"Je suis nul en anglais, désolé!"
Gemäß des EF EPI (English Proficiency Index) aus dem Jahr 2017 schafft es Frankreich nur auf Platz 32 - insgesamt wurde das Englischniveau in 80 Ländern untersucht. Doch warum hapert es in Frankreich so gewaltig an Englischkenntnissen? Meine persönlichen Erfahrungen damit teile ich in diesem Beitrag. Viel Spaß beim Lesen!
Vor 9 Monaten bin ich hier in Laval, Frankreich, angekommen. 9 Monate, in denen ich unglaublich viele neue Leute kennen und lieben gelernt habe und in denen ich in die französische Lebensart und Kultur reinschnuppern durfte. Je mehr Zeit man in einem fremden Land mit Einheimischen verbringt desto mehr fallen Eigenheiten und spezifische Verhaltensweisen auf. Mir ging es genauso, mir ist im Laufe der Zeit so einiges aufgefallen – auf das meiste haben mich auch meine französischen Freunde aufmerksam gemacht.
Typisch französisch?
Klar kennt man in Deutschland (und nicht nur hier, da bin ich sicher) das « typische » Bild des Franzosen mit Baskenmütze auf dem Kopf, gestreiftem Shirt, Moustache, Zigarette im Mund und Baguette unterm Arm. Die Filmindustrie und Musikbranche hat dieses Bild meiner Meinung nach ordentlich beeinflusst und tut dies immer noch. Seit ich Filme wie « La vie en rose » oder « Midnight in Paris » gesehen habe, bekomme ich das Bild des Mundharmonika spielenden, Baskenmütze tragendem Straßenmusikers nicht aus dem Kopf. Als ich im Oktober dann das erste Mal in Paris war, habe ich mir gleich mal ebenso eine Mütze in einem U Bahn Shop geholt- man will ja den Pariser Flair spüren. Tja, blöd das ich soweit die einzige Person auf der Straße war, die diese so typische Kopfbedeckung dann auch tatsächlich getragen hat. Gut, ein paar andere Leute habe ich schon gesehen (Nicht- Franzosen wie sich dann übrigens beim genaueren Hinhören herausgestellt hat). Also eher typisch touristisch als typisch französisch!
Englisch? Nein danke! Die Mützenträger haben sich auf Englisch unterhalten, weswegen es nicht besonders schwer auszumachen war, dass es sich wohl um Touristen gehandelt hat. Und da wären wir auch schon bei einem Vorurteil, das sich leider zu immer wieder bewahrheitet hat: Viele Franzosen können leider nur sehr wenig bis gar kein Englisch sprechen. Allgemein fehlt es hier an Interesse für Fremdsprachen gewaltig. Zumindest was meine Erfahrungen anbelangt. Eine im Jahr 2015 von Education First durchgeführte Studie ergab folgendes:
„Auf Platz 29 von 72 Ländern, in denen im Jahr 2015 die Englischkenntnisse von insgesamt 950.000 Erwachsenen geprüft wurden, landete Frankreich. Schlechter als das Hexagon schnitten ausschließlich Nicht-EU-Staaten ab; das Schlusslicht etwa bildet Irak vor Libyen und Laos. Im innerfranzösischen Vergleich liegt der Süden - die Region Provence-Alpes-Côte d’Azur (PACA) - an viertletzter Stelle. Noch schlechter Englisch wird nur in der Bretagne sowie in den zentral gelegenen Regionen Centre-Val-de-Loire und Bourgogne-Franche-Comté gesprochen. Im Städtevergleich hält Toulon die rote Laterne: unter den neun verglichenen Großstädten nimmt die Hauptstadt des Var den letzten Platz ein - vor Nizza und Marseille. Gewonnen hat den Vergleich Bordeaux vor Lille und Paris.“ (Quelle: http://www.riviera-press.fr/zeit/content/so-schlecht-sprechen-franzosen-tats%C3%A4chlich-englisch)
Wenn ich erzähle dass ich deutsch, französisch und englisch spreche werden jedes Mal große Augen gemacht. Und dann noch ein bisschen Spanisch- ah la vache! Die Tatsache, dass Englisch hier so ein Riesenproblem ist hat mich ehrlich gesagt ziemlich überrascht und macht mich auch etwas traurig, vor allem seitdem ich über einige Hintergründe Bescheid weiß. Die meisten meiner französischen Freunde hier sind Studenten an der renommierten Universität ESTACA oder ESIA in Laval und haben ein sehr gutes Englisch Level (viel besser als meines). Damit gehören sie leider nur zu einem kleinen Teil der französischen Bevölkerung, der die englische Sprache richtig gut beherrscht. Evelina und ich haben uns oft gefragt warum das französische Schulsystem hierbei (sorry das sagen zu müssen!) versagt.
Doch woran liegt’s?
Englisch gehört anders als z.B. Spanisch oder Italienisch nicht zu den romanischen Sprachen, die aufgrund des ähnlichen Vokabulars oder der Aussprache für Franzosen leichter zu lernen sind. Für viele Franzosen ist die englische Aussprache (vor allem das “th” oder das “h”) ein ziemliches Problem, sie haben Angst Fehler zu machen, davor dass man ihren Akzent zu stark heraushört und ziehen es daher vor lieber gar nicht erst Englisch zu sprechen. Keine gute Idee. Einen Akzent zu haben ist doch überhaupt nichts Schlimmes und die Angst einen zu haben oder beim Sprechen Fehler zu machen, sollte beim Erlernen einer neuen Sprache kein Hindernis darstellen. Tut es in Frankreich aber dennoch.
Ein weiteres Problem ist, dass im Englischunterricht der Fokus eher auf die schriftliche Arbeit gelegt wird - da werden viele Aufsätze geschrieben, dafür aber vergleichsweise wenig Englisch gesprochen. Da ist es natürlich kein Wunder, dass es bei der Aussprache hapert und die Schülers nicht besonders selbstbewusst sind, wenn es dann mal dazu kommt Englisch zu sprechen. Das Interesse an der englischen Sprache hält sich eher in Grenzen. Zu schwierig, zu wenig im Alltag gebraucht. Dabei ist Englisch doch Weltsprache Nummer Eins und wird weltweit von über 1500 Millionen Menschen gesprochen! Selbst wenn man ein Land bereist ohne die Landessprache zu beherrschen, kommt man mit Englisch doch erstaunlich weit! Ich bin mir natürlich bewusst, dass ich hier nicht für die Allgemeinheit sprechen kann aber dennoch ist mir aufgefallen dass viele Franzosen gerne in ihrer Komfortzone, ihrem Land bleiben und vergleichsweise zu anderen Ländern weniger oft das Ausland bereisen. Die Sprachbarriere ist wahrscheinlich ein entscheidender Punkt.
Hoffnung für die Zukunft?
Ich hätte wirklich nicht gedacht dass sich dieses hartnäckige Vorurteil der nicht –englisch sprechenden Franzosen bewahrheitet. Ob das Interesse an Englisch steigen wird und die Scheu vorm Sprechen abnimmt? Meiner Meinung nach müsste ist dafür eine Schulreform notwendig, die den Englischunterricht an den Schulen attraktiver und den Englischunterricht aktiver (hinsichtlich des Sprechens) gestaltet. Englische Filme, Serien, Spiele im Unterricht, größere Wertlegung auf mündliche Mitarbeit, Auslandsaufenthalte etc. : Es gibt so viele Möglichkeiten Sprachunterricht interessanter zu gestalten! Ich bezweifle zwar, dass es in nächste Zeit dazu kommen wird, hoffe aber dennoch auf ein steigendes Interesse der Franzosen am Erlernen von Englisch. On verra ou: Let’s see.
Quellen :
http://www.weltsprachen.net/
https://www.welt.de/vermischtes/article4403861/Franzosen-liegen-im-Englisch-Test-ganz-weit-hinten.html
https://polyglotclub.com/help/language-learning-tips/french-are-bad-in-english/translate-german
https://www.ef.de/epi/regions/europe/france/