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Erste Tage in den Niederlanden
Ein Bahnsteig in Hannover: Mehrere junge Erwachsene, beladen wie Packesel, mit riesigen Koffern und Rucksäcken, an denen Jacken, Schlafsäcke und Trinkflaschen kreativ befestigt wurden, stehen in einem, die coronabedingten Abstandsregeln befolgenden, Kreis. Sie mustern sich gegenseitig mit einer Mischung aus Müdigkeit und aufgekratzter Aufregung. Noch sind sie nicht komplett, den Rest ihrer Weggefährten werden sie erst am Zielort antreffen: dem niederländischen Städtchen Amersfoort.
Fünf Orientierungstage, an denen sie nicht nur Amersfoort kennenlernen dürfen, sondern vor allem auf ihr neues Leben in den Niederlanden vorbereitet werden sollen, liegen vor ihnen. Die Stimmung ähnelt eher der einer Studien- oder Klassenfahrt – niemand scheint wirklich zu realisieren, dass sie ein ganzes Jahr mit neuen Eindrücken, Menschen und einer neuen Aufgabe beginnen.
Während der Orientierungstage hatte ich persönlich zwei klare Highlights: der Samstag, den wir im großen Garten der Betreiber unserer Unterkunft verbringen durften – voll von wunderschönen Blumenbeeten, zwischen Gemüsefeldern und Apfelbäumen (manche trauten sich sogar im Fluss baden zu gehen, auf dem hin und wieder ein paar Kayakfahrer fröhlich vorbeifuhren und grüßten). Abends durften wir im etwa hundert Jahre alten Glasgewächshaus ein selbstgemachtes Drei-Gänge-Dinner – alles aus selbst angepflanztem und geerntetem Obst und Gemüse gekocht und gebacken - zusammen an einer großen Tafel genießen, bevor es zurück zur Unterkunft ging.
Mein zweites Highlight war der Sonntag danach. Mit dem Zug ging es nach Amsterdam. Überwältigt vom gewaltigen historischen Bau des Bahnhofes standen wir da, vor uns die Grachten und die, etwas schiefen aber dafür umso charmanteren, Grachtenhäuser. „Kannst du glauben, dass wir hier jetzt leben?“, fragte ich Pia, die neben mir stand und ebenso, mit verrenktem Hals, die mit Gold und Stuck verzierte Fassade des Bahnhofs betrachtete. „Nein – absolut nicht“, antwortete sie (wenn ich daran denke, muss ich heute noch ungläubig meinen Kopf schütteln).
Auf dem Programm stand an diesem Tag ein Zeitzeugengespräch im Verzetsmuseum (= Widerstandsmuseum) und anschließend eine buurtwandeling, eine Führung durch das ehemalige jüdische Viertel Amsterdams. Nun betrat ich es also das erste Mal – das Verzetsmuseum. Der Ort, an dem ich das kommende Jahr arbeiten werde. Mein Wunschprojekt, das ich nun zum ersten Mal mit eigenen Augen sah und nicht nur über Google Maps, durch die Erfahrungsberichte meiner Vorfreiwilligen oder der Vorstellung in meinem Kopf. Als ich das Museum betrat überrollte mich eine Welle von Enthusiasmus – das Gebäude ist deutlich größer, als ich es mir vorgestellt hatte, die drei älteren Männer an der Rezeption begrüßten mich sehr herzlich, als ich ihnen als neue Kollegin vorgestellt wurde. Noch größer wurde mein Enthusiasmus während des folgenden Programmes, denn mir wurde sehr deutlich bewusst, warum ich mir für ASF und dieses FIJ entschieden hatte – Geschichte und die verschiedenen Schicksale der Menschen, die Vernetzung der Ereignisse und die Auswirkung auf die Gegenwart, das interessiert mich und darüber will ich lernen. Dafür möchte ich mich einsetzen und Bewusstsein in der Gesellschaft schaffen.
Als die Gruppe abends zurückfuhr, waren alle gleichermaßen müde und geplättet von den Eindrücken. Nichtsdestotrotz wurde es ein langer Abend, denn die Koffer für die Abreise am nächsten Tag packten sich nicht von selbst. Glücklicherweise blieb anschließend genug Zeit, um den Abend gemeinsam ausklingen zu lassen. Das nächste Treffen in derselben Runde wird nämlich erst beim Dezemberseminar stattfinden – nach drei Monaten in unseren Projekten. Oft wurde an diesem Abend erwähnt, wie spannend es sei darüber nachzudenken, wie wir uns bis dahin bereits verändert hätten. Noch spannender wird es sein, die Veränderungen und Entwicklungen im Dezember tatsächlich festzustellen.
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