L’viv, czyli Breslau IV
Schon mal am Ostersonntag auf den Straßen Wasser ins Gesicht bekommen? Eine ukrainische Ostertradition, das hat Johannson gewusst, aber jetzt zum ersten Mal erlebt. Dafür hat er aber andere schöne Seiten von L’viv kennen gelernt.
Man lässt mich trotzdem übernachten und ich mache mir eine mentale Notiz, dass morgen Gastgeschenke hermüssen und zwar gute. Zum Frühstück wird das geweihte Pas’cha nun auch offiziell angeschnitten. Für den Tag habe ich ein drittes Mal vor, in die Kirche zu gehen, diesmal mit Natalia und Clayton. Bis dahin will ich wenigstens noch ein paar der vielen nicht gesehenen Sachen nachholen.
Als erstes auf dem Programm ist der Hügel über der Stadt, mit der Ruine des ursprünglichen Schlosses und Aussichtsturm. Sonntagmorgen sind die Strassen leer, man bemerkt die Masse entzückender Cafés und ich verstehe das traurige polnische Mädchen in Lublin, dass gerade von seinem Freiwilligendienst hier zurückgekommen war. Es ist eine Freude durch Strassen zu laufen, sogar wo sie nicht restauriert sind.
Allerdings passe ich nicht auf und kriege von einer Horde nicht sehr niedlicher Kinder eine Ladung Wasser ins Gesicht. Ostersonntagstradition, das war mir bekannt, aber bei diesem ersten praktischen Kontakt hätte ich meine kulturelle Offenheit mit einem Fußtritt ausgedrückt wenn ich nah genug gekommen wäre.
Das passierte auf dem alten Markt, dem Zentrum der ehemals jüdischen Viertels, von dem noch ein paar Ziegel und Gedenksteine übrig sind. Über dem Benediktinerkloster steige ich dann auf den Hügel, von wo man tatsächlich einen schönen Blick hat. Ich wusste gar nicht, dass die Stadt um den Berg herum und auf der anderen Seite weiter geht. Am Aussichtspunkt ist eine Gedenktafel für den Kosaken, der der Ukraine die bis 1992 einzigen drei Jahre Unabhängigkeit erkämpft hat, ausgerechnet gegen das Polnisch-Litauische Reich. Ein paar Polizisten erschrecken mich, aber die wollen nur ein Foto vor der wehenden Nationalflagge.
Beim Abstieg lerne ich eine Ladenverkäuferin kennen, die sieben Jahre in Warschau gelebt hat. Entlang einer der Routen des Reiseführers laufe ich an einem halben Dutzend Kirchen und Touristenkram wieder in die Stadt um in der Partisanenkneipe was zu essen. Dann stehe ich mir eine Weile die Beine an der verabredeten Kirche in den Bauch, aber der Gottesdienst fällt aus und Natalia und Clayton kommen auch nicht. Also Zeit für Geschenke. Osterglocken für Olga, Honigvodka für Vlad, ein Autopuzzle für Artem, alle sind glücklich.
Dafür machen sie mir noch Abendbrot und geben mir zwei Leib Pas’cha mit auf den Weg. Olga bringt mich zum Bahnhof. Dort verabschieden die Eurowaisen wieder ihre Eltern, Kinder, Geschwister, Ehemänner. Diesmal werden wir an der Grenze noch stärker durchsucht und nur ich mit dem schönen EU Ausweis werde zumindest nicht beleidigt. Später holen uns noch Clayton und Natalie ein, die mit dem Bus eine Stunde später gefahren sind. Sie schreiben am nächsten Tag, sie mussten noch länger warten, weil aus ihrem Bus zwei Säcke Zigaretten gezogen wurden.
Sechs Uhr morgens bin ich wieder in Warschau und fahre direkt zur Arbeit. Die Rezeptionistin hat Montag tatsächlich mit Sorge an mich gedacht.