INTERVIEW: Verstehen ohne Worte
Kommunikation zwischen Leuten mit einem unterschiedlichen kulturellen Hintergrund - dafür interessiert sich die Italienerin Marina Kalligianni.
Kommunikation zwischen Leuten mit einem unterschiedlichen kulturellen Hintergrund - dafür interessiert sich die Italienerin Marina Kalligianni. Während ihres Studienaufenthalts in Berlin und auch während ihres Europäischen Freiwilligendienstes im griechischdeutschen Kulturzentrum Filia führte sie Interviews über interkulturelle Freundschaften zu erfahren. Die Gespräche fanden in den Monaten Januar und Februar 2003 statt.
Sie sprach unter anderem mit Jörg Syberg: Der 26-Jährige wohnt in Berlin und ist Angestellter bei der Fluggesellschaft Lufthansa. Der Deutsche spricht über seine Freundschaft mit Kostas Koukounakis aus Piräus und Aris Tragas aus Athen, Griechenland.
M: Möchtest du über eine Freundschaft mit einer Person aus einem anderen Land sprechen?
J: Ja, genau. Ich war zwei Jahre in Berlin. Ziemlich genau zwei Jahre, das war Winter `98, da habe ich zunächst Kostas im Internetchat kennen gelernt. Ich war an einem Nachmittag beim Chatten. Kostas war auch da, um ein bisschen Zeit zu verbringen, weil er nicht so viele in Berlin kannte und sein Deutsch nicht so gut war und er hier relativ allein war. Wir haben miteinander gesprochen und wir haben uns ganz gut verstanden. Dann haben wir uns getroffen und es entwickelte sich eine Freundschaft. Kostas ist aus Piräus, nicht aus Athen. Aus Griechenland. Er ist 28 Jahre alt. Am Anfang haben wir nur in Englisch kommuniziert. Wir haben viel Englisch gesprochen, um die Freundschaft zu halten. Durch Kostas habe ich auch eine ganze Gruppe kennen gelernt. Kostas ist in einer Gruppe von Leuten integriert, die aus Athen kommen und die auch hier sind, um zu studieren.
M: Ist Kostas die erste Person aus Griechenland, die du kennen gelernt hast? Welche Vorstellungen hattest du über Leute aus Griechenland?
J: Ja, Kostas war die erste Person aus Griechenland, die ich kennen gelernt habe. Es gab schon das Stereotyp, dass sie sehr sozial sind, immer in einer Gruppe, durchaus fröhlich und sehr auf Tradition bedacht. Von daher war es überraschend, dass wir gar nicht das Thema hatten, also Griechenland usw. Ich glaube, das war ein Stereotyp, das ich hatte. Aber ich glaube, ich hatte keine negativ besetzten Stereotypen. Mittlerweile kenne ich die Stereotype, über die man in Griechenland lacht, dieses Soziale, immer tanzen, immer feiern, immer Ouzo. Ich lache darüber und die anderen in der Gruppe lachen mit. Wenn wir zusammen sind, dann ist es ein bisschen wie eine andere Welt. Es ist schon anders, als wenn ich mit deutschen Leuten zusammen bin.
M: Hat sich die Freundschaft schnell oder langsam entwickelt?
J: Eher langsam. Wir haben uns zweimal getroffen und dann fuhr er für eine längere Zeit weg, erst mal nach Griechenland über Weihnachten und dann fuhr er für ein paar Wochen nach England, ohne dass wir uns in der Zwischenzeit gesehen hätten. Dann dachte ich, „oh, ich höre nie wieder was von ihm“. Ich war sehr überrascht, als er sich doch irgendwann wieder meldete und dann lief es ganz langsam. Es hat dann fast ein dreiviertel Jahr gedauert, bis ich mich in dieser Gruppe integriert fühlte.
M: Kommt das Thema griechische und deutsche Kultur in euren Diskussionen vor?
J: Wenn man zu zweit ist, ist das Thema Kultur nicht so wichtig. Aber wenn man in einer Gruppe ist, ist es schon ein Thema. Dann kam viel eher dieses Thema, „wir sind die Griechen, da ist ein Deutscher, wir fragen ihn, wie es hier ist und ich kann sie fragen, wie es in Griechenland ist“. Zu zweit hätte ich dann Bedenken. Am Anfang fand ich das sehr entspannt, dass es nicht so war, dass Kostas die ganze Zeit dachte „ich Grieche, du Deutscher“. Das wäre für mich zu anstrengend gewesen. Ich glaube, wir wären keine Freunde geworden.
M: Gibt es Unterschiede und Gemeinsamkeiten in eurer Mentalität?
J: Ich glaube, dass wir die enge Freundschaft haben, weil wir uns vom Charakter her sehr nahe stehen und nicht weil wir von der Kultur so geprägt sind. Ich bin mit Kostas und auch mit Aris sehr eng befreundet, weil wir die gleichen Interessengebiete haben. Wir mögen alte Filme, Kino, Musik. Wir mögen auch gerne einfach zu Hause sein und nicht groß weggehen. Das finde ich nach wie vor sehr entspannend. Wir sprechen ganz normal, über das was uns interessiert, Musik, Film, Fernsehen, andere Leute, was auch immer.
M: Welche Gewohnheiten gibt es in Deutschland zwischen Freunden? Sind es andere als die unter Griechen?
J: Ich habe zu Kostas und Aris einen viel engeren Kontakt als zu den Leuten, die ich hier in Deutschland kenne. Ich habe den Eindruck, dass bei den Deutschen eine Freundschaft immer geschäftsmäßig ist. Das ist die Erfahrung, die ich gemacht habe, dass man sich nicht wirklich auf einer persönlichen Ebene näher kommt. Die Definition von griechischer Freundschaft ist etwas anders. Es ist so, dass man sich wortlos verstehen kann und nicht viel erklären muss.