Häid pühi ja head uut aastat
Der erste Schnee, das erste Punktspiel, die erste Stunde Sprachunterricht, die erste Reise nach Stockholm. Auch nach fast vier Monaten in Estland erlebe ich noch jeden Tag etwas Neues.
Am vorletzten Dienstag im November hatten meine Mitbewohnerin und ich unser erstes Punktspiel mit unserer Fußballmannschaft in Tallinn. Wir spielten gegen Nõmme United, wo derzeit auch eine andere Freiwillige aus Deutschland spielt, sodass zwischenzeitlich drei deutsche Freiwillige auf dem Spielfeld standen. Da wir nur mit sieben Spielerinnen angereist waren, hatten wir für das 40-Minütige Spiel nur einen Auswechselspieler, während Nõmme mit 18 Spielerinnen ganze drei Mannschaften hätte stellen können. Trotzdem schlugen wir uns für das erste Spiel der Saison verhältnismäßig gut und verloren nur 3:6, wobei ich sogar das letzte Tor für unsere Mannschaft schießen konnte.
Am letzten Wochenende im November feierten wir dann mit mehreren Freiwilligen den 19. Geburtstag einer Freiwilligen aus Österreich. Wir gingen abends zu einem Italiener, bei dem dank einer Live Band auch ein englisches Geburtstagsständchen gesungen wurde, bevor wir weiter in das Gruuv, einen kleineren Club in der Tallinner Innenstadt zogen. Es wurde ein lustiger Abend, der jedoch leider wenig erfreulich endete. In vielen Clubs in Tallinn gibt es nämlich nicht die typischen Garderoben, welche aus Deutschland bekannt sind, sondern einfach nur offen, zugängliche Räume, in welchen man seine Jacke auf eigene Gefahr zurücklassen kann. Da wir bisher jedoch noch keinerlei Probleme damit gehabt hatten, hängten wir alle gemeinsam unsere Jacken in eine Ecke und genossen den Abend. Als wir jedoch gegen vier Uhr das Groov verlassen wollten, fehlte natürlich keine andere Jacke als meine. Wir durchsuchten den gesamten Raum und fragten das Personal, doch mein dunkelgrüner Wintermantel wollte nicht mehr auftauchen. Passend dazu hatte es in der Zwischenzeit auch stark angefangen zu schneien, sodass wir unseren Plan nach Hause zu laufen über den Haufen werfen mussten und uns stattdessen ein Taxi riefen. Glücklicherweise konnte mir am nächsten Tag einer der Freiwilligen, welcher von seiner Organisation mehrere Jacken geschenkt bekommen hatte, eine dieser geben, sodass ich auf dem Rückweg nach Tapa nicht frieren musste. Die knallrote Jacke ist zwar etwas zu groß, doch eindeutig besser als ein Dezember in Estland ohne Winterjacke und netterweise darf ich sie auch erstmal behalten. Solltet ihr also jemals in Estland feiern gehen wollen, lasst eure Jacke nicht aus den Augen!
Von meinem kleinen Jackenproblem unbeeinträchtigt läuft ab Ende November auch endlich mein Sprachkurs, welcher zweimal pro Woche jeweils zweieinhalb Stunden in Tallinn stattfindet. Neben vier deutschen Freiwilligen nehmen an diesem auch Franzosen, Spanier, Amerikaner, Nigerianer und Inder teil. Wir sind ein kunterbunter Haufen mit vielen verschiedenen Kulturen, sodass die Pausen, in welchen wir auch kostenlosen Kaffee, Tee und Kekse bekommen, nie langweilig werden, weil jeder etwas zu erzählen hat. Auch sind die unterschiedlichen Gründe, weshalb die jeweiligen Personen überhaupt Estnisch lernen wollen sehr interessant. Die meisten hat es aufgrund der Liebe nach Estland verschlagen, einige aber auch aufgrund besserer Bildungs- und Berufschancen. Der Kurs läuft noch bis Februar und bestehe ich die dann angebotenen Abschlussprüfung, so habe ich formal immerhin schon einmal das estnische Sprachniveau A1. Das man damit noch nicht allzu viel anfangen kann, ist erst einmal irrelevant, da die Sprache mit ihren 16 Fällen wirklich schwierig ist und derzeit noch jeder kleine Erfolg für mich zählt. Laut unserer Lehrerin gibt es aber ab Februar auch noch eine geringe Anzahl an Plätzen für einen kostenlosen A2 Sprachkurs, mal sehen, ob ich das Glück habe einen dieser Plätze zu ergattern und wie motiviert ich bis dahin noch bin.
Anfang Dezember fand dann wieder ein Treffen von Eskogukond statt, bei dem wir in Tallinn Schlittschuhlaufen waren. Obwohl ich lange nicht mehr auf der Eisfläche stand, klappte es nach einigen Anläufen überraschend gut und auch das eisige Wetter konnte uns den Spaß nicht verderben. Erst nach fast zwei Stunden verzogen wir uns wieder nach Drinnen und ließen den Nachmittag mit einem kulturellen Weihnachtsessen ausklingen. Jeder hatte typisches Essen aus seinem Heimatland mitgebracht, wobei mal wieder auffiel, wie ähnlich sich Deutschland und Estland eigentlich sind. Kartoffeln, Sauerkraut, Blutwurst, Kartoffelsalat, was für Spanier und Italiener Neuland war, war Esten und Deutschen gleichermaßen bekannt. Den Abend verbrachten wir mit einigen Freiwilligen auf dem Weihnachtsmarkt in der Tallinner Altstadt, welcher dieses Jahr übrigens als bester Weihnachtsmarkt Europas ausgezeichnet wurde. Wenn man mit Einheimischen spricht, so wissen diese nicht wirklich, weshalb gerade ihr Weihnachtsmarkt die Auszeichnung verdient hat, doch muss ich ihn tatsächlich loben. Zwar ist der Weihnachtsmarkt für deutsche Verhältnisse eher klein, doch was ist das schließlich nicht in Estland? Er hat einen schön geschmückten Weihnachtsbaum, Glögi (der estnische Glühwein) für erschwingliche Preise und eine große Bühne, auf der jeden Abend verschieden Tanz- und Gesanggruppen auftreten.
Seit unserem Wochenendausflug nach Schweden kann ich außerdem auch sagen, dass der Tallinner Weihnachtsmarkt tatsächlich schöner als der Stockholmer Weihnachtsmarkt ist. Mit unglaublichen 31 Freiwilligen aus mehr als zehn Nationen sind wir nämlich am letzten Freitagabend mit der Fähre aus Tallinn aufgebrochen. Eine russische Freiwillige hatte netterweise die ganze Reise geplant und organisiert. Da wir eine so große Gruppe waren hat die Hin- und Rückfahrt anstelle von 150 Euro nur noch 30 Euro gekostet, wodurch es sich auf jeden Fall gelohnt hat. Die Überfahrt über Nacht mit der Fähre dauerte knapp 15 Stunden, welche durch Karaokebar, Nachtclub und gemütliche Betten in unserer Viererkajüte jedoch sehr komfortabel waren. Wir kamen Samstagsvormittags in Stockholm an und haben den Tag damit verbracht die Altstadt, Sehenswürdigkeiten und Shoppingmalls zu erkunden, ehe es abends wieder zurück nach Tallinn ging. Die Rückfahrt wurde durch starke Wellengänge etwas ungemütlicher, sodass einige Freiwillige sogar Seekrank wurden, doch letztlich hatten wir alle eine sehr schöne Zeit. Stockholm wunderschön und um diese Zeit des Jahres auch überall weihnachtlich geschmückt, ein Ausflug ist also wirklich empfehlenswert.
Seit Dienstag habe ich außerdem Urlaub, sodass die Klienten in Tapa Kodus erst einmal bis zum 3. Januar ohne unsere wöchentlich organisierte Disco auskommen müssen. Meine Mitbewohnerin ist am Mittwoch nach München geflogen, um Weihnachten mit ihrer Familie zu feiern, sodass ich die Wohnung nun erstmal für mich habe. Überraschenderweise fliegen ziemlich viele Freiwillige über die Feiertage nach Hause, doch für mich stand von Anfang an fest, dass ich diese Möglichkeit nutzen möchte, Weihnachten einmal wo anders zu feiern. Ein Mädchen aus Österreich und ein Mädchen aus Palästina bleiben auch hier und ich denke wir werden uns so auch ein schönes Weihnachtsfest machen können.
Ich wünsche euch allen ein schönes Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr oder wie man (glaube ich) auf Estnisch sagt, Häid pühi ja head uut aastat!