Madre Coraje – clever helfen
Wir, in der EU sind ein Leben in Luxus gewohnt und sollten uns darüber im Klaren sein, wie gut es uns geht. Madre Coraje, versucht die Welt zumindest ein wenig gerechter zu machen.
In vielen Straßen sind in Südspanien Container zur Abgabe von altem Olivenöl zu finden - kein Wunder, bei dem hohen Ölverbrauch. So ziemlich alles, was man in Öl frittieren kann, wird hier frittiert: Von Kartoffeln, über Fisch und süße Churros bis hin zu Gemüse. In jede Küche gehört eine Fritteuse und diese muss selbstverständlich immer bis oben hin mit Öl gefüllt werden - und zwar mit Olivenöl, denn sonst schmeckt das Essen schließlich nur halb so lecker.
Das Öl spielt in Spanien eine ganz andere Rolle als bei uns in Deutschland: während wir auf Kongressen oder von Freunden einen Wein geschenkt bekommen, gibt es in Spanien als Mitbringsel oder Andenken eine Flasche teures Olivenöl. Warum das so ist, wird deutlich, wenn man sich den Olivenanbau in ganz Europa einmal genauer anschaut: Spanien liegt mit 2.500.000 Hektar (statista.de) Land, das für den Anbau von Oliven verwendet wird, an der Spitze Europas. Die Herstellung des Olivenöls ist hier eine wahre Kunst mit langer Tradition.
All dies führt zu einem enorm hohen Ölverbrauch und dazu, dass Organisationen, wie Madre Coraje, in den Straßen Südspaniens Container zum Sammeln alten Öls aufstellen.
Ich frage mich, was daraus wird und was hinter der Organisation Madre Coraje steht. Deshalb verabrede ich mich mit einer Mitarbeiterin.
Madre Coraje wurde vor 25 Jahren von einem Ingenieur gegründet, der beruflich nach Peru gereist war. Dort sah der Ingenieur Antonio Gómez die großen Unterschiede zwischen Arm und Reich. Er fühlte sich in der Verantwortung, den Armen zu helfen und begann in der Schule seiner Kinder, hier in Spanien, gemeinsam mit anderen Eltern Gegenstände zu sammeln, um sie dann nach Peru zu schicken.
1991 wurde der erste Container mit Spenden per Schiff nach Peru transportiert. Heute sind es jährlich zwischen 23 und 24 Container, die die weite Reise über das Meer machen. Denn aus der lokalen Sammelaktion in der Schule ist eine große Organisation entstanden. Mittlerweile erhält Madre Coraje nicht mehr nur Spenden von privaten Personen, sondern auch von Firmen. Außerdem sind sie mit kleinen Zweigstellen in mehreren Orten vertreten, wo sie Spenden entgegennehmen und teilweise auch Second-Hand-Kleider verkaufen.
Madre Coraje nimmt fast alles als Spende an - von leeren Tintenpatronen, über Konservendosen bis hin zu Büchern. Aber nicht alles wird nach Peru geschickt, denn ein großer Teil der Spenden ist für die Menschen in Peru nicht mehr wert als für uns. Was sollen sie schon mit leeren Tintenpatronen oder spanischen Geographiebüchern? Freiwillige sortieren die Spenden so, dass die Produkte, die in Peru gebraucht werden, in Kartons gepackt und später in die Container geladen werden, während Spenden wie Elektroschrott in Einzelteilen zerlegt und anschließend zum Verkauf bereitgestellt werden. Sie trennen die gute von der schlechten Kleidung, sodass in den Second-Hand-Läden die gut erhaltenen Kleidungsstücke und an Firmen die schlecht erhaltene Ware verkauft werden kann. Die Firmen recyceln die Kleidung und nutzen sie beispielsweise als Füllung für Kopfkissen. Die Erlöse nutzt Madre Coraje, um ihre Arbeit und die Projekte in Peru und Mozambique zu finanzieren.
In unserem Müll steckt oft noch ein großer Wert und Madre Coraje weiß diesen zu schätzen. Die Freiwilligen der Organisation, die meist Rentner sind, wissen, wie wichtig ihre Arbeit, nicht nur für die Menschen in Afrika und Südamerika, sondern auch für unsere Umwelt ist. Viele der Produkte, die bei Madre Coraje abgegeben werden, würden nicht ordnungsgemäß entsorgt und wahrscheinlich auch nicht recycelt werden. Die Idee von Madre Coraje ist ein Erfolgstrend, denn die Organisation wächst immer weiter und ist gerade erst in eine neue, größere Halle umgezogen, die nun als neuer Hauptorganisationssitz dient. Außerdem ist die Organisation in der Lage, sich zu 80 % selbst zu finanzieren.
Auch ihr Handlungsraum weitet sich immer weiter aus. Zu Beginn war Madre Coraje nur in Peru tätig, heute ist die Organisation auch in Mozambique in viele Projekte involviert und seit der Krise auch in Spanien selbst. Die Mitarbeiterin erklärt mir, dass sich viele Spanier über dieses Konzept beschweren. Es kommt der Vorschlag sich doch lieber mehr in Spanien zu engagieren und weniger im Ausland. Aber die NGO weiß, wie wichtig ihr Engagement im Ausland ist. Sie gibt den Kritikern zu bedenken, dass die Armut, die die Spanier mit der Krise kennenlernen mussten, immer noch ein menschenwürdiges Leben ermöglicht und nicht mit der Lebenssituation der Menschen, denen in Mozambique und Peru geholfen wird, zu vergleichen ist.
Nun aber zum Öl – was wird aus dem Öl, dass in den Straßen Südspaniens gesammelt wird?
Zusammen mit Wasser und kaustischem Soda wird es zu Seife gemacht. Die drei Produkte wurden bisher immer in zwei riesigen Rührtöpfen, die vor Jahren von einer Bäckerei gespendet worden waren, gemischt und dann wurde von diesen die Seife abgezapft. Mit dem Umzug, wurde die Seifenproduktion für kurze Zeit eingestellt, aber sobald der Umzug in die neue Zweigstelle vollständig beendet ist, wird die Produktion erneut anlaufen - dieses Mal mit neuen Rührgeräten, die keine alten Bäckereigeräte sind. An der Qualität der Seife wird das wohl nichts ändern, sie wird weiterhin nicht so gut riechen, ihren Zweck jedoch bestens erfüllen.
Ich bekomme ein Probeexemplar und überzeuge mich selbst von ihrer Funktionalität. Diese kommt vor allem Menschen in Peru zu Gute. Denn für diese und nicht für Besucher wie mich, wird die Seife eigentlich produziert. In Peru wird sie privat und auch in Krankenhäusern genutzt.
Die Lebensstandards dort sind anders als bei uns: In Peru freuen sich die Menschen über die Seife, während sich hier viele über den Geruch beschweren würden. Wir, in der EU sind ein Leben in Luxus gewohnt und sollten uns darüber im Klaren sein, wie gut es uns geht.