Helikoptereltern - heben wir morgen ab?
Das ist ein satirischer Artikel. Viel Spaß beim lesen!
Glashütten, 4. April 2016
In den vergangenen Jahren ist das Thema „Helikoptereltern“ immer mehr in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit geraten. Ist die permanente Überwachung von Kindern durch die Eltern die Lösung in diesen düsteren Zeiten?
Mitleiderregende Geschichten von Betroffenen werden in den Medien verbreitet, eine ganze Generation Eltern spaltet sich am Konflikt der Erziehungssysteme.
Wir, vom investigativen youthreporter-Autorenteam wollen wissen, wer sich wirklich hinter diesem metaphorischen Begriff verbirgt, und befragen leidtragende und fachkundige Persönlichkeiten.
Wie ernst die Lage ist, zeigt uns der Tagebucheintrag eines betroffenen Jugendlichen, der das Franz-August-Gymnasium in Glashütten besucht und dessen Mitschüler auf das Problem aufmerksam machen wollte und uns diesen erschütternden Ausschnitt zuspielte:
„Liebes Tagebuch! Gestern hat meine Mutter das Glockenhalsband, durch welches sie mich sonst stets verfolgen konnte, durch eine Version mit einem Peilsender ersetzt. Voll cool, was die Technik alles möglich macht! Mami hat gesagt, dass das wichtig ist, damit ich in einer Großstadt mit zahlreichen Brennpunkten wie Glashütten nicht verloren gehe.
Wenigstens hat sie durch die Internetkamera, die ich stets mit mir trage, bemerkt, dass mich meine Klassenkameraden vor dem Schulklo angebunden haben, und konnte mich Minuten später befreien.
Deshalb begleitet sie mich jetzt morgens wieder in den Klassenraum und warnt meine Mitschüler, mich bloß nicht wieder zu ärgern. Sonst können die was erleben!
Dein Benni.“
Eine weitere Aussage, die wir von einer Mutter erhalten, während sie vor dem Klassenraum ihrer Tochter wartet, zeichnet ein düsteres Bild der Realität:
„Frau W., gibt es in ihrem Umfeld eine Belastung durch Helikoptereltern?“
„Es ist eine Zumutung! Kinder wie Eltern leiden unter diesen Querulanten, die ihre Sprösslinge nicht eine Sekunde aus den Augen lassen können. Noch am letzten Elternabend gab es einige, die vehement gefordert haben, den Schulhof in Parkplätze umzuwandeln, auf denen sie ihre Autos abstellen können, während sie ihre Kinder zum Unterricht bringen. Ich gehe schon immer mit meiner Tochter zu Fuß zur Schule. Und seit der Oberstufe nehme ich sie nicht mehr bei der Hand. Man muss den Kindern Freiheit lassen, damit sie sich entwickeln können.“
Wir sind bestürzt.
Um eine Fachmeinung einzuholen, suchen wir Herrn Prof. Dr. Helmut R. auf, der sich als Jugendpsychologe und mehrfacher Bestsellerautor bestens mit den Problemen der Heranwachsenden auskennt. Seine Aussagen dürfen wir leider nicht veröffentlichen, doch im Altpapier vor seiner Praxis stießen wir auf einen Briefwechsel zwischen ihm und seinem Schulfreund Dieter.
„Lieber Dieter, gerne können wir uns nächsten Dienstag wieder zum Golfen treffen. Ich habe den Glashütten Golfplatz übrigens gekauft, nicht billig, aber ein Klacks bei den Summen, die der Verkaufsstart meines letzten Buches über scheiternde Jugendliche hereingespült hat.
Es erstaunt mich immer wieder, wie schnell die Eltern anbeißen, wenn man über die gefährdeten Zukunftschancen ihrer Kinder spricht. In den letzten Jahren hat meine Branche es tatsächlich geschafft, viele Eltern derart zu verängstigen, dass sie ihre Kinder zwanghaft beobachten und vor jeglichen potenziellen Gefahren bewahren wollen. Das sind meine besten Kunden - jedes meiner Bücher ist denen Gold wert! Die Presse hat neuerdings sogar einen Begriff für dies Phänomen gefunden - Helikoptereltern... Haha! Ich wollte mir schon immer einen Helikopter kaufen! [...]“
Wir merken allmählich, dass wir da auf einen bundesweiten Skandal gestoßen sind, die zahlreichen aufgedeckten Spuren überfordern uns. Wir entscheiden uns, jegliches Material und alle Rechercheergebnisse an die professionelle Redaktion des SPIEGEL weiterzugeben.
In einem abschließenden Krisengespräch mit dem Schulleiter des Franz-August-Gymnasiums in Glashütten stellt sich heraus, dass auch der Lehrerschaft die massiven Probleme bekannt sind:
Regelmäßig verzeichne das Schulmediationsteam Besuche von Mitschülern ohne Hoffnung, die unter dem enormen Druck der elterlichen Fremdbestimmung zu leiden haben. Doch nicht immer gelinge es, den Schülern wieder Lebensmut einzuflößen. In der Fachschaft Physik begegne den Lehrern ein verstärktes Interesse an Hochspannungsanlagen und deren Auswirkungen auf lebende Organismen.
Das sei wirklich besorgniserregend.