La cosa con Julio
Über den Bauarbeiter Julio, der sich langsam von einem harmlosen Flirt zu einem unangenehmen Verehrer entwickelt...
Es ist eigentlich ein ganz normaler Tag wie jeder andere, außer vielleicht, dass ich nicht jeden Tag meinen Cousin im Büro anrufe, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Die SMS nach Deutschland kommen nämlich dooferweise nie an, wie ich durch Nachfragen herausgefunden habe. Als ich um halb 7 die sperrige Tür von der Lagerhalle, in der das Telecentro sitzt, abgeschlossen habe, freue ich mich schon auf das Abendessen nach dem Pilateskurs. Wir wollen Nudeln mit Paprika-Zucchini-Pilze-Gemüse machen. Einige Meter vor dem Rathaus, wo der Pilateskurs stattfindet, sehen wir wieder unsere drei Freunde von der Baustelle. Erinnert ihr euch noch an Julio? Das ist der kleine, dunkle Bauarbeiter, der mir an anderer Stelle schon Komplimente für meine Augen gemacht hat. Er kommt her, Küsschen, Küsschen und fragt, wo wir die ganze Zeit waren, da wir uns nie gesehen haben (was mich eigentlich auch nicht gestört hat). Er fragt, wo wir mit unseren Matten unter dem Arm hingehen und ob wir mal zusammen einen Kaffee trinken gehen wollen. Klar, kein Problem. Ich gebe ihm meine Nummer, ein nettes Schwätzchen halten geht ja schon mal. Dann müssen wir aber wirklich, damit wir noch einen guten Platz für unsere Matte bekommen. Der Pilateslehrer foltert uns dieses Mal so richtig, sowohl mit den Übungen, als auch mit Phil Collins in Dauerschleife als Hintergrundmusik. Auf dem Rückweg unterhalte ich mich noch mit der Frau vom Chor und erfahre, dass sie auch im Sopran singt und der Dirigent sehr nett ist. Vor der Bar, an der wir auf dem Heimweg immer vorbeikommen, sitzen die Bauarbeiter vor ihrem Feierabendbierchen. Verstohlen schaue ich in ihre Richtung, wir unterhalten uns nämlich gerade über Julio und was so eine Einladung in Spanien wohl bedeutet. Und als wir schon fast im Haus sind, ruft jemand hinter uns- wer wohl? Genau, Julio, der uns hinterher rennt. Er will mit mir schwätzen und fragt dann auch gleich, ob wir morgen nicht miteinander Abendessen wollen. Ich zucke mit den Schultern, weil eigentlich hatten wir ja vor, mit José Luis nach Zaragoza zum Abendessen zu gehen. So kann ich Julio ein wenig vertrösten und verspreche, eine SMS zu schreiben, wenn ich es weiß. Dann fällt ihm noch eine Menge anderes Zeug ein, das er mich fragt und erzählt, sodass wir uns auf die Bank im Flur setzen. Er überhäuft mich mit Komplimenten über weiß ich was alles, sodass ich ständig lachen muss, so lächerlich finde ich das. Als ich auf seinen silbernen Ring zeige und frage, ob er verheiratet ist (was ich heimlich hoffe), gähnt er und sagt, ja, er hat den ganzen Tag gearbeitet. Ups, er hat verstanden, ob er müde sei, die Wörter müde und verheiratet trennt im Spanischen nur ein Buchstabe. Nein, verheiratet ist er nicht, ob ich verheiratet bin. Nee, aber ich hab einen Freund. Julio lässt sich nicht beirren, er meint ganz lässig, er könnte ja hier meinen Freund vertreten. Meine Herrn, dafür musst du aber noch ein Stückchen wachsen und 20 Jahre jünger werden. Er ist nämlich schon 40, also der Bauarbeiter, nicht mein Freund. Nun ja, mit dem Versprechen, ihn zu informieren, sobald ich weiß, was ich morgen Abend mache und nachdem er mir versichert hat, dass er heute Nacht von mir träumen wird, kann ich mich endlich mal loseisen. Eine Dreiviertelstunde hat er mich dahingestellt, erschrecke ich, als ich im Wohnzimmer auf die Uhr gucke. Laetitia hat schon mal angefangen, Paprika zu schneiden und nun lachen wir uns gemeinsam über die Avancen des Julio schlapp. Dazu muss man wissen, dass wir vor einigen Tagen ein bisschen Theater gespielt haben und in einer Situation war Laetitia ein Bauarbeiter und ich das Mädchen, das von ihm angeflirtet wird. Julio hat fast genau das gleiche gesagt wie Laetitia in ihrer Rolle. Ich komme mir auch ein bisschen gemein vor, weil nur ich beachtet werde und Laeti immer blöd daneben steht, denn in Deutschland ging es mir genauso wie ihr jetzt in Spanien. Obwohl ich hoffe, dass mich auch mal jemand jüngeres anflirtet. Das Essen ist sogar noch besser, als ich es mir vorgestellt habe und so lassen wir den Abend gemütlich ausklingen, nur unterbrochen durch einen kurzen Anruf von Julio, der mir noch süße Träume wünscht. Trotzdem, morgen frage ich mal vorsichtig bei Maria Jesús, wie man denn so jemanden wieder loswerden kann und was das bedeutet, mit jemandem zum Abendessen auszugehen.