Glædelig jul!
Was - schon Weihnachten? Nein, aber weihnachtlich wurde es letzten Freitag beim J-Day in Kopenhagen, als mit Jingle Bells und Engeln das Weihnachtsbier vorgestellt wurde. Und es gibt Kneipentipps.
Meine Erasmusfreunde waren durch Werbung auf den J-Day aufmerksam geworden und mussten erst einmal recherchieren, was da passieren sollte. Es schien ein großes Ding zu sein: am Freitag, den 2. November wurde das Weihnachtsbier der dänischen Brauereien vorgestellt. Ab 20.59 Uhr wurde der erste Ausschank in den Bars angekündigt, ab 22 Uhr sollte der Tuborg Truck durch die Stadt fahren und ebenfalls Bier verteilen. Also verabredeten wir uns, in einem Wohnheim auf die J-Day Party zu gehen.
Basecamp
Das Wohnheim ist in einem ehemaligen Internat in der Innenstadt, gegenüber der Staatsgalerie und neben dem Schloss Rosenborg, gelegen. Die schwere Tür öffnet sich langsam automatisch, wenn man nicht genau hinguckt, fällt der Schriftzug "Basecamp" kaum auf. Im Innenhof fällt der Blick auf die Lichterkette in den Bäumen. Im August saßen wir hier mit Bier und genossen den lauen Abend. Das Basecamp ist eines der teuersten Wohnheime und ist vor allem von wohlhabenden US Amerikanern und Australiern bewohnt. Im Treppenhaus hängen vielsagende Souvenirs auf denen steht: "My home is cooler than yours." Die Party im Keller ist gleichzeitig eine Halloween Party, die zehn herumstehenden Menschen haben sich sehr viel Mühe mit ihren Kostümen gegeben. Wir bleiben nicht, stauben aber einen Sixpack Weihnachtsbier ab, den wir auf dem Weg zur Innenstadt trinken. So richtig wissen wir nicht, wohin, aber irgendwie landen wir ein paar Straßen weiter vorm Barkowski.
Barkowski
Wir versuchen erst gar nicht hinein zu gehen, denn schon davor steht eine Traube Menschen, darunter viele Internationale. Im Barkowski war ich im September zum ersten Mal mit ein paar Freunden. Jemand hatte gehört, dass die Bar cool und authentisch ist, was dabei heißt, dass viele Dänen dort sind. Es ist dort immer voll, freitagabends genauso wie Mittwochs. Das Barpersonal ist aber immer total nett und versucht, alle mit einem Sitzplatz glücklich zu machen. Fünf kleine Biere bekommt man hier für 100 Kronen, das ist ein ganz gutes Angebot, besonders für Gruppen. Als ich zum letzten Mal dort war, habe ich tatsächlich eine Gruppe Dänen kennengelernt und ein Trinkspiel gelernt sowie Einblick in dänische Politik bekommen.
Lisa ist jetzt zu uns gestoßen, ich treffe andere Leute wieder und lerne neue Menschen kennen. Irgendwann kurz nach 22 Uhr werden alle aufgeregt, als sie den Tuborg Lastwagen sehen. Er fährt zuerst vorbei und setzt dann zurück. Die Traube bewegt sich Richtung Klappe, die langsam aufgeht. Viele zücken ihre Handys - ich auch. Das ist so verrückt und lustig, das muss man einfach festhalten. Ein verkleideter Mann schreit etwas, dann kommen hinter ihm Engel und Weihnachtsmänner hervor, es läuft Jingle Bells. Die Kostüme sind blau und haben dasselbe Muster wie das Bier. Unter großem Gejohle fährt die Klappe nach unten und die Truppe marschiert ins Barkowski. Es ist verboten, das Bier auf der Straße zu verteilen. Wir stehen in der Schlange und kommen nicht mehr rein. Der Securitymann gibt uns den Tipp, zur Bar um die Ecke zu gehen, da kommt das Weihnachtsbier auch noch hin.
Café Munk
Schon wieder ist das Café Munk nur zweite Wahl. Letztens sind wir dort gelandet, als das Barkowski einfach zu voll war und wir nicht so weit woanders hinlaufen wollten. Die Dekoration ist indisch angehaucht und gemütlich, es gibt Indian Pale Ale und es ist ein bisschen schade, dass es keine indischen Snacks gibt. Die Cocktails sind gut und zu moderaten Preisen erhältlich. Während alle anderen vor der Bar und dem Lastwagen stehen und Jingle Bells singen und sich über ihre Mützen und Freibiere freuen, haben wir kurz Zweifel, ob das mit dem Tipp stimmte. Die Heckklappe fährt hoch und geht zu. Dann geht sie wieder auf und der Zauber geht erneut los. Diesmal sind wir ganz vorne und sind schon in der Bar, als die Weihnachtscrew hereinkommt. Spätestens an dem Rahmen, durch den man seinen Kopf stecken kann, um lustige Fotos zu machen, merkt man die große Marketingaktion dahinter und die Hoffnung (oder Sicherheit), dass die Leute ihre Fotos mit entsprechenden Hashtags in den Sozialen Netzwerken hochladen. Egal, wir wollen doch nur ein Bier und eine Mütze. Und das schaffen wir. Da machen wir dann doch ein Foto. Wo geht es jetzt hin? Jemand hat etwas von einer Freitagsbar gehört auf dem City Campus, nur wenige Minuten entfernt.
Freitagsbars
Wo diese Tradition herkommt, sich am Ende der Vorlesungswoche ab 12 Uhr mittags die frisch vernetzten Gehirnzellen wieder wegzutrinken, habe ich noch nicht herausgefunden. Am Anfang war ich sehr irritiert, denn ich würde eher nicht auf die Idee kommen, in der Uni zu trinken (außer beim legendären, aber leider abgeschafften Fak-Fest in Potsdam). An meinem Campus hat jedes Institut seine eigene kleine oder große Freitagsbar, Bier darf auch nur an dem Tag ausgeschenkt werden. Die von meinem Institut heißt Hjorten. Das heißt Hirsch und es gibt verschiedene Geschichten zur Entstehung des Namens, z.B. dass jemand auf der Erstsemesterfahrt betrunken mit einem Hirsch zusammengestoßen ist. Vor Kurzem war ich zum ersten Mal da, zur "Halloween-Bar". Leider war nicht so viel los, aber ich hab zum ersten Mal Beerpong gespielt, auf einem richtigen Beerpong Tisch. Die Dänen sind komplett verrückt nach Beerpong und spielen es überall, eben auch mit den eigenen Tischen dafür. In der Freitagsbar auf dem City Campus war ich auch schon mal, vor ein paar Wochen. Die Wirtschaftswissenschaften und Politikwissenschaften feierten hier und als wir um Mitternacht im Kommunen ankamen, war die Mehrzahl der Studis schon ziemlich betrunken. Bei jedem Schritt klebte der Boden, manche saßen weggetreten irgendwo rum oder spielten noch halbwegs ordentlich Beerpong oder Trichtertrinken (aka Elefantentrinken). Zuerst war es ziemlich unangenehm, aber da meine Gruppe im Vergleich recht nüchtern war, haben wir unseren Spaß daran gefunden, die sehr Betrunkenen zu beobachten. Netter war es dann später auf der Party der Politikwissenschaften, die in einem kleinen Nebenkeller waren. Wir rutschten durchs Fenster rein und tanzten den Rest der Nacht.
Diesmal hatten wir jedoch kein Glück - im kleinen Keller war eine private Party und auch im Kommunen war geschlossene Gesellschaft. Den Hinweis, dass genau an dem Tag keine Freitagsbar stattfindet, hatten wir nicht bekommen. Wenn sonst nichts mehr geht, geht immer das Studenterhuset, das haben wir schon in den ersten Wochen gelernt.
Studenterhuset
Neben meinem Zimmer und der Bib der Ort, an dem ich bisher am meisten Zeit verbracht habe. Das Studenterhuset ist ein Café der Uni Kopenhagen (also meiner Uni) und wird hauptsächlich von Freiwilligen betrieben. Es liegt in der Innenstadt, hat zwei Stockwerke und einen tollen Innenhof und veranstaltet eine Menge Aktivitäten. Im Obergeschoss ist es eher ruhiger, wenn man lernen möchte, unten gibt es eine Bühne für Partys und eine Leinwand zum Fußballgucken. Von Language Café, Community Kitchen über Swingtanzen, Seriengucken, Flohmarkt und Partys ist alles dabei. Seit September arbeite ich auch als Freiwillige dort mit und übernehme Dienste an der Bar und in der Küche. Das ist ziemlich cool, weil ich mal etwas anderes mache, mich freiwillig einbringen kann, viele neue Leute kennenlerne und nebenbei Rabatte und Gutscheine bekomme. Am Anfang des Semesters hatten sich schnell viele Leute gemeldet, sodass irgendwann "Aufnahmestopp" war. Gerade weil viele Freiwillige wie ich nur für ein Semester da sind, finde ich es beeindruckend, wie sehr man sich einbringen kann.
Letzten Freitag war Halloween Party, das wussten wir und deswegen zögerten wir ein bisschen. Das hieße, das Studenterhuset wäre sehr voll. War es dann auch, wir bekamen aber trotzdem unser Bier - auch hier Weihnachtsbier. Das Tuborg Pilsener, das ich sonst immer gerne trinke, wurde leider ausgetauscht. Wir setzten uns erstmal in den Hof, dort war es nicht so voll und wir wollten uns auch unterhalten, hauptsächlich über Politik. So viele Gespräche mit jungen Menschen aus vielen Ländern drehen sich um Politik - und da möchte mir noch jemand weis machen, die Jugend interessiere sich nicht für Politik? Es geht schließlich um unsere Zukunft. Später tanzten wir noch, neben verkleideten Menschen, zu Heavy Metal.
Auf dem Nachhauseweg riefen uns Menschen "Glædelig Jul!" ("Frohe Weihanchten") zu, als sie unsere Mützen sahen. Die Weihnachtszeit hat wohl gerade angefangen. Als ich auf dem Fahrrad saß und bemerkte, dass die Batterie von meinem Rücklicht schwach wurde, war ich ganz froh um den bunt leuchtenden Bommel meiner Mütze.