Londonized
Momentaufnahmen aus einer Weltstadt
„Entschuldigung – wissen Sie, wann hier die Museen öffnen?“
Es war der erste Satz, den ich London sprach.
Eine Dame mittleren Alters, sehr gut gekleidet, Haare blondiert, rundes Gesicht, setzt ihren Kaffeebecher ab. Der Blick wandert von mir aus über meinen Rucksack neben mir auf meinen Cappuccino und das Croissant. Ein leichtes Lächeln eröffnet sich mir. Eigentlich war sie nur gekommen um schnell vor der Arbeit ihre morgendliche Koffeindosis zu bekommen.
Es wurde eine Stunde. Man trennte sich um eine internationale Erfahrung bereichert. Und um die Öffnungszeiten.
„Siehst du Starbucks?“
Liverpool Street Station. Eigentlich sollte ich hier eine andere Freiwillige treffen, die sich bereit erklärt hat, mir für zwei Nächte Unterkunft zu gewähren. Doch anstatt sie zu treffen, traf ich nur etwa mehrere Dutzend ähnlich aussehender Mädchen, die sich allesamt dynamisch einen Weg durch die Menge suchten, nicht aber zu dem ausgemachten Treffpunkt. Zu viele Menschen, alle über einen hinwegstarrend, Aktentaschen, Anzüge, Iphones. Und wenn dich doch ein Blick von einem von unzähligen Topmodels hier trifft, dann wirst du von oben bis unten inspiziert. Bestehst du den Test, dann... nichts. Hinwegstarren und weitergehen.
Ein freundliches Winken und Rufen fiel mir in der Menge auf, und dann sah ich auch Starbucks.
„Parlez-vous français?“
Ein breites, freundliches Grinsen streckte sich uns entgegen. Gelbe Zähne, rissige Lippen, nach Tabak riechend. Der Herr wollte sich tatsächlich nur erkundigen, welche Sprache wir sprächen, er selbst käme aus der Tschechischen Republik, wäre nun aber in der Brick Lane versackt. Hier habe wohl auch Jack the Ripper sein Unwesen getrieben. Der Herr versuchte diverse Sprachen aus, blieb schließlich bei einem Mix aus englisch und italienisch, was auch kein richtiges italienisch sein konnte, mit der Meinung, das ähnele dem deutschen am ehesten.
Man verabschiedete sich von ihm mit ein paar Pennies und meiner mir unmöglich zu beendenen Portion Pommes, während wir nach ihm nun zu Ehrenbürger der Republik Tschechien wurden.
„Om Nashi Me“
Dies war der erste Titel, den die Band Edward Sharpe & The Magnetic Zeros an diesem Abend spielte. Ich hatte mich im hinteren Mittelfeld eingefunden, umzingelt von etwa 300 anderen tanzwütigen Menschen.
„SHHHHHH!“ So klang es mehrere Male von vorne, denn ein Trio von angetrunkenen Studenten konnte es einfach nicht lassen, die ganze Zeit durchzukrakelen. Das Mädchen, zwischen den beiden Jungs schien gar nicht mitbekommen zu haben, dass es hierbei um ein Konzert und damit auch um Musik und Zuhören ging.
Doch den springenden Punkt an dem Auftritt hatte sie wohl auch ohne Hinhören mitbekommen. Als aus dem Mikrofon „Lass eure Geister frei, liebt euch, denkt nicht mehr nach!“ tönte, stand sie plötzlich mit einem ihrer Verehrer auf der Fläche, innigste Küsse austauschend. (Daraufhin war dann auch Ruhe!)
„Hilfe“
Das dachte ich mir, als ich nach 4 Stunden im British Museum immer noch nicht jeden Raum erforscht hatte. Meine Füße schmerzten, ich hatte Hunger und die vielen Leute satt. Kaum ein Ausstellungsraum, der nicht belagert war von Touristen und ihren super modernen Spiegelreflexkameras die unaufhörlich jedes Artefakt, jedes Exemplar, jedes Ausstellungsstück fotografieren mussten.
Von einem stämmigen Musuemswärter auf die nächstgelegene Tubestation verwiesen, trottete ich zur Tottenham Court Road und stieg in die U-Bahn. Auch hier dachte ich mir wieder „Hilfe“.
„Guten MOOOOOrgen! ... Ich kann euch nicht hÖÖÖÖÖÖÖren!“
Die Begrüßung des Busfahrers am Tag der Rückfahrt wird mir immer Mark stecken bleiben. Gutgelaunt, gutgebaut stieg er zu uns in den Bus und kündigte eine vielversprechende Tour durch ganz England bis hoch nach Schottland an. Ein breites Lächeln an jeden Passagier. Er erhält allenfalls ein müdes Schmunzeln zurück. Es geht zurück nach Livingston.
Häuser ziehen an mir vorüber, Kaffeebecher und Aktentaschen tragende Anzugmänner, fotografierende Mundschutztouristen, verschleiert Superreiche, langbeinige Topmodels, stämmige Wärter, heruntergekommene Gestalten, turtelnde Paare, sie alle tummeln sich auf Londons Bürgersteigen.
Hier, wo sich die Welt trifft.
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