"My corridor is your corridor" und Deutsche über Deutsche in Riga
Ein Wochenendausflug nach Kurtuvenae und Riga.
05.09.2010
Wiedereinmal komme ich mit Mariela spät abends, kurzfristig und fast unangemeldet in Kurtuvenae, einem kleinen Dorf in der Nähe von Šiauliai, das neben einem großen Regionalpark liegt, an. Das Haus, in dem unsere Freunde, zwei Deutsche, eine Französin und ein italienischer Brasilianer wohnen und das gleichzeitig das Informationszentrum des Regionalpark ist, hat keine Klingel, aber die Tür steht offen. Deshalb betreten wir es einfach und gehen in den ersten Stock, in die Wohnung der Freiwilligen. Nach einigen „Labas Vakaras?“ („Guten Abend?“) - Rufen kommt Fine, eine FÖJlerin aus Magdeburg verschlafen aus ihrem Zimmer und 2 Minuten später sitzen wir gemeinsam in der gemütlichen Küche und trinken Tee und Kaffee.
Als nach einiger Zeit auch Fabio, der italienische Brasilianer, ebenfalls Bewohner der Wohnung mit Lea, einer Französin, die in einem anderen Dorf im Norden Litauens als Freiwillige arbeitet, zu Hause ankommt, wird die Atmosphäre noch lockerer, noch lustiger, die Gespräche lauter und schneller – ich fühle mich noch wohler.
Um halb 2 morgens sitzen also ein Brasilianer, eine Deutsche, eine Französin und eine Bulgarin in einem entlegenen kleinen Dorf in Litauen und essen gemeinsam Pasta – das ist EVS! – und ich freue mich auf eine erholsame Nacht auf dem Gang der Wohnung. Auch Fabio schläft meistens dort, weil er findet, dass das Licht in seinem Zimmer frühmorgens zu hell ist und er teil ihn erneut gerne mit uns - „My corridor is your corridor“.
Einige Stunden später gehe ich durch die Straßen Rigas – Mariela spielt, da sie schon einmal hier war, erstaunlich gut den Fremdenführer – bewundere die wunderschönen Jungendstilfassaden, die gotischen Kirchen, die verwinkelten Gassen in der Altstadt mit den deutschen Namensschildern, unterhalte mich mit einem Fotographen von Nationalgeographic, einigen Finnen und stolpere alle 5 Meter über deutsche Reisegruppen. Als Mariela und ich neben der „Milda“, dem Freiheitsdenkmal, stehen, und ich mal wieder einige Deutsche an mir vorbei gehen höre, es sind sogar Bayern, schaue ich sie anscheinend so unverhohlen an, um ihren Worten zu lauschen – seit Steffi weg ist, ist Skype meine einzige Gelegenheit mich auf Deutsch zu unterhalten – dass sie stehen bleiben. Bald ist ihnen klar, dass ich auch aus Bayern bin und wir unterhalten uns, sie wollen wissen wer wir sind, was wir tun, warum eine Bulgarin und eine Deutsche gemeinsam unterwegs sind – die üblichen Fragen.
Die Idee von einem Freiwilligen Sozialen Jahr finden sie besonders gut. Als sie hören, dass wir gerade erst in Riga angekommen sind, geben sie uns Tipps wohin wir gehen sollen. „Ihr müsst unbedingt auf den Turm der Petrikirche gehen, da hat man einen Ausblick über ganz Riga!“ - „How much does it cost? You know, we are volunteers, so we dont have a lot of money...“, antwortet Mariela, die zur Zeit mal wieder sehnlich auf das Gehalt des nächsten Monats wartet. „It s not too expensive, it s maybe like 3 Lats or something.“ - „Actually we dont even have any Lats yet, we still need to exchange some.“ - „Really? Oh you know what?“, einer der Männer kramt in seiner Hosentasche und zieht seinen Geldbeutel hervor, „I think it s really awesome that you are devoting a whole year of your life to a good cause to be volunteers, and I really want you to go on top of the tower, because the view is stunning!“ Überrascht sehe ich ihn an, doch schon ziehen auch die anderen ihre Geldbeutel hervor.
Als sich unsere Wege schließlich trennen, sind Mariela und ich um 15 Lats (ungefähr 20 Euro) reicher. Das ist genügend Geld für alle unsere Pläne – Postkarten und Kaffee/Tee, und natürlich fahren wir zur Spitze des Petriturms – und am Ende haben wir sogar noch ein paar Lats übrig.
Natürlich haben sie Recht und die Aussicht ist wunderschön, sowie Riga generell. Hierher will ich auf jeden Fall noch einmal zurückkommen.
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