"In Litauen..."
Spalva lernt immer wieder neue Seiten an Litauen kennen: strenge Fußgängerregeln, lange Ladenöffnungszeiten und ein gewöhnungsbedürftiges Männer/Frauen-Verhalten...
10.08.2010
Oder sollte ich 2010.08.10 schreiben?
In Litauen schreibt man das Datum nämlich anders herum.
In Litauen kann man von der – nach Eglės Angaben – korrupten Polizei einen Strafzettel mit Busgeldbescheid bekommen, wenn man an einer Stelle ohne Zebrastreifen oder Ampel die Straße überquert.
In Litauen haben außerdem alle Supermärkte auch Sonntags offen, aber NUR bis 10 Uhr, wie meine armenischen Freunde entrüstet bedauern, außerdem gibt es im ganzen Zentrum von Vilnius nur drei Nightshops. (In Yerevan, Armenien, sieht das ganz anders aus.)
In Litauen wird man, so empfinde ich das bis jetzt zumindest, als Frau viel ungenierter von Männern angestarrt, obwohl ich doch so gar nicht mit vielen litauischen Frauen mithalten kann.
In Litauen nämlich sind erstaunlich viele Frauen erstaunlich dünn, tragen erstaunlich kurze Kleider und Röcke und Highheels. Außerdem ist es ungemein beliebt, keine BH zu tragen, ganz egal wie üppig die Oberweite, wie durchsichtig das T-Shirt oder wie wippend der Gang der Frauen ist.
Ich sitze in einem Meeting mit einigen der Volunteers, die nächste Woche mit uns auf das Camp fahren wollen. Lauter unbekannte Menschen, Gesichter ohne Hintergrund, ohne Persönlichkeit, die mit hängenden Mundwinkeln da sitzen und auf den Beginn des Meetings warten.
Jeva, eine unserer Mitarbeiterinnen, beginnt auf Litauisch zu reden, alle stellen sich vor. Plötzlich erwachen die Gesichtszüge zum Leben. Weil ich nichts zu tun habe, da ich außer einigen einzelnen Wörtern und dem ersten Satz "Mano vardas …." ("Mein Name ist ….") sowieso nichts verstehe, habe ich genügend Zeit, die Leute zu beobachten und ich kann sehen, wie sie durch ein einzelnes Lächeln plötzlich zu Menschen werden und wie ihre Stimme, ihre Mimik und Gestik, sie plötzlich als Individuen erscheinen lässt.
Als ich an der Reihe bin, mühe ich mir "Ich heiße Magdalena. Ich bin 19 Jahre alt und komme aus Deutschland. Ich bin eine Freiwillige" auf Litauisch ab, bevor ich auf Englisch weiter rede.
Natürlich hänge ich schon an das zweite Wort die falsche Endung an und verhaspele mich spätestens bei "Vokietijos" ("Deutschland" im Genitiv). Doch die Wirkung ist verblüffend, schon habe ich meine Fehler vergessen und freue mich, dass ich es zumindest versucht habe: Alle lächeln mich plötzlich an. Ein gutes Gefühl.
Ich freue mich nächste Woche auf das Camp zu fahren.