La France - je t'aime quand même
Ich bin ziemlich unvoreingenommen hier in Frankreich angekommen – ohne viele Vorurteile, ohne allzu grosse oder voreilige Erwartungen- dafür aber mit viel Neugier auf alles was mich hier im Lande des Baguettes und des Weines (ha! Da hat sich also doch ein stereotypisches Bild eingeschlichen!) erwarten würde. In einem Jahr sind mir doch so einige Eigenheiten der Landesleute aufgefallen- et voilà
Tief in der franzoesischen Kultur verankert: “La Bise”
In einem früheren Blogeintrag habe ich erwähnt dass ich die in Frankreich so typischen zwei Küsschen auf die Wange sehr süß finde. Mhmm um ehrlich zu sein hat sich da meine Meinung etwas geändert: Inzwischen finde ich den Aufwand, der dafür aufgewendet wird um jemanden zu begrüßen etwas übertrieben. Ein Beispiel: Wenn wir im Restaurant des Wohnheims alle gemeinsam am Tisch sitzen – meistens sind wir 10 bis 15 Personen- und eine weitere Person hinzukommt vergehen erstmal 5 Minuten bis auch jeder Gast per Bisous begrüßt wurde. Man könnte ja auch einfach ein “Hallo alle zusammen” in die Runde werfen und kurz winken.
Bitte merken!
Auch nicht gerade einfach für mich: Mich daran zu erinnern, dass man zu einer Person die man z.B ein paar Stunden zuvor gesehen und begrüßt hat nicht (!) noch einmal begrüßt (nicht einmal “Salut” sagt), sollte man ihr im Laufe des Tages noch einmal ueber den Weg laufen. Ich finde es dagegen gar nicht merkwürdig Personen mehrmals am Tag “Salut” zu sagen – gerade wenn zwischen unserer letzten Begegnung einige Stunden vergangen sind. Hier werde ich aber jedes Mal freundlich darauf hingewiesen, dass wir uns doch schon gesehen hätten. Ach mann, diese gesellschaftlichen Normen sind aber auch manchmal kompliziert x) Zur Veranschaulichung eine kleine Anekdote: Ich war mit Evelina und einigen anderen Bewohnern abends in der Residenz in der Cafeteria, als Ans, ein weiterer Bewohner, reinkam. Natürlich wurde erst mal die Runde gemacht: “Salut, ca va?” Bise links. Bise rechts. “Salut Ca va?” Bise links. Bise rechts. Und so weiter. Allerdings hat er unter den 6 Personen die er begruesst hat Ashraf ausgelassen und ihn einfach ignoriert. Ich dachte gleich, dass die beiden bestimmt Streit gehabt haben müssen und sich aus dem Weg gehen. Aber nein, sie hatten sich einfach schon am Morgen gesehen und begrüßt. Das war vor über 8 Stunden. Hm x) Aber gut, die Bise gehört zu Frankreich wie die Queen zu England und an dieser Tradition kann und sollte man meiner Meinung nach nichts ändern. Es ist halt einfach etwas befremdlich fuer uns deutschen “Handgeber”.
Keine Umarmungen?
Während ich in Deutschland meine Freundinnen und Freunde jedes Mal umarme wenn ich sie sehe, muss ich mich damit in Frankreich etwas zurückhalten. Fuer Evelina gilt das gleiche, denn auch in Litauen ist es ganz normal sich unter Freunden mit einer Umarmung zu begrüßen. Ab und an passiert es mir aber dann doch, dass ich unser Freunde eine Umarmung geben will- und anfangs sind sie tatsächlich zurückgeschreckt. Ich habe mir inzwischen angewöhnt die Bise zu geben – das gehoert hier nun einfach dazu! Und auch wenn es mich manchmal nervt, liebenswert ist es trotzdem. Im Notfall kann man ja immer noch so tun als wäre man krank. Und ich muss zugeben, mit diesem Trick habe ich mich beim Abendessen schon mal um die Bise gedrueckt.
Wenig Mut zur Lücke
Ein Auslandsjahr nach dem Abitur? Oh nein, bitte nicht! Nach dem Schulabschluss geht’s schnurstracks an die Uni um ja keine Zeit zu verlieren! Mit 22 Jahren haben viele Studenten schon ihr Studium beendet - einige Deutsche fangen in diesem Alter ihr Studium gerade erst an. Als ich neulich beim gemeinsamen Lunch auf der Arbeit mal wieder gefragt wurde, wie es denn nach meiner Rückkehr in Deutschland weiterginge und ich beiläufig erwähnte dass ich ein zweites Gap Year in Erwägung ziehe, wurde ich gleich ganz schockiert darauf aufmerksam gemacht, dass ein “degré” also ein Abschluss unabdingbar ist! Ob ich denn keine Angst hätte später keine Arbeit zu finden. Also erstens habe ich von einem Gap Year gesprochen und keinem Gap Life- ich würde sehr gerne studieren, sehe aber gleichzeitig überhaupt kein Problem darin, vorerst verschiedene Erfahrungen im Ausland zu sammeln. Denn egal was ich mache – profitieren werde ich davon allemal. Diese engstirnige Bac, Etudes, Boulot Einstellung ist mir leider schon so einige Male hier begegnet.
La France- je t'aime quand même
Trotz einiger befremdlich scheinenden Eigenheiten der Franzosen, liebe ich Frankreich, die Kultur und die Menschen hier, die mich alle so herzlich aufgenommen haben wie ich es niemals erwartet hätte. Umso mehr nach meines EFDs. Vielleicht braucht man hier etwas mehr Zeit um sich gegenüber Fremden (besonders wenn sie aus dem Ausland kommen) zu öffnen - dann sind die Franzosen aber unglaublich freundlich, hilfsbereit, zuvorkommend und humorvoll. Ich habe bis jetzt noch keinen einzigen “grumpy” Busfahrer gesehen -ganz anders als in Deutschland. Hier in Frankreich erwartet mich jedes Mal ein freundliches “Bonjour Madame” inklusive offenes und (nicht aufgesetzt wirkendes) Lächeln. Meine Freunde und auch meine Kollegen haben mich unglaublich gut integriert und mir das Gefühl gegeben zu Hause zu sein. Und dafür bin ich unfassbar dankbar. In den letzten 10 Monaten hatte ich die Chance in die französische Kultur hineinzuschnuppern was mir (als Frankreich Liebhaberin) unglaublich viel Freude bereitet hat. Zurueckkehren werde ich auf jeden Fall- dafuer hat ich mich viel zu sehr in dieses Land verliebt. Mit all seinen Eigenheiten.