Nicht so schlimm? Wie die „neue Rechte“ versucht, die Geschichte umzuschreiben
Die sogenannten Identitären, die „neue Rechte“ schwelgt im Geschichtsrevisionismus: Sie relativeren Straftaten der Nazis und verherrlichen den Zweiten Weltkrieg. Wieso versucht man so etwas demokratiefeindliches wieder salonfähig zu machen? Wer ist diese neue, rechte Generation?
Nach längere Zeit im Ausland kehrte ich vor Kurzem in meine alte Heimatstadt Halle zurück, und erschrak fast, als ich an einem alten Gebäude in der Innenstadt vorbei schlenderte: Das Haus ist völlig beschmiert, mit verschiedenen Farbbomben attackiert worden und mit Schimpfwörtern übersät. Ich brauche aber auch nicht lange, um herauszufinden, wer dort wohnt: Dies ist tatsächlich das Hauptquartier der „Identitären Bewegung“, einer rechten Organisation.
So neu ist die „neue Rechte“ allerdings nicht: Bereits in den 1970er Jahren spaltete sich ein Flügel der extremen Rechten in Deutschland ab und wollte sich mit ihren Namen bewusst von Neonazis abgrenzen. Im Gegensatz zu den grölenden und brutalen Skinheads des letzten Jahrhunderts stellten sie die intellektuelle, akademische Rechte dar. Ihr Fokus lag und liegt weniger auf Gewalttaten, sondern auf eine Beeinflussung des gesellschaftlichen Diskurses: Deswegen gründeten sie Zeitungen, publizierten Bücher, organisierten Diskussionszirkel und arbeiten in ThinkTanks wie dem Institut Für Staatspolitik. Mit dieser theoretischen Arbeit wollen sie vor allem eine Grundlage schaffen für ihr rechtes, rassistisches Gedankengut - Und sie wollen den öffentlichen Diskurs beeinflussen. Dieser ist gerade in Deutschland stark nach rechts gerückt: Was mittlerweile öffentlich im Fernsehen und der Politik diskutiert wird, war vor einigen Jahren nicht einmal denkbar : Heute gibt es wohl kaum einen Politiker oder eine Politikerin mehr, der oder die sich völlig zu einer Integrationsgesellschaft bekennen würden
Viele dieser neuen Rechten wollen auch die „Schuldkultur“, die Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg trüge, ablegen: Auch wenn sie den Holocaust offiziell nicht leugnen, so relativieren sie ihn aber enorm und wollen ihn nicht als zentrales Element der deutschen Geschichte sehen. Selbst aus dem rassistischen Weltbild des sogenannten „Ethnopluralismus“ werden Juden meistens verdrängt und ihnen wird kein Raum zugestanden: Diese Ideologie besagt, dass jedes Volk seine eigenen Eigenschaften, seine eigene Kultur und seinen eigenen Raum hätte - Und das dies auch nicht vermischt werden sollte. Damit unterscheiden sie zwischen menschlichen Rassen und wollen eine „Rassenmischung“ vermeiden, unter dem rassistischen Ideal der Rassenreinheit.
Die Identitäre Bewegung und die AfD sollte man noch einmal unterscheiden, obwohl es auch viele personelle und thematische Überschneidungen gibt und beispielsweise in dem Haus in meiner Nachbarschaft sowohl der das Hauptquartier der neuen Rechten ist als auch ein Büro eines AfD-Abgeordneten. Der Erfolg von AfD und PEGIDA sind als der Ausdruck einer bürgerlich-konservativen bis rechten Bevölkerungsgruppe, die sich bislang politisch weniger engagiert hatte. Die Identitäre Bewegung schließt sich ihnen allerdings gerne an - Und nutzt ihr Netzwerk. Damit verbindet sich sozusagen rechte Theorie und Praxis, und sind damit handlungsfähiger und gefährlicher denn je.
Gerade in Zeiten, in denen rechtspopulistische Strukturen sich ausweiten und in ganz Europa die Politik und Gesellschaft erobern, sollten wir, als eine europäische Generation, die sich zu Menschenrechten und humanitären Werten bekennt, ein Zeichen dagegensetzen.
Mehr Infos über die Identitäre Bewegung und Quellen:
https://www.huffingtonpost.de/2016/05/16/identitaere-bewegung-martin-sellner-_n_9984260.html?ec_carp=5842826768557257488
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/identitaere-bewegung-mauer-vor-wahllokal-keine-konsequenzen-14824597.html
https://www.demokratie-leben.de/wissen/glossar/glossary-detail/geschichtsrevisionismus.html