Lebenszeichen – Hello from the other side
Wie ich mit F. Die Luft von französischen Geburtstagen, Mitfahrgelegenheiten, Möbelhäusern, Gipfeln und Wasser im Hafen schnupper
Mittwoch, 09.03.2016
Heute mache ich mit den Kindern einen sogenannten „Kim gout“ (Blindtest mit Essen). Ich gehe das Ganze nicht ganz so gemein an, wie es manche Mitbetreuer in der Vergangenheit vollzogen haben. Bei mir werden die Kinder weder zu Senf noch zu Käse mit Nutella gezwungen. Ich lasse die Kinder entscheiden, ob sie die Augen schließen wollen oder nicht, mache ihnen aber gleichzeitig klar, dass der Geschmack sich nur bei geschlossenen Augen wirklich entfalten kann. Erstaunlicherweise machen dann tatsächlich viele Kinder die Augen zu als wir uns durch Karotte, Kartoffel, dunkle Schokolade (die den Kindern verwirrender Weise sogar schmeckt), Käse (wird von den Kindern gehasst. Auch beim Essen. Dabei verstehe ich das gar nicht. Zum einen da ich persönlich Käse liebe, zum anderen da Frankreich – neben den Niederlanden – das Käseland schlecht hin ist.), Honig, Orange, Banane und Tomate probieren. Nachdem wir den Geschmackssinn ausführlich genug behandelt haben, geht es weiter mit dem Hörsinn. Ich mache mit den Kindern Regenmacher. Das Ganze ist allerdings etwas schwieriger als gedacht, da alle Holzstäbe, die ich in die Papprolle stecke, mit Heißklebe fixiert und danach abgeschnitten werden müssen. Eine mühsame Arbeit. Glücklicherweise helfen mit sowohl M., als auch E. Und L. Beim Abschneiden der überstehenden Holzstäbe.
Nachdem die Aktivität vorüber ist, die Kinder mit dem Gouter abgefüllt worden sind und abgeholt wurden, mache ich mich voller Vorfreude auf den Weg zum Bahnhof. Ich hole F. ab. Endlich. Auf dem Weg freue ich mich ein Loch in den Bauch sie endlich wieder zu sehen.
Als ich am Bahnhof ankomme, steht dort allerdings keine F. Ich schaue die Straße hinunter, schaue die Straße hinauf, schaue gerade aus. Doch die Straße ist leer. Eigentlich ist die Straße nicht leer. Es befinden sich viele Leute auf der Straße, auf dem Gehweg. Doch wenn man nach F. Ausschau hält, dann ist die Straße leer (Bitte verzeiht mir den kleinen, aber feinen Känguru-Ausflug…). Schließlich komme ich dann auf die glorreiche Idee am Busbahnhof zu schauen und siehe da: F. Sitzt ahnungslos auf einer Bank. Ich schleiche mich leise an und falle ihr um den Hals. Es beginnt aus mir heraus zu sprudeln. Manchmal habe ich eher Ähnlichkeiten mit einem Brunnen oder einer Quelle als mit einem menschlichen Wesen. Glücklicherweise schaffen es manche Leute aber auch einen Staudamm zu bauen, damit sie selbst auch mal zu Wort kommen.
Entgegen des eigentlichen Plans geht es aber nicht direkt nach Hause, sondern noch einmal ins Centre. L., mein Chef, hat heute Geburtstag und kann sich nichts Besseres vorstellen, als seinen Ehrentag mit uns zu verbringen. Dementsprechend haben sich ein paar Animateure im Centre versammelt. In dieses französische Gelage nehme ich F. Nun mit. Streckenweise frage ich mich aber, ob das zu der allgemeinen Skepsis gegenüber Franzosen nicht beiträgt. Es sind zwar nicht viele gekommen. Aber trotz der nicht vorhandenen Menschenmenge, entsteht eine einzige große Geräuschkulisse, die mich die Frage hervorbringen lässt, wie so wenige Menschen so viel Lärm verursachen können. Bewundernswert ist auch das Talent der Franzosen vollkommen durcheinander zu reden. Es werden drei Gespräche parallel geführt. Und das wohlgemerkt nicht im Flüsterton. Vielleicht machen sich die nahegelegenen italienischen Nachbarn bemerkbar…
Nachdem wir ein wenig Kuchen gespeist und ausreichende Konversation betrieben haben und an F. Die Englischkenntnisse getestet wurden, machen wir uns schließlich auf den Weg nach Hause und richten uns heimlich ein. Aber wie das eben so ist. Schlafen tun wir lange noch nicht. Das Sprachzentrum ist nämlich noch nicht annähernd so müde wie es eigentlich sein sollte.
Donnerstag, 10.03.2016
Wir schlafen lange. Viel mehr: F. Schläft lange. Von dem unglaublichen Schlafphänomen meiner Gäste hatte ich ja in einem vorherigen Artikel schon einmal berichtet. Ich schiebe es auf die gute Bergluft. Nachdem sich F. Aus den Federn geschält hat, bleibt auch nicht mehr so super viel Zeit. Wir frühstücken zusammen und dann muss ich auch schon los zur Arbeit. Vorsorglich beschreibe ich ihr noch, welche Wege wohin führen und was sie sagen muss, damit sie wieder zu uns findet. Muss es mir zu denken geben, dass sie sich gar nicht verläuft, obwohl ich mich in der ersten Woche (und auch heute noch manchmal) immer verlaufen habe? Gut, eigentlich möchte ich das gar nicht zu sehr erörtern.
Da das Wetter so schön ist, gehen wir auch noch eine Runde raus. Es ist herrlich warm und ich bin froh, dass sich die Gegend von der besten Seite zeigt. Als wir einen Waldweg entlang laufen, springt uns ein interessant aussehendes Gewächs förmlich an. Spätere Recherchen haben ergeben, dass es sich bei besagter Pflanze um Nieswurz handelt.
Abends kommt F. In den Genuss einer savoyischen Spezialität: Cruziflettes.
Freitag, 11.03.2016
Das lange Ausschlafen muss ich an dieser Stelle vermutlich gar nicht erst erwähnen, da sowieso denkbar. Wir lassen es langsam angehen und organisieren ein wenig herum. Fürs Wochenende hatten wir eigentlich vorgesehen der Region den Rücken zu drehen und Grenoble unsicher zu machen. Nach einigem Überlegen kamen wir dann aber doch zu dem Schluss, dass es hier auch ganz schön ist. Dementsprechend bleiben wir vor Ort. Trotz allem ist Annecy in meinen Augen aber Pflichtprogramm. Darum Schauen wir emsig auf der Internetseite von Blablacar nach Anbietern nach Annecy bzw. zurück. Da die Geschäfte nur samstags auf haben, habe ich für Sonntag eine kleine Überraschung vorbereitet. Wobei, eine wirkliche Überraschung ist es für F. Nicht mehr. Ich hatte sie vorher gefragt, ob sie Lust hat. Mit T. Und den Jugendlichen hatte ich an einem Samstag eine Schneeschuhwanderung gemacht. Unser Guide hatte mir damals angeboten, dass wir noch einmal eine Wanderung machen könnten, damit er sein Deutsch aufbessern kann. Warum sollte ich da nicht von meinen Kontakten profitieren?
Der Freitag steht also wie gesagt ganz im Zeichen des Organisierens. Zum allerersten Mal werde ich Blablacar testen, zum allerersten Mal habe ich mit einer Person, die ich nicht kenne, auf Französisch telefoniert (und das ziemlich lange. Gefühlt hat mir unser Blablacar-Fahrer seine halbe Lebensgeschichte erzählt. Während des Gesprächs bekommt F. Immer mehr den Eindruck, ich hätte einen eingeschränkten Wortschatz. Zu viel mehr Äußerungen als „Ah, bon?“ und „D‘accord“ lässt mich mein Telefonpartner nicht kommen…), und zu guter Letzt zwei Fahrten nach und von Annecy und eine Schneeschuhwanderung festgemacht. Auch wenn wir physisch nicht so aktiv waren, darf die organisatorische Meisterleistung hierbei nicht außer Acht gelassen werden.
Um uns von dem ganzen Stress etwas zu erholen werde ich noch in die unendlichen Weiten der Serie „Big Bang Theory“ mitgenommen. Nach einem Skype-Telefonat mit C. In Peru geht es mit dem „Baby“-Ohrwurm im Hinterkopf dann schlafen.
Samstag, 12.03.2016
Heute geht es nach Annecy. Und das Wetter ist sogar einigermaßen. Es ist zwar kalt, aber die Sonne scheint trotzdem sehr schön. Wir warten draußen auf A., die uns netter Weise direkt bei mir abholen kommt. Die Hinfahrt wird kurzweilig. Wir reden viel. Um genau zu sein die ganze Zeit. Was mich besonders fasziniert ist, dass A. In Schweden Couchsurfing gemacht hat. Schweden weckt bei mir direkt Fernweh…
In Annecy angekommen bummeln wir ein wenig durch die Läden und suchen schöne Karten und Inspiration. Karten finden wir in einem speziell auf Bds („Bande dessiné“ - Comics) ausgerichteten und ganz klar von Disney finanziell geförderten Laden. Stundenlang gucken wir uns durch die Karten. Wenn man die Wahl hat, hat man bekanntlicher Weise aber auch die Qual. So auch hier. Nachdem wir beinahe jede Karte schon einmal in der Hand hatten, treffen wir schließlich eine finale Entscheidung und schlendern weiter. Der Zustand des Gehens hält aber nicht lange an, da wir einen Dekorations- und Möbelladen finden – oder sollte man in diesem Fall eher davon sprechen, dass er uns gefunden hat? -, den F. Spontan zu ihrem Lieblingsladen erklärt.
Nach ausgiebiger Sichtung und Begutachtung der Tischdecken (sobald man mit der Schule fertig ist und beginnt auf eigenen Beinen zu stehen, verschieben sich die Interessen leicht. Plötzlich könnte ich mich Stunden über das Muster auf Geschirrhandtüchern, die Qualität der Pfannenbeschichtung oder über nicht vorhandene Kardamom Nuss unterhalten.) und des Büchleins mit Ananasmuster, stürzen wir uns wieder ins Getümmel. Nach einer kleinen Stärkung suchen wir das Touristenbüro und decken uns mit Stadtplänen und Empfehlungen ein. Zwar kenne ich die Stadt bereits ganz gut, aber es gibt bekanntlich ja immer etwas Neues zu entdecken. Nachdem uns der Plan auf Englisch und Deutsch angeboten, wir ihn aber letztendlich doch auf Französisch genommen haben – schließlich muss meine kleine Lateinschülerin F. Auch ein paar Brocken Französisch können bevor sie wieder abfährt! - , machen wir die Uferpromenade unsicher. Vorausschauend haben wir eine Decke mitgenommen und setzen uns nun auf einen Bank mit Seeblick und mummeln uns in die Decke ein. Vom Kranksein habe ich nämlich erst einmal genug.
Nachdem wir lange genug die vorübereilenden Menschen, die pubertären Jugendlichen und die gierigen Schwäne beobachtet haben, schlendern wir zurück Richtung Stadtzentrum und wagen uns an die Besteigung des Hügels mit seinem Schloss. In der Hoffnung, dass heute der Eintritt frei ist, kommen wir erwartungsvoll oben an, müssen zu unserem Leidwesen aber feststellen, dass dem nicht so ist. Der Eingang ist aber sehr geschickt gemacht und fasziniert uns so sehr, dass wir an ihm einige Minuten verweilen. Bei ihm handelt es sich um ein Metallgitter, das allerdings nicht sonderlich ins Auge fällt. Darum rennen alle Leute intuitiv an dem Kassenhäuschen, das in gleicher Unauffälligkeit gehalten ist, vorbei, sodass der Kassenwart alle zwei Minuten lautstark den Vorbeieilenden hinterher schreit. Dieses Spektakel ist unbezahlbar. Ganz besonders interessant wird es, als eine Gruppe Deutscher das Schicksal trifft. Wir beide verstehen im Gegensatz zum Kassierer schließlich was sie sagen…
Nachdem wir genügend Kulturluft geschnuppert haben, schauen wir uns die wunderschöne Altstadt mit all ihren Gässchen an.
Als es langsam Abend wird platzieren wir uns an dem Treffpunkt, den wir mit unserem Blablacar-Fahrer ausgemacht haben. Glücklicherweise haben wir unsere Decke dabei, sodass das Warten nicht ganz so kalt wird. Wir nutzen die Zeit um F.s Französischkenntnisse, die über den Tag an enormem Umfang zugenommen haben, etwas zu festigen und auszubauen.
Als wir schließlich im Auto sitzen stelle ich fest wie entspannend es ist, nicht selber fahren zu müssen. Zwar schießt mir ab und an durch den Kopf, dass unser Fahrer vielleicht nicht ganz so krass schneiden sollte. Aber wenn man einen BMW fährt, hat man scheinbar einen Anspruch darauf. Nett ist er trotzdem. Nach der Überraschung, dass ich keine Araberin/Algerierin/Marokkanerin bin (wie er zuerst aufgrund meines Namens gedacht hat), sondern äußerlich dem kompletten Gegenteil entspreche, wird es langsam immer dunkler. In den vorbeiziehenden Städten und Dörfern wird langsam das Licht angemacht. Ein wenig sieht das Ganze aus wie eine Teelichter-Weihnachtsstadt. Die Sicht auf den See ist atemberaubend.
Wieder zu Hause angekommen freue ich mich, dass das mit der Mitfahrgelegenheit so gut funktioniert hat. Es ist billiger als mit dem Bus, direkter, man kann sich mit anderen unterhalten und sehr viel entspannender als alleine zu fahren. Kurz um: Meine Bilanz ist durchweg positiv.
Nachdem F. Und ich während einer Kocheinlage unsere Küche zur offiziellen Karaokebar erklärt haben und zu sämtlichen Liedern laut mit schmettern, geht ein schöner Tag langsam zu Ende.
Sonntag, 13.03.2016
Heute wird es spannend. Zum einen, weil wir etwas wetterabhängig sind, zum anderen, weil ich zum ersten Mal mit dem Camion hoch in die Berge fahren werde. Wirklich hoch. Und momentan habe ich noch Zweifel ob das bei Schnee, Eis und einem nicht so vorhandenen Orientierungssinn so eine gute Idee ist. Mit einem kleinen Frühstück im Bauch und gewappnet mit Skihosen, Sonnenbrillen und Sonnencreme, machen wir uns am späten Morgen dann auf den Weg Richtung Bougeailles. Unser Guide, P., hatte mir gesagt, dass wir uns dort mit seinen anderen Schneeschuhwanderungskunden treffen und von dort auf starten. Vorsichtshalber fahren F. Und ich zwei Stunden vorher los, obwohl wir laut googlemaps nur ca. dreißig Minuten brauchen. Sicher ist sicher. Und wie sich später herausstellen wird, war es auch gut etwas Zeitpuffer einkalkuliert zu haben. Aber alles der Reihe nach. Von uns aus quälen wir uns den Berg hoch. Ich bin froh, dass ich dieses Mal fahre. So kann mir bei den Serpentinen wenigstens nicht schlecht werden. F.s Fahrempfindsamkeiten sind glücklicherweise nicht halb so empfindsam wie die meinen. Je höher wir kommen, desto mehr Schnee liegt am Straßenrand. Bis nach oben auf den Gipfel läuft aber alles glatt. Glücklicherweise nicht wortwörtlich. Natürlich haben wir uns vorher den Weg angeschaut. Ab einem gewissen Punkt vertraue ich aber der Beschilderung. Besagte Beschilderung lässt uns eine ganze Weile wieder einen Berg hochfahren. So lange, bis wir in einer Sackgasse stehen. Na toll. Bin ich den ganzen Berg jetzt etwa umsonst hochgefahren? Selbst das Wenden ist hier unmöglich, so eng ist die Straße. Das bedeutet rückwärts den Berg hinunter fahren. Mit Camion und Graben an der linken Seite… Nachdem wir uns ein weiteres Mal verfahren haben, klingel ich bei jemandem um nach dem Weg zu fragen. Dieser jemand scheint aber nicht zu Hause zu sein. Oder er mag keine Sonntagsklingeler. Das ist auch möglich. Jedenfalls öffnet mir niemand die Tür. Also versuche ich mein Glück woanders. Doch auch dort Fehlanzeige. Bei meinem dritten Versuch habe ich schließlich Erfolg und erfahre, dass wir die falsche Bergauffahrt genommen haben. Also fahren wir wieder alles hinunter, um an einer früheren Stelle wieder hoch zufahren. Bevor wir uns nun aber wieder ganz oben befinden und dort realisieren müssen, dass wir wieder falsch sind, gehe ich nun auf Nummer sicher und frage bei einem Einheimischen nach. Dieses Vorhaben ist aufgrund der nichtvorhandenen Klingeln aber alles andere als einfach. Als ich schließlich ein menschliches Wesen antreffe, stellt sich heraus, dass wir schon wieder falsch sind. Den mir beschriebenen Weg fahren wir kurze Zeit später entlang und siehe da: zum ersten Mal wird Bougeailles ausgeschildert. Der Optimismus wächst. Nachdem wir einer Straße, die immer schmaler und immer schneereicher wird, gefolgt sind, befinden wir uns schließlich in Bougeailles. Allerdings weiß ich zum einen nicht, wo ich den Camion hinstellen soll, da das Dorf aus drei Häusern besteht, noch sehe ich die mir von A. Beschriebene Kirche, die gleichzeitig der Treffpunkt sein soll. Trotz der Zweifel warten wir. Bis um kurz vor zwei. Da rufe ich schließlich A. An und es stellt sich heraus, dass wir uns nicht in Bougailles, sondern in Bogève treffen. Nun ja, eine gewisse Namensähnlichkeit kann man schon erkennen. An dieser Stelle sollte ich aber noch auf meine Unschuldigkeit hinweisen. Nicht, dass der Leser ein falsches Bild von mir bekommt. Es ist schließlich nicht so, dass ich mich bei A. Nicht noch einmal erkundigt habe, ob Bougeailles auch wirklich der richtige Ort sei. Er hat mir das aber abgesegnet. Franzosen eben…
Nun ja. Wir stehen nun also in Bougeailles, müssen aber eigentlich um 14 Uhr in Bogève sein. Es ist kurz vor zwei. Alles in allem also ein Ding der Unmöglichkeit. Egal wie schnell ich fahren würde, werden wir es nicht mehr pünktlich schaffen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass ich nicht wirklich weiß, wo der Ort liegt, zu dem wir müssen. Als F. Die prekäre Lage erkennt, macht sie mich auf ein an uns vorbeifahrendes Auto aufmerksam. Kurzerhand springe ich ihnen in den Weg. Es handelt sich um ein älteres Seniorenpaar, das sich freundlicherweise dazu bereit erklärt, uns ein Stückchen des Weges zu begleiten. Sie fahren vor, wir hinterher. Ich weiß nicht, was ich ohne sie gemacht hätte. Ein Gutes hatte das ganze Verfahren aber auch: Ich habe gelernt, dass es nichts macht nach dem Weg zu fragen. Auch mehrmals. Die meisten Leute sind hilfsbereit. Und auch vorm Klingeln an fremden Häusern habe ich nun keine Angst mehr. Man könnte das Verfahren somit auch als Konfrontationstherapie betrachten.
Schließlich kommen wir in Bogève an, wo uns A. Mit seiner Freundin schon erwartet. Nach einem kurzem Stopp, bei dem uns offenbart wird, dass alle anderen Teilnehmer kurzfristig abgesprungen sind, geht es noch höher den Berg hinauf. Inständig hoffe ich, dass der Camion das mitmacht.
An einem Waldparkplatz angekommen, werden wir mit Schneeschuhen und Stöcken ausgestattet und wagen uns ins Schneefeld. Das Wetter ist herrlich. Die Sonne scheint und ich bin froh um die Sonnencreme, die ich vorsorglich benutzt habe. A. Kann man am besten mit dem Lieblingsausdruck meiner Mama beschreiben: „Er plappert wie ein Äffchen.“. Wohl bemerkt aber auf Deutsch. Schließlich ist er ganz aus dem Häuschen, dass er nun mit zwei Deutschen eine Wanderung macht. Seine Freundin (im Übrigen sind die beiden zusammen unglaublich süß…) ist Schweizerin und versteht auch Deutsch. Das Sprechen fällt ihr aber schwerer. Es ist eine lustige Truppe. Zwei Mittfünfziger, der eine pausenlos am Reden, zwei junge Mädchen. Aber alle glücklich und zufrieden. A. Hält immer mal wieder an um uns auf etwas aufmerksam zu machen oder uns etwas zu zeigen. So auch, als er an einer Hasenspur Halt macht. Als er mit Hilfe seiner Wanderstöcke uns versucht zu demonstrieren wie sich Hasen fortbewegen und dazu „Fuchs du hast die Gans gestohlen“ schmettert, weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war, heute hier her zu kommen.
Gemeinsam arbeiten wir uns den Berg hinauf. Dort steht ein Baum, unter dem kein Schnee liegt und scheint auf uns zu warten. Kurzerhand machen wir es uns dort gemütlich und genießen die savoyischen Köstlichkeiten, die A. Uns mitgebracht hat. Es fehlt an nichts. Nach dem Essen machen wir ein kurzes Verdauungsnickerchen in der Sonne, bei dem uns A. Rät uns mit dem Kopf bergab zu legen. Das fördere die Durchblutung. Das mag ja sein. Nach dem Essen bin ich dazu aber nicht in der Lage.
Schließlich geht es wieder zurück. Auf unserem Rückweg durchqueren wir einen Wald. Vor besagtem Wald bleibt A. Stehen und vertraut uns geheimnisvoll an, dass er mit den Bäumen sprechen kann. Mir war schon immer klar, dass er etwas alternativ und esoterisch angehaucht ist, nun bin ich aber gespannt, was er sich einfallen lässt. Es sagt F. Und ich sollen in den Wald und er würde dann mit den Bäumen kommunizieren und wir würden es dann spüren. Gerade als ich den einen Baum erreicht habe, macht es bei mir klick. Aber zu spät. Über uns ergibt sich einen ordentliche Ladung Schnee. Hach, wie ich solche Attacken aus dem Hinterhalt liebe…
Am Auto angekommen geben wir unsere Schneeschuhe zurück. Die Wanderung und somit auch ein wunderschöner Tag neigt sich dem Ende. Eine herzliche Umarmung später, befinden wir uns schon wieder auf dem Rückweg. Mehr oder weniger. Denn als wir losfahren ist noch alle in Ordnung. Es geht den Berg hinunter. Sehr stark und steil. Irgendwann beginnt das Lämpchen der Handbremse zu leuchten. Rot. Und wie mir so schön in der Fahrschule eingetrichtert wurde: Rot ist eine Signalfarbe. Wenn ein Lämpchen rot leuchtet ist etwas ganz Schlimmes. Dann ist etwas kaputt. Dann muss man in die Werkstatt. Oh je. Und nun befinden wir uns mitten irgendwo in den Bergen, ich habe sowieso schon Angst, dass die Bremsen überbeansprucht werden, und zu dieser Angst gesellt sich nun auch noch die Frage „Was hat das zu bedeuten?!?“. Wir halten an. Vorsichtshalber. Ich vergewissere mich, dass die Handbremse funktioniert und nicht gezogen ist. Dann fahren wir weiter. Plötzlich erlischt die Lampe und ich kann erleichtert aufatmen. Inständig hoffe ich, dass sich das Lämpchen bis wir wieder zu Hause sind nicht mehr meldet. Leider hört mir das Lämpchen aber nicht so genau zu und beginnt nach einiger Zeit wieder rot zu leuchten. Sehr zu meinem Missfallen.
Um dem Camion eine kleine Verschnaufpause zu verschaffen, legen wir einen Stopp an den Chateaux des Allinges ein. Gerade geht die Sonne unter und die Kulisse ist wunderschön.
Montag, 14.03.2016
Manchmal habe ich auch das Glück mir frei genommen zu haben. Heute ist solch ein Tag. Darum überlegen F. Und ich, was wir heute so Schönes anstellen können. Da das Wetter wunderbar ist, laufen wir in strahlendem Sonnenschein und ausgestattet mit Sonnenbrillen runter nach Thonon. Dort zeige ich F. Erst den Hafen. Unten angekommen – nach einem kleinen Umweg über eine vermeintliche Abkürzung, die uns letztendlich zu einer Segelschule gebracht hat – machen wir es uns auf einem Steg gemütlich und dösen etwas in der Sonne. Unser friedliches Nickerchen wird jäh unterbrochen als ein Hund seine Faszination für F.s Kamera entdeckt. Als wir uns umdrehen, entdecken wir seine zwei Herrchen, die ihm in gebührendem Abstand folgen. Als sie uns schließlich erreichen, zaubert der eine Herr einen kleinen Ball aus seiner Jackentasche, hält diesen dem Hund vor die Nase und wirft ihn, damit der Hund beschäftigt ist. Eigentlich eine vollkommen normale Aktion. Die Tatsache, dass wir uns auf einem drei Meter hohen Steg stehen und der Ball in den See geschmissen wurde, lässt das Ganze aber in einem anderen Licht dastehen. Daran anschließend wird versucht uns für ihre obskure Sekte zu werben. Nach einer Weile erkennen die zwei Herren aber, dass wir daran so wenig interessiert sind, wie an Hausstaubmilben, und lassen uns in Ruhe unser Nickerchen beenden. Nach diesem kleinen esoterischen Ausflug laufen wir noch bis zum Strandbad und nehmen danach die Stadt unter die Lupe.
Auf unserem Weg zurück, wird das Grün des Waldes Zeuge unserer Gesangskünste.
Wieder zu Hause beginnt für F. Dann auch schon die Zeit des Packens. Denn morgen geht es für sie dann wieder zurück.
Dienstag, 15.03.2016
Verschlafen quälen F. Und ich uns um halb sechs aus dem Bett. Es heißt die letzten Sachen zusammen zu packen und dann sitzen wir auch schon im Camion auf dem Weg zum Genfer Flughafen. Die Sonne geht langsam auf. Die ganze Situation kommt mir surreal vor. Zum einen war ich noch nie so früh morgens nach Genf unterwegs, zum anderen ging die Zeit mit F. Unglaublich schnell herum.
Der Verkehr nach Genf ist quasi nicht vorhanden. Wir stehen nicht im Stau und finden den Weg ohne auf Mautstraßen zu kommen. In einer Wohnsiedlung halte ich an und es heißt Abschiednehmen. Wiedersehen ist schön. Das Abschiednehmen fällt danach aber immer wieder schwerer. Vor allem, wenn man eine schöne Zeit miteinander verbracht hat. Als ich wieder zu Hause ankomme, ist mein Zimmer plötzlich so leer und still. Die ganzen letzten zwei Wochen war kontinuierlich jemand mit mir hier um es mit den Farben des Lebens anzumalen. Was aber bleibt sind die Gewissheit, dass meine Freunde da sind - auch wenn ich sie gerade nicht sehe. Darum bin ich unglaublich dankbar. - und der von F. Klug platzierte Song „Downtown“, der mich über die gesamten nächsten Wochen kontinuierlich begleiten wird...