Kleines Land - nahe Grenzen!
Arianne macht ihren Europäischen Freiwilligendienst in Luxemburg. Die geringe Größe des Landes mag viele Einwohner nerven, Arianne hat dem jedoch bereits viele unschätzbare Vorteile abgewonnen.
Seit September 2005 lebe und arbeite ich nun schon im Rahmen des Europäischen Freiwilligendienstes in Luxemburg, nach Malta dem zweitkleinsten Mitglied der Europäischen Union.
Aber erst nach sechs Monaten, die sich viel viel kürzer anfühlen, traue ich es mir endlich zu, Youthreporterin zu werden und einen kleinen Überblick darüber zu geben, was sich hier alles so abspielt. Denn Luxemburg hat trotz seiner Größe (oder besser seiner Kleine) hinsichtlich Europa-Kompetenz und Attraktivität unendlich viel zu bieten.
Als einer von sechs Gründerstaaten der EU nahm Luxemburg von Anfang an Einfluss und heute ist es mit den hier ansässigen EU-Institutionen wie zum Beispiel dem Europäischen Gerichtshof und dem Europäischer Rechnungshof ein Land, an dem sich Teile der EU-Elite regelmäßig treffen. Aber das nur nebenbei...
Luxemburg gehört zu den klassischen Einwanderungsländern. Der Ausländeranteil ist mit 39 Prozent im Land und fast 54 Prozent in der Hauptstadt enorm hoch. Und trotzdem scheint das Multi-Kulti hier besser als anderswo zu funktionieren. Luxemburg ist noch die kleine reine Insel Europas, die sich bisher vor größeren Gesellschaftsproblemen bewahrt hat. Hier gibt es noch keine wochenlangen Rekordstreiks oder Gewaltdemonstrationen junger Erwachsener wie in den Nachbarländern Deutschland und Frankreich. Den luxemburgischen Bürgern geht es gut! Nur, dass sich leider wenige von ihnen darüber im Klaren sind.
Ich wohne im südlich gelegenen Dudelange, das mit seinen 18.000 Einwohnern schon zu den größeren Städten des Landes zählt. Frankreich ist mit dem Auto etwa fünf Minuten von meinem neuen Zuhause entfernt und es kommt gar nicht selten vor, dass ich nach der Arbeit so eben mal „rüber jogge“, berauscht von dem Gefühl, die Grenze, die schon lange nur noch ein Schild ist, überquert zu haben. Eigentlich wollte ich ja meinen EFD in Frankreich machen, aber als das nicht klappte, dachte ich mir, hier sprechen sie ja schließlich auch alle Französisch! Das ist zumindest wahr. Neben Luxemburgisch sind Deutsch und Französisch offizielle Amtssprachen des Landes und jeder Luxemburger beherrscht sie fließend, wenn nicht perfekt.
Das hat den Vorteil, dass ich als Deutsche die Luxemburger spielend leicht kennen lerne und den Nachteil, dass meine Faulheit den Sprachen-Lern-Ehrgeiz besiegte.
Ich beneide sie sehr! Die Luxemburger, die neben den drei erwähnten Sprachen auch noch Englisch und sogar Italienisch/Spanisch und/oder Portugiesisch können, genießen dadurch große Vorteile. Es gibt erst seit drei Jahren eine eigene Universität, die noch im Auf- und Umbau ist. In der Folge studiert die Mehrzahl der jungen Leute entweder in Frankreich, Deutschland, Belgien, Österreich oder der Schweiz, wobei sie ihre Fremdsprachenfähigkeiten vertiefen. Kinofilme sieht man sich hierzulande meistens auf Englisch mit französischem und niederländischem Untertitel an. Für niemanden ein Problem - außer für mich vielleicht! Wo ich also vor französischen Verkäufern, die hier als Pendler arbeiten, ins Stottern gerate, wechseln Einheimische ohne Gedankenpäuschen die Sprache.
Pendler gibt es viele! Trier, die älteste Stadt Deutschlands ist 40 Minuten Autofahrt nah, Brüssel in zwei Stunden, Paris in dreieinhalb, Amsterdam immerhin in nur vier Stunden zu erreichen. Europabummler wie ich kommen also auf ihre Kosten!
Die ungewöhnlichste Europa-trifft-sich-in-Luxemburg-Erfahrung machte ich ganz zu Beginn. Gerade erst angekommen, erkundigte ich mich nach einem Basketballverein, um mein langjähriges Hobby auch im Ausland fortzuführen. Und siehe da, es gab einen in Dudelange, direkt vor meiner Haustür. Als ich den Trainer in der Halle ohne Vorankündigung aufsuchte, war er ganz perplex! Wir kennen uns schon von früher aus Deutschland und mit einem Wiedersehen im kleinen Dudelange hatte sogar er nicht gerechnet!
Doch der für mich schönste Vorteil bleibt, dass man jeden Fleck des Landes innerhalb kürzester Zeit erreicht: Um hier von Süden nach Norden zu gelangen, brauche ich nicht mal solange, wie in meiner Heimatstadt Berlin von Osten nach Westen. Ich kann meine neuen Freunde sooft treffen, wie ich möchte und die zurzeit ungefähr 25 Europäischen Freiwilligen kennen sich hier alle persönlich. Die Leute von der Nationalagentur wissen, wer ich bin, obwohl ich noch nie Probleme hatte und mich dort melden musste und so habe ich immer einen Ansprechpartner. Genau das ist Luxemburg: Man kennt sich! Und falls nicht, dann finden die Luxemburger beim Kennenlernen zumindest schnell untereinander Zugang: Jeder kennt vom Hören die Schule, die der andere besucht hat, den Sport- oder Musikverein, den Pfadfinderstamm und nicht selten stellen sie fest, dass sie einen gemeinsamen Bekannten haben oder entfernt verwandt miteinander sind. Man weiß schnell über den anderen Bescheid. Das, was die meisten Luxemburger zeitweise zu Tode nervt, ist für mich Vorteil und Reichtum dieses Landes.
Einen, von mir heiß begehrten Praktikumsplatz bei der größten luxemburgischen Tageszeitung zu kriegen, ist hier kein Problem - in Deutschland fast unmöglich. Ein Radio-Interview und ein Vortrag an der neuen Uni in Luxemburg, beides über den EFD, gehören zu meinen bisherigen Highlights im kleinen, aber feinen Luxemburg!