Lublin entdeckt die Wurzeln der EU
Die Wurzeln der Europäischen Union liegen für die Polen im eigenen Land. Die hier 1569 geschlossene „Lubliner Union" wird als Vorläufer der EU angesehen. maltekoppe über die Feier zum 440. Jahrestag der Vertragsunterzeichnung.
"Früher hat man am 1. Mai sogar das Gras im Park mit grüner Farbe angestrichen. Damit die Parade zum Tag der Arbeit auch perfekt inszeniert ist."
Dieser Treppenwitz aus Zeiten des polnischen Sozialismus ging in den letzten Wochen in Lublin um. Grund: Die Stadt putzte sich für die Feierlichkeiten zum 440. Jahrestag der hier geschlossenen polnisch-litauischen Union heraus.
Diese hat im Osten ähnliche Bedeutung wie der Westfälische Frieden für Westeuropa. Eine Übereinkunft zwischen Litauen und Polen schuf 1569 einen gemeinsamen Staat.
Die "Republik der zwei Nationen" unterstand einem Monarchen. Außenpolitik, Währung und Wappen waren wie heute in der EU vergemeinschaftet. Der Vertragsschluss bestätigte den damaligen Großmachtstatus Polen-Litauens.
An das bedeutende Ereignis erinnert heute ein Gedenkmonolith auf dem – wie könnte es anders sein – Litauer Platz in der Innenstadt Lublins. Vor dem Obelisken wächst kräftiges grünes Gras. Extra für den Festakt am 1. Juli gesät, wenn auch nicht gefärbt.
Im Zuge des Jubiläums waren zwei originär polnische Eigenschaften gut zu beobachten. Zunächst eine Vorliebe für festliche Rituale: Osteuropas Staatschefs waren geladen, um Ehrendoktortitel sowie Medaillen in Empfang zu nehmen und Kränze am Obelisken niederzulegen.
Das "gemeine Volk" durfte sich auf einem Rittermarkt vergnügen. In der mit historischen Flaggen geschmückten Innenstadt wurde dazu mittelalterlicher Hoftanz geboten. Die Lubliner sahen auch eine Inszenierung der Vertragsunterzeichnung aus dem 16. Jahrhundert mit Kostümen und Salutschüssen.
Fast wäre es nicht dazu gekommen, denn: Wichtiges erledigt man in Polen – das ist typisch – in letzter Minute. Auf dem Litauer Platz herrschte schon Wochen vor der Zeremonie Hektik. Die Stadtverwaltung ließ in letzter Minute Gehwegplatten erneuern und den Springbrunnen generalüberholen.
Nur mit der notwendigen Restauration des Monuments der Union gab es eine Panne, was den Bürgern Lublins nicht verborgen blieb: "Schade, dass das Denkmal so lange verhüllt war. Aber nun sieht es besser aus als vorher", kommentiert der gebürtige Lubliner Paweł Wawryszczuk das Ergebnis. Die Baufirma hatte bei der Überholung Farbe verwendet, die sonst nur bei Industrierohren zum Einsatz kommt. Ein zweites Unternehmen musste daher die Arbeiten von vorne beginnen.
Am 1. Juni ist aber schließlich alles gut gegangen. Die Politiker kamen, hielten feierliche Reden auf die Union und gelobten Zusammenarbeit für die Zukunft. Dem Volk entzogen sie sich jedoch weitgehend. Ein Bad in der Menge gab es nicht. Die Bürger machten sich nichts daraus und vergnügten sich derweil bei Konzerten mit Bands aus Belarus und der Ukraine.
Der Charakter der Lubliner Union motivierte den polnischen Papst Johannes Paul II. zu dem Ausspruch "Von der Lubliner Union zur Europäischen Union". Das Zitat zeigt: Polen versucht, den Beitritt zur EU sinnvoll in die eigene turbulente Geschichte einzuordnen. Man sucht nach historischen Vorläufern.
Auch jede Stadt braucht Ereignisse, die Identität stiften und Touristen anziehen. Lublin ist seit einiger Zeit dabei, seine multikulturelle Vergangenheit aktiver zu bewerben. Das freut auch Paweł Wawryszczuk. "Die Union ist eine gute Gelegenheit für ganz Polen, sich auf der europäischen Bühne zu präsentieren."
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