Fußball und andere Geschichten
Farbe bekennen? Karenaki hat damit kein Problem und outet sich als "roter" Fan. Denn eins ist klar: Im griechischen Fußball führt kein Weg daran vorbei, Position zu beziehen.
So, jetzt muss ich aber mal wieder schreiben. Mein Wochenende war sehr erlebnisreich! Freitagabend gab es mal wieder ein Konzert im Jugendzentrum, namens „Slow Motion“. Die Musikrichtung konnte niemand wirklich einordnen, aber die Texte waren teilweise ganz schön psycho (Deutsch/Englisch).
Ich war natürlich mehr oder weniger allein in der Bar (Ioanna hat mir ein bisschen geholfen), weil das nicht in den Aufgabenbereich der Leonardos fällt und sie nichts machen, was nicht sein muss. Zsuzsa war am Freitag leider sowieso „krank".
Samstagabend bin ich zu meinem Vater gefahren, um Griechisch zu machen. Als ich dort ankam, waren er und seine Freundin jedoch schon völlig vertieft in das Fußballspiel. Wenn mich jetzt irgendjemand damit aufziehen möchte, dass Griechenland, amtierender Europameister, ein Heimspiel in Athen 1:4 verloren hat, dann muss ich denjenigen enttäuschen.
Griechenland hat so einmalig schlecht gespielt, dass es entweder zum Verzweifeln oder zum Lachen war! Wir haben uns für Letzteres entschieden und der Türkei die Daumen gedrückt, noch ein fünftes Tor zu schießen. Vielleicht sollte Otto seinen Jungs erstmal beibringen, wie man das Tor trifft, bevor sie an einer EM teilnehmen. Peinlich, peinlich…
Die griechischen Fans fand ich auch ziemlich daneben. Der ganze türkische Torraum lag voller Flaschen, Pappbecher und anderer Gegenstände. Naja, in Griechenland wirft man den Müll halt überall hin.
Man muss aber auch sagen, dass der Zeitpunkt des Spiels nicht gerade der neutralste war. Am Sonntag war hier nämlich mal wieder Nationalfeiertag und dieser hatte ausgerechnet mit der jahrhundertlangen Unterdrückung der Griechen durch die Osmanen zu tun. Am 25. März 1821 wurde den Türken, nach einigen gescheiterten Versuchen in den vergangenen Jahrzehnten, von den Griechen offiziell der Krieg erklärt. Anders als vorher waren die Griechen besser vorbereitet und hatten auch Unterstützung von Exilgriechen. Es dauerte bis weit ins 19. Jahrhundert, bis der Grossteil Griechenlands frei war (Ja, ich gebe ja zu, dass ich die letzten 3 Sätze nur hierein kopiert habe).
So sah man auch im Fußballpublikum am Samstag einige Fans in traditionellen Trachten. Mein Onkel, meine Tante und mein Vater sind keine großen Fans von Nationalfeiertagen, aber da meine Cousine vor der Dorfgemeinde ein Gedicht aufsagen wollte/sollte, mussten alle wohl oder übel dabei sein. Für mich war es mal ganz interessant. Für uns Deutsche ist es halt eher ungewohnt, einen Nationalfeiertag zu feiern. Was machen wir denn bitte am 3.Oktober? Wir freuen uns, das schulfrei ist...
Wir sind also schon um 10 Uhr morgens nach Kryoneri gefahren, wo sich bereits die ganze Dorfgemeinde um das Denkmal (für die in der Schlacht gegen die Türken Gefallenen) versammelt hatte. Schnell habe ich mich zu meiner Tante und den beiden neuen Freiwilligen Helena (Spanien) und Mindaugas (Lithauen) gesellt (Philip ist leider für einen Monat in Berlin), um mich nicht allein underdressed zu fühlen. Die Griechen hatten sich natürlich alle richtig herausgeputzt und die Kinder hatten alle traditionelle Trachten an. Erstmal hat irgendein wichtiger Mensch, ich nehme mal an der Bürgermeister, eine Ansprache gehalten, dann hat der Pope gebetet und der Kirchensänger gesungen, dann haben wichtige Leute, Schulkinder und Kindergartenkinder Kränze abgelegt, woraufhin es eine Schweigeminute gab und dann sind ein paar Kindergarten- und Schulkinder ans Mikrofon getreten, um Gedichte aufzusagen. An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass meine Cousine das natürlich am besten gemacht hat. Ich war jedenfalls stolz wie Hulle. :-)
Anschließend haben die Kinder die Nationalhymne gesungen und haben eine von Marschmusik begleitete und ca. 400 m lange Parade durch das Dorf gemacht, bei welcher jeweils die Klassenbesten eine Fahne tragen durften. Die restlichen Kinder sind so bewegungsreich marschiert, dass sie aussahen, als machten sie Schwimmübungen. Zum Schluss haben die Schulkinder noch traditionelle Tänze vorgeführt und dann war der Spuk auch schon vorbei. Meine Tante hat mir erzählt, dass für die Parade und die Tänze einen Monat lang zwei Stunden am Tag geprobt wurde. An Stelle des Sportunterrichts.
Mein Vater und ich sind noch fürs sehr leckere Mittagessen im Dorf geblieben. Bis das Essen fertig war, habe ich mit meinen Cousinen, vor allem mit der kleinsten, fast jedes erdenkliche Spiel gespielt. „Mensch ärgere Dich nicht“ (wobei mein Vater mitgespielt hat, um gegen mich zu verlieren), Verstecken, das Gänsespiel etc.
Mein persönliches Highlight war jedoch, dass mir meine 6-jährige Cousine Schach beibringen konnte! Das habe ich vielleicht vor zehn Jahren das letzte Mal gespielt, aber ich glaube nicht, dass ich es schon mit sechs spielen konnte. Es hat auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht und mich hat vor allem gefreut, dass meine Cousinen jetzt eine Beziehung zu mir aufgebaut haben und mich gar nicht mehr gehen lassen wollen. :-)
Besonders süß fand ich, als mich die kleene vor dem „Mensch ärgere dich nicht“-Spiel fragte, welche Fußballmannschaft denn meine wäre. Darauf habe ich natürlich „Olympiakos" geantwortet, weil mein Vater auch für „Olympiakos“ ist und ich dann ja schlecht „Panathineikos“-Fan sein kann. Mal abgesehen davon, ist es mir relativ egal, so wie mir die Bundesliga in Deutschland egal ist.
Das süße war aber, dass meine Cousine mich daraufhin gefragt hat, ob es denn sehr schlimm für mich wäre, wenn ich mit Grün spielte und sie mit Rot (noch eine Olympiakosanhängerin). Grün ist die Farbe von Panathineikos und Rot die von Olympiakos. Olympiakos und Panathineikos sind hier in der Gegend Erzfeinde. Wenn die beiden gegeneinander spielen, dürfen immer nur die Fans einer Mannschaft anwesend sein, weil sonst alle austicken. Auf jeden Fall muss man sich hier einfach zu irgendeiner Mannschaft bekennen, weil einem die Frage ständig gestellt wird.
Gestern waren wir ein Jugendzentrum für jung gebliebene Leute. Da hat nämlich ein Seniorenchor hier geprobt, dessen Proberaum gerade umgebaut wird. Die meisten der alten Leute waren voll süß und haben sich tausendmal bei mir bedankt, dass sie hier proben durften und entschuldigt, weil wir nicht in Ruhe arbeiten konnten! Einer hat mich sogar gefragt, ob ich hier der Boss sei. Ja klar!
Heute ist auch schon wieder Dienstag, was bedeutet, dass mich meine Mutter schon in einer Woche besuchen kommt. Gruselig, wie schnell die Zeit vergeht!