Frühling in Polen
Endlich ist der Winter vorbei und damit auch die Stagnation in Projekt und Alltag. Ich geniesse jeden Tag der verbleibenden 2 Monate.
Hey mal wieder,
lange ist's her, dass ich geschrieben habe und jetzt ist meine Zeit hier in Polen schon fast wieder um.
Anfang Juni werde ich wieder in Braunschweig sein und von da Richtung Jena starten. Ich bin froh, dass die Pläne für danach schon lange vollständig sind, da ich mich so auch darauf freuen kann, zurück zu kommen.
Jetzt aber bin ich noch froh über jeden Tag, den ich hier sein darf. Dabei kann ich natürlich nicht einfach rauslassen, dass es andere Momente gab und ich genau wegen diesen auch lange nicht geschrieben habe.
Der Winter war lang, viel zu lang, nämlich ganze 5 Monate. Noch immer kommt es vor, dass es schneit. Mit der Welt draußen schien auch die Aktivität des Projektes zu gefrieren. Vorhaben wurden immer und immer wieder verschoben, gar nicht oder völlig anders umgesetzt. Die Kälte bewegte allzu viele Leute dazu, sich in ihren Zimmern zu verschanzen.
Die ewig freien Wochenenden begannen zu langweilen, neue Kontakte kamen kaum zustande. Nach der Arbeit (um 15 Uhr) war bereits Nacht und spätestens drei Stunden später hatte ich das Gefühl, ins Bett gehen zu müssen.
Die Besuche in Deutschland, geplanter und ungeplanter Natur, waren so gefüllt mit Aktivität, dass ich begann, meine Heimat unglaublich zu vermissen, sobald ich wieder zurück in Polen war.
Mit den ersten Tagen mit Temperaturen über 5° (!) ist aber zum Glück das Leben in meine Mitmenschen zurückgekehrt und mit einem Mal war das Leben wieder da, prall gefüllt mit Ideen und Vorhaben.
Jeder Tag ist bis oben hin gefüllt und wenn ich teilweise erst um 21 Uhr nach Hause komme, ist noch kein Ende in Sicht. Plötzlich will jeder jeden Tag feiern gehen und es wird immer schwerer, sich dem zu entziehen. Die Aussage, dass mir zweimal in der Woche weggehen reicht, wird mit einem ungläubigen "Wieso?!" quittiert. Mein und Olallas Zimmer sind zu meinem Bedauern Gemeineigentum geworden, jeder, der nichts direkt zu tun hat, läuft hier ein und aus.
Kaum kletterten die Temperaturen über 10° (!!!), begannen die Leute ungeachtet sämtlicher Verbote draußen vor den Studentenheimen zu trinken und zu grillen. Selbst der Rezeptionist scheint von den Frühlingsgefühlen erfasst worden zu sein und lässt unsere Freunde auch mal nach 21:00 reinkommen (ja, sonst ist das verboten).
Auf den Parties drinnen vermischt sich alles bunt, die verschiedensten Sprachen schwirren durch die Luft. Endlich feiert alles zusammen, polnische Studenten, Erasmus, Freiwillige. Es wird immer schwerer zu sagen, wer eigentlich im Heim wohnt oder wer hier einfach bleibt, weil er oder sie irgendwelche Freunde hier hat.
Das Polnisch reicht für nun für Unterhaltungen und die Gespräche um uns herum verlieren ihre geheimnisvolle Unverständlichkeit. Gespräche im Bus, Gespräche auf der Straße, Gespräche von Nachbarn - alles beginnt Form anzunehmen.
Was ich an Polnischem auch dazulerne, im Projekt hilft es mir nicht viel weiter. Seit ich diese Erkenntnis erlangt habe, konzentriere ich mich immer mehr aufs Russische. Wenn auch langsam, gehts dabei jetzt auch endlich voran.
Ich kann auch jedes russische Wort gebrauchen, da ich wieder angefangen habe, Englischstunden für die Tschetschenen zu geben. Diesmal mit neuer Methodik und in der Stiftung, nicht im Flüchtlingscenter.
Es sind nicht viele Teilnehmer, aber umso engagiertere und ich liebe die Stunden.
Jetzt, wo sich der Aufenthalt für 4 von uns dem Ende zuneigt, werden noch einmal einige neue Sachen auf den Weg gebracht. So führen wir nächste Woche mit tschetschenischen und polnischen Kindern ein Theaterstück über ein tschetschenisches Märchen auf.
Leider ist von der ursprünglichen Idee dazu, die von einer von uns kam, nicht viel übriggeblieben. Das Gefühl, dass wir nicht halb so viel bewirken können wie wir vorhatten, bleibt. Mit ihm kommt aber auch der Blick für die kleinen Erfolge.
Kinder, die zugänglicher werden, Parties im Center, die vermehrt besucht werden, neue Leute bei den Englischstunden.
Eigentlich ist jetzt einfach kein Moment, um zu gehen.
Aber zum Glück muss ich das ja auch noch nicht. Noch zwei Monate genau, in denen sich auf jeden Fall noch was bewegen wird.
Heute ist schon mal der erste Tag, an dem man mit kurzer Hose laufen konnte - 16°C!
Viele Grüße und einen guten Start in den Frühling wünsch ich euch :)
ciao ciao
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