Keine Arbeit, keine Zukunft: Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich
Das Thema Jugendarbeitslosigkeit ist in Frankreich nach wie vor brisant. Okapi sprach mit Betroffenen und arbeitet die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu Deutschland heraus.
Als im Herbst 2005 die Autos in den Pariser Banlieues brannten, kam das Integrationsproblem Frankreichs allzu deutlich zum Vorschein: Nicolas Sarkozy, damals noch Innenminister, schlug eine gründliche Reinigung wie mit dem Hochdruckreiniger "Kärcher" vor, dann wäre man die vielen ausländischen Jugendlichen ein für alle Mal los. Ein Vergleich, den ihm heute noch viele nicht vergeben haben. Doch die zahlreichen Jugendlichen aus Frankreichs ehemaligen Kolonien und aus Nordafrika, so genannte "Maghrébins", stellen tatsächlich ein großes Problem für Frankreich dar. Warum aber gingen sie auf die Strasse, brannten Autos nieder und brüllten den Polizisten ihre Wut ins Gesicht? Man hatte sie in die Vorstädte abgeschoben, ohne Ausbildung oder Arbeit sahen sie keine Zukunft in diesem Land. Es hilft nichts, die Hochhäuser in Clichy-sur-Bois bunt anzumalen (tatsächlich ein ernst gemeinter Vorschlag), der Kern der Sache ist es doch, den Jugendlichen eine Ausbildung oder Arbeit zu vermitteln!
So ist das Thema in Frankreich immer noch brisant, viele sehen in einer guten Arbeitsvermittlung die Lösung gegen Unzufriedenheit und Unruhe. Es ist jedoch umso erschreckender, dass drei Jahre nach den Pariser Autobränden die Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich immer noch ein hohes Niveau hat. Ein zu hohes Niveau. 20 % der französischen Jugendlichen zwischen 15-24 Jahren sind arbeitslos, weit mehr als zum Beispiel in Deutschland. So folgt nun ein kurzer Bericht über Arbeitssuche, Arbeitsvermittlung und Arbeitsverlust bei Jugendlichen, und wie wichtig es manchmal ist, Arbeit zu haben.
Was nach drei Monaten in Frankreich auffällt: es gibt erschreckend viele Bettler. Nicht nur heruntergekommene Punks oder Zigeuner, sondern auch Menschen, die einmal Haus, Familie und Arbeit hatten. Menschen wie Christoph*. Er verlor seine Arbeit, seine Frau verließ ihn samt den Kindern, das Haus wurde verkauft und er fiel in eine tiefe Krise. Mit Hund, Hase, Zigaretten und Bier verbringt er nun seine Tage in der Einkaufsmeile. Nachts schläft er hinter den Büschen bei der Kirche. Auf die Frage, wie er den Winter verbringt, will er nicht antworten. Aber auch er war einmal ein normaler Angestellter mit Konto, Familie und Haus. Das ist das Erschreckende daran.
Im Gespräch mit französischen Jugendlichen entdeckt man im Bereich der Arbeitslosigkeit dennoch schnell Gemeinsamkeiten: Akademiker sind nicht so stark von Arbeitslosigkeit betroffen, mit einem Abitur in der Tasche scheint der Arbeitsplatz gleichsam vorreserviert. Viele machen ein Praktikum, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, man lernt den praktischen Arbeitsalltag kennen und der Lebenslauf freut sich auch. Doch man bemerkt auch einige Unterschiede: in Frankreich beträgt die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen 20 %, Deutschland ist mit 14,9 % (2005) vergleichsweise gut gestellt. Als neu eingestellter Arbeitnehmer ist der Arbeitsplatz zudem noch nicht sehr sicher, mit befristeten Arbeitsverträgen (C.D.D.) bleibt die Zukunft unkalkulierbar.
Das Engagement der sozialen Einrichtungen für Jugendliche scheint hier ungleich größer, neben dem französischen Arbeitsamt ANPE bietet auch "Mission Locale" speziell für Jugendliche Beratung bei der Arbeitssuche an. Findet man nach dem Studium nicht sofort eine Stelle, sehen manche Jugendliche in einem Auslandsjahr die ideale Lösung ihrer Probleme. Gerade in den künstlerischen Berufen ist zudem eine Festanstellung oft nicht sofort nach dem Studium möglich. Mathilde*, die Kunst und Design in Paris studierte, sucht nun bereits seit eineinhalb Jahren nach Arbeit. Von einem Jahr "Work and Travel" in Neuseeland erhofft sie sich nun Veränderung und Neuorientierung. Oder Jean-Luc*, welcher Kinematographie in Rouen studierte und nun mit 23 Jahren gerne in diesem Bereich weitermachen würde. Doch hat sich noch nichts gefunden, so engagiert er sich ehrenamtlich bei Videokursen, wartet und hofft.
Insgesamt gesehen ähneln sich wohl Deutschland und Frankreich im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit in vielen Dingen. Nur hat Frankreich deutlich mehr damit zu kämpfen, Ausländer in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das liegt nicht nur an seiner geographischen Nähe zu Afrika, sondern auch an seinen ehemaligen Kolonien, aus denen nun viele mit der Hoffnung auf ein besseres Leben an Frankreichs Tür klopfen. Doch darf die deutlich höhere Arbeitslosigkeit von Jugendlichen in Frankreich nicht zu einseitig gesehen werden: in Frankreich werden durchschnittlich mehr Kinder als in Deutschland geboren, somit ist die Bevölkerung auch deutlich jünger als in Deutschland und in den Strassen und Trams sieht man weniger alte Menschen als im östlichen Nachbarland.
Insgesamt sind das vielleicht nur "Wohlstandskrankheiten" eines satten Westeuropas, doch sind die Jugendlichen von heute die Angestellten von morgen und die Jugendarbeitslosigkeit ein Problem, das nicht übersehen werden darf.
* Name geändert
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