Life is like riding a bicycle.
To keep the balance, you must keep moving. – Albert Einstein
Wieder daheim.
„Und das Thema von dem Wettbewerb ist - wer ich vorher war und wer ich jetzt bin -. Aber das ist echt schwierig,“ erzähle ich meinen Eltern beim Abendessen, „weil ich weiß nämlich gar nicht mehr, wer ich vorher war.“
„Vielleicht wusstest du ja vorher noch nicht so richtig wer du bist. Jetzt weißt du es eben.“
Ich denke mein Vater hat Recht mit dem was er sagt.
Als ich von zu Hause weg nach Amsterdam ging, war ich gerade achtzehn geworden. Das Abi war rum und eine völlig neue Zeit brach an. Ich hatte irgendwie keinerlei Erwartungen oder Vorstellungen davon, was ich in den nächsten neun Monaten erleben würde.
Ich kam an und alles kam mir vor wie in einem Traum. Auf mich allein gestellt, in einer Stadt, die schwer mit nur einem Adjektiv zu beschreiben ist, jede Menge Leute, die mir zunächst völlig fremd waren.
Dieser Traum wurde Alltag. Nach wenigen Wochen waren aus den Fremden Freunde geworden und es war, als ob ich sie schon ewig kannte. Amsterdam wurde zu so etwas wie einem zu Hause. Ich lächelte über die planlosen Touris auf ihren geliehenen Fahrrädern, die von den Taxis in der Innenstadt angehupt wurden, wobei ich doch vor ein paar Wochen noch genauso planlos war. Und an jedem Freitag fragte ich mich, wie schnell schon wieder eine Woche rum sein konnte.
Und irgendwie war dann plötzlich Mai und ich begann zu realisieren, was da eigentlich passiert war, in den letzten acht Monaten. Das Ausfüllen des Youthpass zwang mich dazu, zu beschreiben, was ich gelernt hatte. Aber es war mir unmöglich, das alles in Worte zu fassen.
Die Sicht, die ich heute auf mich selbst, auf mein Land, auf Europa und die Welt insgesamt habe, ist eine andere als vor dem EFD:
Ich dachte darüber nach, was ich gemacht hätte, wenn mir jemand vorher gesagt hätte, was ich während meinem Freiwilligendienst zu tun haben würde: anderen Englisch beibringen, die viel älter sind als ich, wobei ich doch gerade selber erst aus der Schule gekommen war. Oder Menschen aus den verschiedensten (spanischsprachigen) Ländern der Erde über das Leben in den Niederlanden informieren, obwohl ich doch selber neu dort war.
Vor neun Monaten hätte ich vielleicht nein gesagt. Aber glücklicherweise wurde ich ins kalte Wasser geworfen und habe die Dinge einfach gemacht, die ich mir vorher wahrscheinlich nicht zugetraut hätte.
Durch die Arbeit in einer Migrantenorganisation habe ich verstanden, dass es ein unglaubliches Privileg ist, in Europa zu leben. Unzählige Menschen träumen davon, einen europäischen Pass zu haben und sich so frei bewegen zu können wie wir. Doch viele Europäer schätzen diese Möglichkeit viel zu wenig.
Ich erinnere mich daran, dass mir auf dem Vorbereitungstag für den Freiwilligendienst die Frage gestellt wurde, wo ich mich am meisten zu Hause fühlte. In meiner Stadt, meiner Region, in Deutschland oder in Europa? Für mich war die Antwort klar: Nur in Deutschland kann ich mich auf Dauer richtig „heimisch“ fühlen. Klar kann man mal für eine Zeit lang ins Ausland gehen, aber auf keinen Fall für immer.
Heute kann ich diesen Gedanken nicht mehr richtig nachvollziehen. Jetzt bin ich der Meinung, dass es möglich ist, sich überall auf der Welt zu Hause zu fühlen. Natürlich bin ich immer noch Deutsche. Aber um die Balance im Leben zu halten, muss man eben in Bewegung bleiben. Wie beim Fahrradfahren. Und das heißt für mich, dass ich mir wünsche, weiterhin die Möglichkeit zu haben, solche Erfahrungen machen zu können. In andere Länder reisen, Menschen begegnen, die den Horizont erweitern, Europa erleben.
Eines der wichtigsten Dinge, die mir während meinem EFD bewusst geworden sind, ist, dass man in allen Teilen der Welt Freunde finden kann. Die kulturellen Unterschiede können noch so groß sein – es lässt sich immer eine Grundlage finden, auf der man eine Freundschaft bauen kann.