Kampf für den Frieden: Cambridge
Die letzte Reise
Die letzte Reise
Alles hat ein Ende. Bei mir heißt es Cambridge, letztes Ziel meiner Reisen. Zwar ist es lediglich der kleine Bruder von Oxford, aber zu letzterem braucht man lächerlich lange mit dem Zug, da reichen die vier Stunden nach Norfolk schon aus. Mir ist inzwischen nicht mehr ganz klar, weshalb mein Urlaub nicht genehmigt wurde, von hektischer Betriebsamkeit sind wir meilenweit entfernt. Weil ich am Nachmittag noch weniger gebraucht wurde als vom Morgen, wurde mir mal wieder einfach frei gegeben. Zumindest war ich so früh in Durham, wo ich endlich das außerordentliche Vergnügen hatte, eine Chorprobe mit anzuhören. Ich bin inzwischen überzeugt, nachdem ich Kirchen im ganzen Land gesehen habe, dass wir hier in Durham, vielleicht mit York, die schönste und gewaltigste Kathedrale der gesamten Insel haben.
Aber irgendwann musste ich dann auch wieder los um meinen Zug zu kriegen und so früh wie ich auch losfuhr, kam ich nicht vor neun Uhr abends an, da ich noch zweimal umsteigen musste. Vorbei sind die weißen Nächte, wo es bis beinahe Mitternacht nicht richtig dunkel wurde. Als ich um neun durch das flache Land um Cambridge fuhr, war es schon finster und man fühlte sich wie im Winter. Trotzdem konnte man noch sehen, wie flach die Landschaft wirklich ist; die von Kanälen durchzogenen Wiesen auf Meereshöhe lassen es aussehen wie Holland.
King's College: Im Glashaus
Nach einer Nacht in der Jugendherberge, in der sich meine Oropax wieder bezahlt machten und einem Frühstück, bei dem das Geld das nicht tat, ging es los in die Stadt. Nicht mit dem Fahrrad, das ja so typisch ist für Cambridge, sondern zu Fuß. Das war zuerst alles ziemlich enttäuschend, weil vor zehn kaum was aufhatte, weder die Touristeninformation noch eine Bank. Von daher bin ich gleich in eins der Colleges gegangen. Wie Oxford ist Cambridge als Reiseziel primär wegen seinen vielen Studentenwohnheimen interessant, die seit dem 14. Jh. eins nach dem anderen gebaut worden waren. Die beiden wichtigsten sind, soweit ich meinem Besucherführer glauben kann, das King's- und das Trinity College. In ersteres bin ich somit rein, bereits leicht genervt von den Touristenmassen, die langsam die King's Parade, also die Hauptstrasse vor den wichtigsten Colleges, zu verstopfen begannen. Daher war es eine große Erleichterung zuerst in die Kapelle der Anlage zu kommen. Auch wenn das Personal einem mit seiner herablassenden, kalten Art eindeutig klar machte, dass man sich in einem der reichen Orte des Südens befand.
Wie dem auch sei, die Kapelle war jeden Ärger wert. Ich gehe es mal eins nach dem anderen ab. Erstens, die Decke. Nicht so unglaublich hoch, aber dafür mit einem Fächermuster überzogen; so filigran wie ich es noch nie gesehen habe. Überall Mittelrosen und die Embleme Heinrich's VIII, der King's College ja gegründet hat, deshalb auch der Name. Ein großer, reich verzierter Holzschirm vor dem Chor, dahinter Regimentsflaggen. Über allem aber sind die Fenster zu nennen. Die halbe Kapelle besteht aus buntem Glas, was ihr eine unglaubliche Transparenz, Helle und Leichtigkeit gibt und sie außerdem weit größer erscheinen lässt. In den Seitenkapellen waren Ausstellungen zur Konstruktion des Gebäudes untergebracht, die ich mir selbstverständlich alle antat, im Gegensatz zu den durch stürmenden französischen Schulklassen.
Venedig liegt im Hinterhof
Als ich da rauskam, war ich eigentlich kaum noch aufnahmefähig, aber der Rest des Geländes macht es einem da schön einfach und füttert einen mit kleinen Häppchen von Architekturhistorie, um jetzt mal ein besonders schickes Wort zu benutzen. Wieder in der Sonne steht man zuerst einmal vor dem Rasen des Innenhofs, was gleich ein sehr entspannender Eindruck ist. Überhaupt ist Cambridge ziemlich grün, eben auch nicht besonders groß und gerade die Colleges haben darauf geachtet, Stress durch Gras und Parks entgegen zu wirken. Ganz vorne am Eingang vom King's steht der große „Schirm“, eine äußerst elegante, weiße Mauer zur Straße hin, die irgendwo etwas Indisches hat und mich an den Sommerpalast in Brighton erinnert. Dann sind da noch die Esshalle und die Bibliothek, aber die kann man alle nicht betreten. Dafür geht es hinter dem College in seinen Garten, oder besser den Park. Alle Wohnheime liegen mit der Rückseite nämlich an der Cam und haben auf der anderen Seite dieses namensgebenden Flüsschens Grünflächen. Weil alle Colleges neben einander liegen, tun das auch die Parkanlagen und so summieren sich die individuell eher kleinen Flächen zu einer großen, langen Gartenkette entlang des Flusses. Und sie sind toll. Klein, aber fein; mehr als fein sogar: wunderschön. Echter englischer Rasen umgeben von Bäumen, auf der anderen Seite die attraktiven Bauten der Colleges. Über den Fluss führen viele kleine Brücken und auf ihm staken Unmengen kleiner Boote entlang, was einem kaum eine andere Wahl lässt als sie mit Venedig zu vergleichen. Der Urlaubsfaktor, den das einfache Liegen am Fluss und das Lauschen des Plätscherns, das die Boote haben, ist kaum zu beschreiben.
Kunst & Kaffee: Kultur pur
Wobei diese Erzählung einen falschen Eindruck vermittelt: zu solch entspannten Szenen kam ich noch lange nicht. Zuerst war nämlich Stress angesagt. Dabei ging es erst einmal so nett weiter. Nachdem ich King's College äußerst zufrieden wieder verlassen hatte, bin ich noch in die Universitätskirche gleich gegenüber gegangen, von deren Turm man einen passablen Blick über die Stadt erhalten kann. Inzwischen waren auch alle Geschäfte auf und ich schaute kurz in der Touristeninformation vorbei um eine brauchbare Karte und Postkarten zu besorgen. Jedoch wichtiger ist, was ich auf dem Weg durch die Gassen zurück zur King's Parade fand: einen Buchladen. Jetzt mag sich der geneigte Lese fragen: Aber Johannes, was ist so besonders an einem Buchladen? Nun, das war ein richtiger Buchladen, so ein altmodischer mit Regalen berstend voll mit Büchern unterschiedlichster Thematik und Alter. Und in einer Ecke, begraben unter Schriften, saß ein Verkäufer, der doch tatsächlich einen Überblick über dieses Chaos hatte. Selbstredend habe ich dort auch etwas gefunden, denn wo die großen Ketten versagten, konnte man hier die Fortsetzung von „Alice im Wunderland“ separat finden, d.h. ohne den ersten Teil nochmal zu kaufen. Und zwar eine uralte Ausgabe für gerade mal fünf Pfund, vorne ist mit Bleistift „1927“ reingeschrieben. So etwas nennt man Mehrwegprodukt: Man kann es nicht nur lesen, nein, danach ist es auch noch perfekt geeignet um damit anzugeben! Dann gab es da noch ein anbetungswürdiges Bilderbuch mit Kinderreimen, dem Aussehen nach vermutlich noch von Gutenberg persönlich gedruckt. Nicht für mich, nein, ich hätte es gerne Hanni geschenkt, die sucht ja immer nach Sachen, die sie ihren kleinen Sonnenscheinen vorlesen kann. Aber, na ja, der Preis war dann doch etwas heftig. Danach hab ich nur noch meine armen Beine etwas in einem Café ausgeruht, dass wird jetzt jeden von Euch überraschen. Zusammen mit Baumärkten schaffen sich jetzt auch viele Buchläden Cafés an, vor allem die großen Ketten, was ich sehr begrüße. An der Straße einen Cappuccino zu trinken ist für mich Landkind ja schon Zivilisation pur, aber dabei auch noch Unmengen teilweise sogar richtig gute Bücher um sich zu haben, da kriegt man den Mund kaum noch zu. Ich habe sogar noch etwas Interessantes gefunden: Xenophobe's Führer zu den Polen, Teil einer ganzen Serie; leider war der Part über die Deutschen nicht da (oder schon ausverkauft), der hätte mich ja auch mal interessiert.
Zielverlust
Dann wollte ich zur angeblich wichtigsten Attraktion der Stadt, dem Trinity College. Aber nun ging der versprochene Stress los. Gerade als ich auf das Tor zugehe, bieg eine lange, weiße Limousine dorthin ab, hält davor und spuckt ein Hochzeitspaar aus. Dem folgten noch einige aufgetakelte alte Frauen in Kleidern, die für ihr Alter zuviel zeigten und dann ging die Tür zu, Trinity College ist heute geschlossen. Fantastisch. Nun bin ich ja ohnehin ein großer Fan von glücklichen Pärchen vor meiner Nase und von Hochzeiten sowieso, jetzt mal ganz abgesehen von rausgeputzten Leuten mit zuviel Geld die die Öffentlichkeit (d.h. mich) aussperren um ihre Privatangelegenheiten zu erledigen. Zudem werde ich müde und hungrig und nach einer Weile ist dieses Gefühl wieder da, dass all die Reisen, all die Mühe, völlig sinnlos sind mit nur noch 10 Tagen bevor sowieso alles zu Ende ist. Plötzlich kotzt mich nur noch alles an, die teuren Geschäfte, die Massen dummer Touristen (zum Glück zähle ich mich natürlich nur halb dazu...), diese ganzen aufgetakelten „Brasserien“ und „Patisserien“ aus kaltem Stahl und Glas, diese widerliche, der Seele beraubte Kopie und Nachahmung (Paul hat recht, wenn Cafés in der Kultur dieses Landes wären, würde man einen Cappuccino an jeder Ecke bekommen und 50p kosten statt £2.50), die aufdringlichen Studenten die einem ihre Flugblätter unter die Nase drücken, all diese grinsenden mitdreißiger Yuppies in ihren Anzügen und Gelhaaren. Das Wetter tut sein übriges, denn obwohl es nicht regnet, ist auch die Sonne noch keine einziges Mal durch die weiß-graue Wolkendecke gebrochen. Wozu mache ich das? Statt durch Kirchen zu schleichen würde ich lieber einen Hammer nehmen und einen Pfahl einrammen oder eine Mauer einreißen, oben bei uns, wo man keinen Schlips braucht. All die Motivation die mich ein ganzes Jahr lang vorangetrieben, voran gepeitscht hat, ist weg. Zum ersten Mal fühle ich mich...einsam. Man stelle sich das vor: ich, mit dem Wunsch nach Menschen. Nun ja, nicht irgendwelchen, hier sind ja mehr als genug und ich wünschte mir die Straßen für mich allein. Nicht einmal die Heerscharen Spanier und Italiener und Franzosen und Orientalen können mich retten. Auch wenn einem wieder auffällt: wo Spanier fröhlich sind, wirken Engländer nur laut, wo Spanierinnen schön sind, sind Engländerinnen bestenfalls sexy. Und kein Freund der mich tritt...
Nirgends ist man sicher
Nun, auch diese Phase geht vorüber. Weicht dem bewährten beleidigenden Sarkasmus, der mich solange begleitet hatte, ehe ich hier rüber kam. Bevor ich mich für eine Alternative entscheiden kann besorg ich mir erstmal etwas Essen und schlendere zerstreut durch einige weitere Buchläden, noch immer suche ich das Original des kleinen Prinzen: Man will ja sein Französisch nicht schleifen lassen. Dann geh ich eben in St. John's College gleich neben an. Das zahlt sich auch aus; die Hauptgebäude sehen zwar fast genauso aus wie im King's, aber auf der anderen Seite des Flusses haben sie den New Court, also den „Neuen Hof“, ein grandioses Gebäude, verspielt und trotzdem mächtig wie ein Märchenschloss; vor allem in Morgen- oder Herbstnebel wohl extrem verzaubert. Der lag auch als einziges Gebäude auf der Parkseite, was ihn besonders filigran erscheinen ließ. Dort habe ich dann endlich den oben schon beschriebenen Frieden gefunden. Entlang der Cam kann man zumindest den Park des Trinity College von hinten betreten. Auf dem Rasen am Fluss gegenüber Wren Library, seines Bibliotheksgebäudes, liege ich und lese, was die Polen so treiben. Auf der Brücke links von mir beobachte ich eine Lehrerin bei der bemitleidenswerten Aufgabe, einer Gruppe Teenager-Südländer mit eminent schwingendem Zeigefinger etwas über die Geschichte des Ortes erzählen zu wollen. Am anderen Ufer sitzt ein japanischer Familienvater mit einer Fernbedienung und jagt sein Spielzeugschiffchen über das Wasser, zur hellen Begeisterung anderer Asiaten in Booten.
Das hätte so schön sein können. Aber die ewige Plage dieser Welt sucht Dich auch in den abgeschiedensten Winkeln heim: Pärchen auf zwölf Uhr! Als wenn es nicht schon schlimm genug gewesen wäre, dass Trinity College zu blockieren, taucht jetzt natürlich dieses Hochzeitpaar wieder auf um den Frieden auch hier zu stören. Müssen unbedingt Fotos machen wie unglaublich glücklich sie sind, auf der anderen Flussseite, ich schwöre direkt gegenüber mir... Sind die ganzen Studentenpärchen nicht genug, jung und schön und in der Blüte ihres Lebens? Muss das ältere Paar im Boot auf dem Fluss genau vor mir parken um sich zu küssen, zu irgendeinem Jubiläum, die Sektgläser in der Hand?
St. John's College: Grumpy young man
In St. John's habe ich den gesamten Nachmittag und frühen Abend verbracht, mit den botanischen Gärten wurde es also heute nichts mehr. Das war überraschend interessant, wenn auch nicht viel anders als King's.
Genervt haben mich diese Brutalo-Touristen mit dem blinkenden, piepsenden Technikkram. Hier gibt es auf der BBC ein Programm „Grumpy Old Men“, was eine ironische bzw. selbstironische Bezeichnung für alte Männer ist, die ständig meckern was heute alles falsch ist. Es ist in einzelne Interviews verschiedener bekannter Leute unterteilt, die in einer fantastisch polemischen und treffend spitzer Form gegen solche Übel wie Farbdisplays und Call Centres zu Felde ziehen. Das sind auch äußerst intelligente Charaktere und die Sendung zählt zu meinen absoluten Lieblingen im Fernsehen. Das einzige was mir Sorgen macht ist, in wievielen Punkten mir diese alten Menschen bereits aus der Seele sprechen. Ja verdammt, sie rauben mir den letzten Nerv! Diese Leute deren Handys in Kirchen klingeln und deren Hightechkameras eine halbe Symphonie beim Anmachen spielen und deren Videorecorder bei jedem Knopf quieken und piepsen um auch die dunkelste und uninteressanteste Ecke aufzunehmen. Wo sind die Zeiten als es reichte, wenn sie als Hauptfunktion Bilder aufnahmen anstatt über Satelliten E-Mails abzurufen? Mein Gott ich bin 21, ich sollte mir solche Fragen noch nicht stellen!
Nach diesem College habe ich mir nur noch den Stadtpark angesehen, auf dem Weg die Synagoge immer noch geschlossen vorfindend. Der Park war was man erwarten würde, sehr nett gelegen an der Cam und mit einem angenehmen Pub, wo ich noch eine Stunde verbrachte, bevor es wieder zurück Richtung Innenstadt ging, wo ich mich durch die ersten Nachtschwärmer kämpfte und zur allgemeinen Überraschung noch in einem Café die Beine baumeln ließ. Erst gegen halb zehn hatte mich meine Herberge wieder, wo ich noch einige Polen traf bevor ich ins Bett fiel; die Truppe ist hier drüben auch überall.
Neuer Tag? Das Murmeltier-Moment
Sonntagmorgen war ich erst einmal überwältigt, wie alles zu hatte. In der Nähe des Youth Hostels war eine Moschee auf der Karte verzeichnet, aber die war natürlich auch geschlossen, genau wie die Synagoge im Laufe des Tages; so wird also kulturelles Interesse belohnt. Noch war mit mir nicht viel los, weshalb ich mich erstmal bloß in einen kleineren Park östlich des Zentrums legte. Eigentlich hätte ich dort auch bleiben können und nur die Zeit ließ mich wieder weiter ziehen, denn mein Zug zurück ging ja schon kurz vor fünf und machte den Tag verhältnismäßig kurz. Großes Nachholziel für heute war natürlich das Trinity College, genau dahin bin ich schnurstracks gegangen und als allererster Besucher um punkt zehn Uhr praktisch mit der sich öffnenden Tür hineingeschwungen.
Was soll ich sagen, es war natürlich sehr nett und hübsch anzusehen, aber langsam kam ich Colleges betreffend zu dem Schluss: kennst Du eins, kennst Du alle. Immer der selbe quadratische Hof, immer die Kapelle auf der nördlichen Seite und Gönnerstatuen über jedem Durchgang...Wenn dann nicht solche Knaller wie die King's College Chapel da sind, weiß man quasi was hinter der nächsten Ecke kommt. Zugegeben war die Wren Library, am Vortag nur von der anderen Flussseite gesehen, von nahem überaus eindrucksvoll und vermutlich habe ich eine Menge in der Speisehalle verpasst, die zu dieser Jahreszeit leider nicht für Besucher offen war. Heute erfreuen mich die spanischen Schulklassen dann schon wieder... Arrrriba!
Kaffee trinken mit dem Prinzen
Hinter dem Gebäudekomplex lege ich mich für mein Lunch wieder an den Fluss, dieses Mal ungestört von glücklichen Menschen. So lange konnte ich ohnehin nicht bleiben, denn ich wollte mir noch die botanischen Gärten angucken und dann würde es bereits Zeit für die Rückreise sein. Bevor ich einen Bus bestieg, war noch Zeit für einen letzten Streifzug durch die Innenstadt. Der beinhaltete natürlich auch ein Café, aber, gelangweilter Leser, hier geschahen gleich zwei außergewöhnliche Dinge! Das war nämlich wieder untergebracht in einem Buchladen, einer dieser großen Ketten, Waterstones glaube ich, und dort, irgendwie muss ich diese Filiale am Samstag übersehen haben, fand ich dann endlich den kleinen Prinzen, mit den Bildern des Autors und sogar seinen Worten, in bunt, und Farbe. Und mit dem hab ich mir dann in im zweiten Stockwerk Koffein genehmigt und sehet, ein Wunder ward gewirkt: Zum ersten Mal wurde ich in einem dieser Ketten-Cafés von einer echten Italienerin bedient. Also nicht von diesem Serienklon „bereits gescheiterter Teenager auf Mindestlohn“, im Marketingjargon für dumme Konsumenten gerne „Barista“ euphemisiert (außer in Italien und Spanien vermute ich mal). Literarisch also ein sehr erfolgreiches Wochenende.
Mit dem Bus ging es dann aber wirklich direkt zu den Botanischen Gärten, auch wenn man erstmal um drei Ecken und wieder zurück laufen musste um endlich mal den passenden Eingang zu finden. Als Uni-Einrichtung waren sie sowohl optisch als auch qualitativ solide, obwohl ich zugeben muss, die meiste Zeit eher ziemlich müde am See gelegen zu haben, als interessiert über Transpirationskontrollsmechanismen der Trockenmoose im Steingarten zu mutmaßen. Dafür lernte ich, mit Polen besser nicht zu diskutieren. Das wusste ich zwar vorher auch schon, aber es ist ja trotzdem was wert, oder? Ein bisschen hab ich natürlich schon gesehen, aber was bringt es mir wenn ich nicht mehr aufnahmefähig bin? Sowieso, das Wochenende neigte sich dem Ende, da wird sich ausgeruht.
Der Ungläubige
Kurz darauf brach ich dann nämlich wirklich alle Zelte ab, holte mein Gepäck aus der Jugendherberge und fuhr nach Hause auf die Farm. Mit vielen Irrungen und Wirrungen und verlegten Zügen und Bahnsteigen zwar, aber immerhin, ich bin angekommen. In der Begleitung einer Dame aus Sunderland, die mir meine Meinung über ihre „Stadt“ wohl etwas übel nahm. Aber diese Leute werden es eben nie verstehen (und diese Saison sowieso wieder absteigen, nebenbei gesagt) ! Auf der Farm war kein weiteres Schaf gestorben. Sondern ein Kalb. Zum Glück war das meine letzte Reise. Zum Glück für Schafe und Kälber. Immer noch ist die Aussicht, in zehn Tagen in eines der das ganze Jahr mit Sorge beobachteten über unser Land fliegenden Flugzeuge zu steigen, vollkommen absurd. Ich kann es mir einfach nicht vorstellen, so irreal wirkt es. Unsinnig, lächerlich. Doch alles, was mir jetzt noch bleibt ist ein Wochenende ungewohnterweise zu Hause, vollgepackt mit Putzen, Wegschmeißen, Packen und Abschieden.