Hitting the road
Ein Museum auf Rädern trotzt der globalen Pandemie.
Die Tage der letzten Wochen sind für mich in einem sehr, sehr regelmäßigen Rhythmus vergangen. Meistens im Homeoffice. Ein bis zwei Tage in der Woche im Museum, allerdings ohne Besucher. Mit anderen Freiwilligen oder meiner WG kochen. Bücher lesen. Spazieren gehen. Noch immer sind es hauptsächlich kleine Dinge, die meine Highlights im Alltag darstellen. Vor zwei Wochen hatte ich allerdings die Möglichkeit, eine ganz besondere Erfahrung zu machen, die hoffentlich nicht einmalig war!
Verzetsmuseum Junior op wielen
Das Verzetsmuseum Amsterdam bietet seit 2018 die Kinderausstellung, die 2013 eröffnet wurde, auch mobil an. Büchereien, Schulen oder andere Veranstalter können den „Bus“ bzw. eher „Trailer“ buchen und dieser kommt dann direkt an den Veranstaltungsort – mit fast allen Geschichten aus unserer Kinderausstellung im Gepäck.
Nun durfte ich erstmals auch als „museumdocent“, also als „Museumslehrerin“, mit dabei sein.
Es ist 07.30 morgens. Ich stehe an der Centraal Station in Amsterdam und warte darauf, dass mich meine Kollegin abholt. Zusammen fahren wir an den Ort, an dem der Trailer geparkt wird und die Schüler*innen später in Gruppen ankommen werden. Wir sind zu früh und machen uns bereits mit dem freundlichen Hausmeister bekannt, bis der Trailer gebracht wird. Danach geht es an das Aufbauen. Den Strom anschließen, die Treppen ausklappen, Türen verankern und Desinfektionsmittel bereitstellen – schließlich befinden wir uns immer noch in einer globalen Pandemie. Das Museum auf Rädern ist übrigens von der eigentlichen Schließung aller Museen nicht betroffen, denn der Besuch der Kinder kann sehr gut reguliert, der Trailer gut gelüftet und alle Flächen gut desinfiziert werden. Ein Museum auf Rädern ist generell etwas sehr besonderes, aber unter aktuellen Umständen umso mehr. Nicht nur für uns, die die raren Möglichkeiten genießen den, wenn auch nur wenigen, Besuchern die Inhalte des Museums nahe zu bringen, sondern vor allem für die Kinder. Manche können schon wieder im Klassenzimmer sitzen, aber macht das unter den ganzen Regeln und komplizierten Umständen wirklich Spaß? Viele müssen sich noch stets mit dem online Unterricht zu Hause begnügen. Da muss ein Museum auf Rädern doch eine willkommene Abwechslung sein.
Meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen. Neben der ständigen Arbeit am Laptop habe ich mich zwar sehr auf diesen Tag gefreut, war allerdings auch ziemlich aufgeregt. Würden mich die Kinder verstehen mit meinem unperfektem Niederländisch? Würden sie es überhaupt bemerken? Hören sie mir gerne zu? Es war nicht nur eine willkommene Abwechslung für mich, sondern eine willkommene Herausforderung.
Alle Kinder, die an diesem Tag bei uns waren, haben mich sehr beeindruckt. Sie waren etwa zehn oder elf Jahre alt, manche waren sehr fleißig und schnell, andere waren eher laut, dafür aber auch sehr offen und begeisterungsfähig. Und sie alle hatten eines gemeinsam: großes Interesse für unsere mobile Ausstellung und die, zugegeben komplizierte und schwerwiegende, Thematik der Geschichten. Es war sehr beeindruckend, wie gut sie die Kontroversen der Hauptpersonen und ihrer Familien auffassten und sich die komplizierten Facetten des Zweiten Weltkrieges und der Besatzungszeit zu Herzen nahmen.
Das erste Mal als Begleiterin im Verzetsmuseum op wielen dabei zu sein hat mich zwei Dinge gelehrt: Erstens, solange ich selbstbewusst mit meinen Niederländisch-Kenntnissen umgehe (und beispielsweise auch den Kindern offen erkläre, dass ich keine Niederländerin bin und nicht weiß was „Kopfhörer“ auf Niederländisch heißt) werde ich eine überwiegend positive Kommunikation mit den Menschen haben, auch mit den Kindern. Zweitens, Kinder dürfen niemals unterschätzt werden! Oft zweifle ich, wie viel ich jüngeren Kindern zumuten kann. Die Antwort ist jedes Mal: Sie wissen mehr, als ich dachte und mehr, als ich in diesem Alter wusste!
Der Tag im Mobilen Museum war sehr erfüllend, aber auch anstrengend. Mittags begann es zu stürmen, wir mussten beispielsweise eine Tür notdürftig mit Tape festkleben, um sie daran zu hindern gegen den Anhänger zu knallen. Außerdem waren wir nach dem Abbauen ziemlich nass vom Regen. Zu Hause sank ich erst einmal sehr müde auf mein Bett. Dankbar für die Erfahrung und die Menschen, mit denen ich arbeiten durfte und glücklich über alles, was ich an diesem Tag geschafft hatte.