Grundreinigung dank Gammelfleisch
Lockenjule ist gerade einen Monat in Moldau und verdirbt sich am Tag ihres Jubiläums dem Magen bei einem Fest. Nach einem Tag im Bett mit Brot und Salz hat sie plötzlich überall rote Pusteln. Woher kommen die denn?
Hätte einer gedacht, dass ich am Tage meines einmonatigen Aufenthaltsjubiläums im Wesentlichen geschlafen oder schwarzen Tee getrunken habe? Ich auch nicht. So war es denn aber, vorgestern am Sonntag, dank des unbedachten Fleischgenusses am Tag zuvor.
Am Samstag waren wir nämlich nachmittags auf dem jährlichen Weinfest, ein Großereignis mit den Ausmaßen des Buchholzer Frühlings, in Qualität und Bühnenprogramm ebenfalls damit vergleichbar. Hier in der Stadt aber eine ganz große Sache. Das durfte man sich natürlich nicht entgehen lassen. Guter moldawischer Wein vom Fass in die Ein-Liter-Plastikflasche für 1 bis 2 € je Liter. Natürlich gab’s für die betuchteren Besucher auch die guten verkorkten Flaschen mit älteren Jahrgängen zu anderen Preisen.
Nach Ankunft beim Fest war mir jedoch der Wein erstmal egal, denn ich hatte gewaltigen Hunger, der von dem Geruch der mannigfaltig angebotenen Back- und Grillwaren nur noch verstärkt wurde. Also ab zum nächsten Grillstand, koste es was es wolle (ich hatte wieder mal seit einer Woche kein Fleisch in den Magen bekommen und litt an leichten Entzugserscheinungen). Eigentlich hätten mit die großen rostigen Spieße schon misstrauisch machen müssen, mit den übrigens sehr teuren Fleischbröckchen dran, direkt über der Asche warm gehalten. Aber ich dachte nicht weiter drüber nach und machte mich über das bisschen Fleisch was ich für drei (!) Euro bekam her. Es war zäh und ungewürzt, aber immerhin warm und Fleisch.
Danach ging’s mir erstmal ganz gut und ich widmete mich der Weinverkostung. Jedoch, nach einiger Unterhaltung mit andren Freiwilligen wurde mir schlagartig sehr schlecht. Ich stahl mich in den nahe gelegenen Wald, um den Dingen Ausgang zu gewähren, die sich ihren Weg meine Speiseröhre hoch bahnten, doch es passierte erstmal nichts. Ich wartete, bekam dann erstmal kurzzeitig ordentlichen Durchschlag und dachte, damit sei der Spaß aber auch überstanden. Allerdings ging’s mir nicht wirklich besser, also ging ich kurz darauf gen Minibusparkplatz, begleitet und unterstützt von einer estischen Freiwilligen. Als ich dann im Minibus stand und geschätzte eineinhalb Minuten das Geruckel und Gedrängel darin ertrug, musste ich lautstark um sofortiges Anhalten bitten. Hinterm nächstbesten Busch ertönten mir dann die nächsten Minuten die Trompeten von Jericho.
Anschließend wurde mir schwarz vor Augen. Aber die deutsche Eiche blieb stehen, reinigte sich das Gesicht mit dem noch übrigen Trinkwasser in der Handtasche und schwankte noch hoch erhobenen Hauptes bis zur nächsten Bushaltestelle, um dort im Neonlicht auf eine der versifften Bänke zu sinken. Nachdem ich dort in der ‚das-Leiden-Christi-persönlich‘-Pose eine halbe Stunde lang vergeblich auf einen Bus gewartet hatte und die Welt allmählich vor mir zu tanzen begann, entschloss ich mich dann doch, Rosi (meiner Mitbewohnerin) den Abend zu versauen und sie zu bitten, herzukommen und mich nach Haus zu bringen. Die fand mich auch relativ schnell (weitere 20 Minuten später) und hievte mich in den nächsten Minibus, in dem ich es doch immerhin bis zum Stadtzentrum aushielt, ehe ich ihn erneut unbedingt verlassen musste. Den restlichen Weg von sonst 30 Minuten legten wir in der folgenden Stunde zu Fuß zurück, ich die Hälfte davon mit geschlossenen Augen. Zuhause angekommen fiel ich nur noch in mein ‚Bett‘; wurde von Rosi noch mit Schüssel, Tee und dritter Decke versorgt und versuchte dann zu schlafen. Sie selbst wollte sich noch mit den anderen zu einer Party irgendwo im nirgendwo treffen.
Die Nacht verbrachte ich im Wesentlichen schlaflos, mit abwechselnd Fieber, Durchfall und Schüttelfrost. Irgendwann morgens schlief ich dann ein, war aber um neun bereits wieder wach. Ich stand auf, kochte mir Tee und wollte heiß duschen… allerdings erfolglos, wir hatten nämlich kein warmes Wasser. Irgendwann rief dann Rosi aus dem Bett ihres Freundes an, wie es mir ginge und ob sie gleich noch was für mich einkaufen sollte, bevor sie nach Hause komme. Weißbrot und Salz, darum bat ich. Später kam Rosi dann und brachte mir das gewünschte, ich aber konnte nicht mal an Essen denken.
Den Tag verbrachte ich bis auf einen kleinen, äußerst kurzen Spaziergang dann im Bett, Rosi übrigens neben mir liegend. Die hatte die Nacht bei ihrem Freund nämlich auch nicht geschlafen. Es war die erste Nacht bei ihm. Die Schlaflosigkeit rührte aber nicht von irgendwelchen erotischen Beschäftigungen. Oh nein. Rosi hatte Bier, Wein und massig Weintrauben durcheinander konsumiert, den Dank dafür hatte sie nachts im fremden Bett gemerkt. Neben sich ein laut schnarchendes Wesen zu liegen, hatte sie einen Bauchkrampf nach dem anderen ausgestanden, schließlich zwei Stunden in der Küche gehockt und anschließend morgens halb sechs sein Klo vollgekotzt. Nun ja, gegen zehn Uhr morgens hatte sie dann fluchtartig seine Wohnung verlassen.
So lagen wir dann den ganzen Tag auf meiner ausgeklappten Spanplattenbank, ließen uns von russischem Fernsehen berieseln und schliefen die meiste Zeit. Rosi aß Brot mit Käse und neu gekauftem Salz, ich trocken Brot mit Salz (wenn ich denn mal was aß.) Das Salz hatte zwar eine eher traubenzuckerartige Konsistenz und schmeckte auch ein bisschen komisch, aber ich hab mir darüber keine Gedanken gemacht. Rosi hatte es schließlich selbst von einer russischen Verkäuferin mit Englischkenntnissen in die Hand gedrückt bekommen. Was wir uns da tatsächlich aufs Brot gekrümelt haben, erzähl ich gleich noch.
Nun ja, gestern (Montag) ging es mir schon besser, zwar war das Einkaufen im Supermarkt für mich immer noch eine Qual, aber ich riss mich zusammen. Abends ging’s mir auch schon wieder richtig gut. Rosi und ich saßen bei ihr im Zimmer am Tisch und bastelten irgendwas. Auf einmal juckte es mich so an den Beinen. Erst dachte ich, es sei eine Mücke im Zimmer. Aber die ‚Stiche‘ wurden immer mehr. Da vermutete ich einen Floh in meinen Sachen; hatte ich doch zwangsweise und glücklicher Weise das Bett wechseln müssen, weil die uralte Spanplattenbank in der Nacht zuvor vollends zerbrochen war und ich nun auf einem ausgeklappten, übrigens äußerst bequemen Sessel schlafe. Aber dann hätte der Floh doch schon vorher zugebissen. Mittlerweile juckten mir auch Bauch und Rücken.
Beim näheren Betrachten konnten Rosi und ich dann quasi zusehen, wir sich auf meinem Rumpf und den Beinen massig rote Pusteln ausbreiteten. Das war mir dann nicht mehr geheuer, und so holten wir unsere dicke Russenmutter aus dem Bett. Die besah sich die Sache und erkannte es als allergische Reaktion. Leider konnten wir ihr die vorhergehenden Folgen des Fleischgenusses und diesen selbst nicht wirklich erklären, so konnte sie aus ihrer riesigen vorm-Krieg-Pillen-Kiste auch nichts raussuchen. Da fiel mir dann auch nichts mehr andres ein, als Papa anzurufen, ihm die Lage zu erklären und ihn übersetzen zu lassen.
Zugegeben war ich schon ganz schön stolz auf Papa, als er der dicken Mutter am Telefon nachts ausm Stehgreif auf Russisch erklärte, dass ich wohl vergammeltes Fleisch gegessen hätte, und das und das und das alles danach passiert wär. Daraufhin übersetzte Papa mir, dass sie mir jetzt einen ordentlichen Schwung Aktivkohle verabreicht und sie diese allergische Reaktion schon von ihren Töchtern kenne. Nach ihrer Erfahrung müsste es mir morgen schon wieder viel besser gehen. Ging es dann auch. Ich konnte heute sogar schon wieder arbeiten gehen, juppheidi. Morgens beim Frühstück wurde Rosi dann auf einmal stutzig, als sie unser Salz noch mal betrachtete und kostete. Kurz und bündig: Nach einigen Recherchen fanden wir heraus, dass wir uns die letzten Tage Waschsalz aufs Brot gekrümelt hatten! Nun ja, ich bin also nicht nur einmal vollends entleert und ausgereinigt worden, sondern auch gleich noch mal richtig schön ausgewaschen. Guten Appetit.
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