Menschen und Hunde
In einer Nacht durch halb Europa - und trotz Warnungen keine einzige Messerstecherei! Die Warnungen vor den vielen Straßenhunden hat Johanson aber bestätigt gefunden...
All you can see
Was hatten mir die Bulgaren Angst gemacht vor der Busfahrt. Grölende Prolls und verschlagene Kriminelle sollten die Sitze füllen. Stattdessen hat mich eine Freundin zum Bahnhof gebracht, der Obhut anderer Bulgaren übergeben, die mir zu einem Ticket verhalfen, und bevor wir Leipzig erreicht hatten, hatte ich eine Studentin kennen gelernt, mit der ich mich unterhielt, und die nächsten 30 Stunden schrumpften zu einem leicht verlängerten Übernachttrip. Kein einziges Messer würde gezückt, nicht mal der Geruch von Dosenbier lag in der Luft – beinahe Zivilisation!
Was auch immer ich bisher gemacht habe, diese Nacht war wirklich Europa. In 24 Stunden habe ich Dresden, Prag, Brno, Bratislava, Budapest, Belgrad und die karstigen Berge des Balkans gesehen. Außerdem die Raststätten Europas, die von Magdeburg bis Sofia alle gleich aussehen. Ich habe mich in 4 Sprachen geschämt, nicht danke sagen zu können. Zum ersten Mal in meinem Leben brauchte ich meinen Reisepass.
Sofia Hilton
Seit Samstagnachmittag bin ich in Sofia. Kalina und ihre Mutter holten mich ab und brachten mich zu meiner (!) Wohnung. Die liegt in einem neu gebauten Komplex mit direktem Blick auf die Berge. Ich weiß bis heute nicht ganz, was ich dazu sagen soll. Die Wohnung würde ca. 3-4 Sterne haben und ich bin der erste Bewohner.
Der Kühlschrank war für mich aufgefüllt, mit einem herzzerreißenden Tomatenarrangement, extra schöne aus dem Garten eines Kollegen des Vaters. Ich fühle mich ein bisschen schlecht; ich komme mir wie der arme Verwandte vor. Verdammte Gastfreundschaft. Und ich habe mir nicht mal ein Gastgeschenk ausdenken können. Aber davon will Kalina nichts hören.
Menschen und Hunde
Abends waren wir kurz spazieren. Ich hatte erwartet, Polen vorzufinden, mit den Problemen hundert mal verschärft. Aber eigentlich scheint alles genau wie bei mir. Die kleinen Kiosks, die alten und neuen Straßenbahnen, die Alkoholiker, die penibel gekleideten alten Frauen. Die sozialistischen Blocks mit den individuell modifizierten Wohnungen; direkt gegenüber die gleich in ganzen Vierteln neu entstehenden Apartments wie meins.
Mit Glas-und-Chrom-Bar und Wachschutz und jedes Zimmer durchschnitten von einem Dutzend Drahtlosnetzwerken. Die Preise in den Geschäften sind mindestens so hoch wie in Polen, eigentlich nicht weit von Deutschland, und das bei den niedrigsten Löhnen Europas.
Ein auch nach nur einigen Stunden sofort erkennbarer, echter Unterschied sind die unzähligen Straßenhunde. Vor denen wurde ich von allem gewarnt, aber ich hatte mir nicht vorstellen können, dass sie wirklich überall herumstreunen und auch auf Menschen losgehen.
East is East and West is Best
Ich verstehe immer besser, warum die Leute wie gebannt auf Den Westen starren und ihre eigenen Nachbarn völlig übersehen. Was genau an Deutschland so attraktiv ist und warum Polen ein ziemlich langweiliges Mittelklasseland ist, ohne den Reichtum Deutschlands, aber auch ohne das Temperament des Balkans. Eine Kommilitonin hat ein wenig in Sofia gelebt. Auf dem Weg habe ich ein Dutzend Orte gesehen, wo ich das eigentlich auch machen sollte.