen Gebieten also die Erstsprache mancher Menschen sein. Selbst Sport ist von der Politik nicht ausgeschlossen, Hurling/Gaelic wird also eher von Catholics gespielt, Fußball eher von Protestants. Zum Glück sind jedoch auch hier die Grenzen mittlerweile aufgeweicht.
Mittlerweile gibt es eine ganze Generation, die nach dem Friedensvertrag aufgewachsen ist.
Hier geht es weiter mit Teil 3.