"Ich mach dich gesund", sagte der Bär.
Heute ist ein Tag zum Verlieben. Um sich in Kaunas zu verlieben, genauer gesagt, das im Herbst allzu malerisch aussieht.
Heute ist ein Tag zum Verlieben.
Um sich in die Stadt zu verlieben, genauer gesagt.
Kaunas wird langsam aber sicher vom Herbst regiert, auch wenn das Lied "Vasara" (Sommer), das die Kinder von Caritas letzte Woche gesungen haben, mir immer noch im Kopf umher schwirrt.
Auf der Laisvės alėja, der Fußgängerzone, schlendern wir kurz vor Sonnenuntergang an all den Cafés und Altbauten vorbei um die letzten Tage des Spätsommers mitzuerleben. Wir trinken heiße Schokolade, Kaffe mit Kastaniensirup, all sowas, während der Wind die gelben und roten Blätter durch die engen Gassen weht.
Im Licht sehen die Bäume aus wie mit grünem Perlmutt geschmückt, irgendwie malerisch oder das, was man sich unter Malerischem vorstellt.
Dummerweise sind wir alle nicht ganz gesund, leichte Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindel, wahrscheinlich haben Johanna und ich uns bei den Kindern angesteckt und es in die WG getragen. Nicht schlimm krank, aber doch so, dass ich gerne ein " 'Ich mach dich gesund' sagte der Bär" von Janosch hören würde. Hoffentlich sind wir morgen wieder fit, denn dann geht es in ein Dorf ganz in der Nähe von Kaunas auf das On-arrival. Vielleicht ist Kümmel ja ein Allgemeinheilmittel, wenn ja, dann sind wir Glückspilze und brauchen keine andere Medizin. Kümmel, Kümmel, ich kann es nicht mehr sehen/riechen/schmecken!
Eine seltsame Angewohnheit der Litauer. Ich muss mich noch an vieles hier gewöhnen - obwohl gewöhnen das falsche Wort ist. Die Zeit scheint hier ganz anders zu vergehen, zumindest kommt es nicht nur mir, sondern auch den anderen Freiwilligen hier so vor. Es ist erst zwei Wochen her, dass wir hier leben, und es ist immernoch genauso ungewohnt wie auch normal, zur selben Zeit. Als wäre es etwas ganz normales, jeden Morgen in der Radistu-Straße aufzuwachen, als wäre es schon immer so gewesen.
Und dann ist es immer wieder ungewohnt, den extremen Kontrast von jung und alt um sich zu haben. Im Bus eine alte Dame mit Strickmütze neben einem Schulkind sitzen zu sehen, und das alle Sitzreihen hinunter bis zum Busfahrer. Wo ist die mittlere Altersklasse hin? Halb auseinanderfallende Gebäude neben riesigen Shopping malls, eine weit verbreitete Fast Food-Kette neben einem alten Ehepaar, das am Straßenrand Sonnenblumen verkauft.
Ich fühle mich gleichermaßen zuhause und fremd.
Aber ich genieße es, allein jedes neue Wort, das ich lerne, in meinen Alltag einzubauen, mit den Kindern beim Kartenspielen die Zahlen zu lernen, ein bisschen Deutschland in der WG und ein bisschen mehr Litauen auf den Straßen.
Vielleicht gehe ich heute noch in irgendeinen nedidelis Park und schaue, was so passiert. Litauen erleben halt.